«Wir sind auf einem guten Weg»



12Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit dpa

Interview von Uta Winkhaus und André Stahl, dpa
dpa: Das war wieder ein heftiges Jahr. Sind Sie erschöpft – macht der Job des Bundesfinanzministers überhaupt noch Spaß?

Schäuble: «Ich freue mich nach den letzten Wochen in der Tat auf ein paar ruhige Tage. Aber politisches Engagement ist Leidenschaft. Wenn die Aufgaben groß sind,ist die Leidenschaft groß. Deswegen macht mir meine Arbeit weiterhin Freude. Und ich finde, wir haben in diesem Jahr auch in einer schwierigen Zeit viel erreicht.»

dpa: Hätten Sie das gern auch als Euro-Gruppenchef vorangetrieben?

Schäuble: «Nein, ich glaube, ich habe in der Eurogruppe als deutscher Finanzminister meine Aufgabe wahrzunehmen. Die heißt, aus deutscher Sicht für die richtige Finanzpolitik einzutreten. Aber zugleich auch mitzuhelfen, dass wir gemeinsame Entscheidungen zustande bringen.»

dpa: Wer soll es dann machen?

Schäuble: «Ich glaube, dass sich da eine Lösung für die Nachfolge für Jean-Claude Juncker abzeichnet, für die ich geworben habe und die ich gut finde. Vorsitzender der Eurogruppe muss aus meiner Sicht einer der Finanzminister sein. Und es ist klar, dass die Bundesregierung Wert darauf legt, dass es ein Finanzminister ist, der für finanzpolitische Solidität steht.»

dpa: Sie haben sich gerade mit Ihrem neuen niederländischen Kollegen Jeroen Dijsselbloem getroffen. Wäre er denn ein guter Kandidat?

Schäuble: «Es spricht viel dafür, wenn das ein Finanzminister aus einem kleineren Land macht, das dazu beitragen kann, zwischen unterschiedlichen Standpunkten eine gemeinsame Linie zu finden. Unter all diesen Gesichtspunkten ist der niederländische Kollege ganz sicher gut geeignet. Ganz davon abgesehen, dass er von allen sehr geschätzt wird und hoch kompetent ist.»

dpa: Wo steht denn die Eurozone nach drei Krisenjahren?

Schäuble: «Wir sind in einer schwierigen Zeit gut vorangekommen. Und zwar in allen Mitgliedstaaten. Irland und Portugal haben große Fortschritte gemacht und bekommen zunehmend Zugang zu den Finanzmärkten. Griechenland hat seit den Wahlen im Juni mit der Regierung Samaras zum ersten Mal sehr Ernst gemacht mit der Umsetzung von Reformen, hat sein Defizit deutlich reduziert, seine Lohnkosten deutlich zurückgeführt.»

dpa: Griechenland bekommt wieder eine deutlich bessere Bonitätsnote. Ist das Gröbste in der Euro-Krise überstanden?

Schäuble: «Die Reformen sind auf einem guten Weg und wir haben Fortschritte erzielt. Aber es bleibt eine große Herausforderung – auch für das griechische Volk. Auch Spanien hat mit der Rekapitalisierung seiner Banken wirklich gute Arbeit geleistet. Wir haben Europa in der Krise gestärkt: Wir haben mit dem ESM eine neue Finanzinstitution geschaffen und mit dem Fiskalpakt die haushaltspolitische Überwachung verschärft. Seit kurzem haben wir jetzt auch eine grundsätzliche Einigung auf den Rechtsrahmen für eine gemeinsame Bankenaufsicht. Das heißt, wir kommen Schritt für Schritt voran.»

dpa: Aus Frankfurt kommen aber wieder mahnende Töne: Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisiert die Pläne zur Bankenaufsicht. Aus seiner Sicht ist der EZB-Rat nicht das optimale Gremium, um darüber zu entscheiden, ob eine Bank geschlossen werden soll. Wie sehen Sie das?

Schäuble: «Mit dem Hinweis, dass Geldpolitik und Bankenaufsicht streng getrennt werden müssen, hat er absolut recht. Aber aus exakt diesem Grund habe ich ja großen Wert darauf gelegt, dass die gefundene Lösung eine klare Trennung vorsieht. Wenn man es noch ganz anders machen wollte, müssten wir die Europäischen Verträge ändern. Das würde sehr lange Zeit dauern. Und die haben wir nicht. Wir haben hier eine gute Lösung gefunden, die den Verträgen Rechnung trägt. »

dpa: Sind Sie denn auch mit dem Reformtempo im Euro-Raum zufrieden?

Schäuble: «Die weltwirtschaftliche Entwicklung hat sich insgesamt verlangsamt. Die Eurokrise ist bei weitem nicht die einzige Ursache dafür. Hinzu kommt: Wenn man einen so schwierigen Sanierungskurs wie in Griechenland bewältigen muss, dann ist das natürlich mit schweren innenpolitischen Auseinandersetzungen und sozialen Konflikten verbunden. Es ist eine Gratwanderung am Rande dessen, was eine Gesellschaft aushält, ohne den inneren Frieden zu verlieren. Und auf die Wahrung des inneren Friedens haben wir zu achten. Wir tragen alle eine Verantwortung. Ich habe da keine Noten zu vergeben.»

dpa: Wie groß sind Ihre Sorgen angesichts der Querelen in Italien?

Schäuble: «Italien hat im letzten Jahr unter der Regierung von Mario Monti enorme Fortschritte gemacht. Jetzt hat Italien in absehbarer Zeit Neuwahlen. Wahlen sind immer mit Ungewissheit verbunden. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Bevölkerung in Italien daran erinnern wird, wie die Lage war, ehe Monti Ministerpräsident wurde und was seitdem alles geschafft wurde.»

dpa: Reichlich Querelen gibt es zurzeit auch bei der Deutschen Bank. Sind die Vorgänge ein Grund, die Finanzmarktregulierung zu verschärfen?

Schäuble: « Sie werden verstehen, dass ich zu einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren keine Stellung nehmen kann. Zudem geht es – soweit ich das aus den Medien kenne – bei den Ermittlungen um Steuersachen, das ist keine Aufgabe der Bankenaufsicht. Die Bankenaufsicht hat ja primär die Aufgabe, darauf zu achten, dass Banken zahlungsfähig bleiben.»

dpa: Die Deutsche-Bank-Führung um Jürgen Fitschen und Anshu Jain hat ja nicht nur mit Steuerbetrugsvorwürfen zu kämpfen. Sind Sie beunruhigt?

Schäuble: «Natürlich sind das alles keine guten Nachrichten, und ich mache mir Gedanken. Aber ich habe die Zuversicht und das Vertrauen, dass die Verantwortlichen die Dinge ernst nehmen und möglichst schnell aufklären und abstellen. Eine stark auf Export orientierte deutsche Wirtschaft hat ein großes Interesse an leistungsfähigen Instituten.

dpa: Ist Fitschen noch der richtige Mann künftig für die Spitze des Bankenverbandes und damit als Ansprechpartner für die Politik?

Schäuble: «Wie kommen Sie jetzt auf diese Frage?»

dpa: Wegen der politischen Instinktlosigkeit, im Zusammenhang mit der Steuer-Großrazzia der Staatsanwaltschaft bei Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier anzurufen.

Schäuble: «Dass der Anruf ein Fehler war, hat Fitschen doch eingeräumt. Er ist ja klug genug zu wissen, dass ein Ministerpräsident auf ein Ermittlungsverfahren nicht Einfluss nehmen kann und nicht nehmen wird. Wenn er zwei Tage später sein Bedauern ausspricht und sich entschuldigt, dann – so finde ich – ist auch wieder gut. Wenn jeder innerhalb von zwei Tagen seine Fehler korrigiert, dann wär‘ schon manches ganz gut in Deutschland.

dpa: Nicht ganz so gut lief es zuletzt für die schwarz-gelbe Koalition. Das Steuerabkommen mit der Schweiz und die Pläne zum Abbau «heimlicher Steuererhöhungen» sind am Widerstand der Opposition gescheitert. Waren Sie zu wenig kompromissbereit?

Schäuble: «Nein, ganz sicher nicht. Ich glaube schon, dass die SPD hier ihre Position im Bundesrat zu parteipolitischen Zwecken mißbraucht hat. Es gibt Entscheidungen der Länder, die aus sachlichen Gesichtspunkten schwer nachvollziehbar sind. Die Tatsache, dass man Milliarden an Steuernachzahlungen ausschlägt und damit dafür sorgt, dass auch in Zukunft Jahr für Jahr Steuerschulden in dreistelliger Millionenhöhe verjähren ist nicht vermittelbar. Dass die SPD gerade die kleineren und mittleren Einkommen von der kalten Progression nicht entlasten möchte, ist ebenfalls nicht zu verstehen.

dpa: Und wie geht das jetzt weiter bis zur Bundestagswahl?

Schäuble: «Ich unterstelle mal, dass SPD und Grüne bis zum Ende der Legislaturperiode im Bundesrat so weiter machen. Das ist weiter nicht tragisch. Wir kriegen unsere Dinge schon so geregelt. Die Wähler haben im September die Gelegenheit, dazu ihre Meinung zu sagen.»

dpa: Heißt das, bis September passiert nicht mehr viel?

Schäuble: «Nein, das habe ich nicht gesagt. Eine Regierung weiß, dass eine Legislaturperiode vier Jahre hat. Darauf stellt man sich von Anfang an ein. Wir haben nicht nur gut gearbeitet, sondern die Legislaturperiode auch seriös vorbereitet. Deswegen kann die Blockade von Rot-Grün unserem Land nicht allzu viel schaden.»

dpa: Dank der gescheiterten Steuerpläne müssen Sie im Bundeshaushalt immerhin weniger Mindereinnahmen verkraften. Ergibt sich Spielraum für höhere Renten älterer Mütter? Mit ihrem Verweis auf knappe Kassen hatten sie in den eigenen Reihen ja Empörung ausgelöst.

Schäuble: «Ich wüsste nicht, wen ich mit der Feststellung knapper Kassen empört haben sollte. Wer sich nach Hinweisen auf die Realität empört zeigt, der muss sich ja vorhalten lassen, dass er die Realität verweigern möchte.»

dpa: Alles also nur ein Missverständnis?

Schäuble: «Ja, die Diskussion war zum Teil missverständlich. Das Anliegen, eine Ungleichbehandlung zu korrigieren, ist durchaus nachvollziehbar. Aber der Finanzminister ist nun mal dafür da, darauf hinzuweisen, dass wir begrenzte Spielräume haben.