Wir sind auf dem richtigen Weg



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Mittelbadischen Presse

Rigling: Herr Schäuble, wenn man der veröffentlichten Meinung Glauben schenken möchte, fliegt Griechenland aus dem Euroraum, der Euro wird abgeschafft und Europa geht unter. Können Sie uns ein wenig Optimismus schenken?

Schäuble: Einzelne Staaten der Eurozone und dadurch zum Teil auch die Eurozone als Ganzes befinden sich in einer Vertrauenskrise. Richtig ist aber auch, dass unser Wohlstand erst mit der wirtschaftlichen Integration Europas möglich wurde. Und dazu gehört die europäische Währung.

Rigling: Warum ist der Euro so wichtig?

Schäuble: Da brauchen Sie gar nicht weit weg zu gehen. Schauen Sie sich in der Ortenau um. Die Firma Herrenknecht in Schwanau exportiert 90 Prozent ihrer Produkte und verdient ihr Geld überall in der Welt. So wie viele deutsche Unternehmen. Die gemeinsame Währung erleichtert den Export und stützt unsere Wirtschaft. Man darf auch nicht vergessen, dass Europa die größte Wirtschaftsregion der Welt ist. Auch China schaut auf uns. Europa, das ist, zumal dann, wenn man alle Staaten zusammen nimmt, nicht nur der bei weitem größte Exporteur der Erde, sondern auch ein gigantischer Markt.

Rigling: Und trotzdem ist der Euro nicht beliebt.

Schäuble: Man sollte sich immer vor Augen führen, dass der Euro in den wesentlichen Disziplinen ein Musterschüler ist. Er ist stabil. Nach innen wie nach außen. Wir haben so gut wie keine Inflation. Die Preissteigerungsraten sind niedriger als zu DM-Zeiten. Das wird von den Medien gerne übersehen. Ich möchte damit die komplexen Probleme, mit denen wir es wir derzeit in der Europa zu tun haben, nicht kleinreden. Aber man darf auch die andere Seite nicht übersehen.

Rigling: Was muss jetzt getan werden, um Europa aus der Krise zuführen?

Schäuble: Wir müssen das verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen. Das geht nicht über Nacht. Viele Länder der Eurozone müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um ihre Defizite zurückzuführen. Die Wettbewerbsfähigkeit muss in allen Mitgliedsstaaten verbessert werden – in einigen ist das dringlicher, in anderen weniger dringlich. Wichtig ist aber bei allen Reformen und Veränderungen, dass keine Fehlanreize gesetzt werden. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn wir die Zinsen künstlich verbilligen würden. Die politische Kraft, die eigenen Probleme offensiv und mutig anzugehen und zu lösen, ließe nach und der Reformprozess käme ins Stocken.

Rigling: Was versprechen Sie sich vom Fiskalpakt?

Schäuble: Wir brauchen in Europa bessere Entscheidungsstrukturen und neue Instrumente, damit sich eine solche Krise nicht wiederholen kann. Der Fiskalpakt verbessert die Zusammenarbeit im Bereich der Fiskalpolitik und soll für mehr Haushaltsdisziplin in Europa sorgen. Und jenen Ländern, die dabei Hilfe brauchen, die es nicht alleine schaffen, geben wir mit dem Rettungsschirm die notwendige Zeit. Wir haben das Instrumentarium, um den Euro zu stabilisieren. Das alles braucht nur etwas Zeit.

Rigling: Die Finanzmärkte wollen nicht so lange warten, oder?

Schäuble: Sie werden müssen. Aber sie wollen auch sehen, dass wir uns alle in die richtige Richtung bewegen.

Rigling: Gibt es den Euro noch in zehn Jahren?

Schäuble: Ja, ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden es schaffen.

Rigling: Mit Griechenland?

Schäuble: Solche Spekulationen verunsichern nur. Und daher mache ich da nicht mit. Wir haben mit Griechenland ein Programm vereinbart, das sie absolvieren müssen, um erfolgreich im Euro bleiben zu können. Das ist für die Menschen in Griechenland mit sehr schmerzlichen Einschnitten verbunden. Aber es gibt keinen bequemeren Weg. Griechenland muss wettbewerbsfähiger werden. Wenn Athen das Programm erfüllt, was wir verabredet haben, dann ist es gut. Sie wollen das. Und die Troika aus EU-Kommision, IWF und EZB wird überprüfen, wie weit sie damit vorangekommen sind.

Rigling: Wie lässt sich die Krise in eine tiefere politische Integration ummünzen?

Schäuble: Der Fiskalpakt ist ein erster Schritt in diese Richtung. Eine gemeinsame Währung funktioniert nur dann, wenn auch Teile der Finanz- und Wirtschaftspolitik gemeinsam gemacht werden. Deshalb müssen die europäischen Institutionen stärker demokratisch legitimiert werden. Beispielsweise könnte der Kommissionspräsident direkt vom europäischen Volk gewählt werden.

Rigling: Will die Bevölkerung ein starkes Europa überhaupt? Schon einmal scheiterte eine Verfassung.

Schäuble: Grundsätzlich unterstützen die Menschen das europäische Projekt. Aber natürlich wollen die Bürger auch immer neu überzeugt werden. Alleine die Begründung mit Krieg und Frieden reicht nicht mehr. Und dann machen sie zum Beispiel Erfahrungen wie gerade jetzt mit den Glühlampen…

Rigling:… oder mit den Gurken…

Schäuble: … genau, und die Entscheidungsstrukturen in Brüssel sind auch nicht eben eingängig. Das verschreckt dann manches Mal. Daher ist für mich ganz wichtig, dass Brüssel sich vor allem auf die Dinge konzentriert, die man unzweideutig am besten in Europa gemeinsam entscheidet und macht, weil sie national nicht mehr effektiv entschieden und gestaltet werden können.

Rigling: Wie sollen Vorschläge für eine vertiefte politische Integration den Bürgern schmackhaft gemacht werden, wenn dann Leute wie der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt Feuer ins Öl gießen?

Schäuble: Demokratie lebt von der Meinungsfreiheit. Die Geschwätzigkeit der modernen Internetgesellschaft ist aber wahrlich nicht immer ein Fortschritt. Und die Medien leben auch davon, dass ständig jemand etwas sagt. Das ist ein Teil der politischen Realität. Nur führt das dann wieder zur Verunsicherung der Menschen. Die Politik hat ein hohes Maß an Führungsverantwortung nicht nur in der Sache, sondern auch in der Vertrauensbildung. Natürlich müssen in einer Volkspartei und besonders in einer Koalition unterschiedliche Strömungen und auch Gegenmeinungen zu Wort kommen. Aber damit muss man klug umgehen. Und da ist noch Luft nach oben.

Bei allem Optimismus gibt es eine wirklich gravierende Unbekannte: Das Bundesverfassungsgericht kann am 12. September den ganzen Euroraum zu Fall bringen – mit einem Nein zum Euro-Rettungsschirm und dem Fiskalpakt.

Rigling: Sind Sie da auch so optimistisch, dass die Richter das Gesetz einfach durchwinken?

Schäuble: Ich kann mich der Beschreibung, dass das Bundesverfassungsgericht etwas durchwinken muss, nicht anschließen. Die Richter müssen entscheiden, ob Rettungsschirm und Fiskalpakt gegen das Grundgesetz verstoßen. Und da bin ich ganz sicher, dass beide das nicht tun.

Rigling: Hat das Gremium in Karlsruhe zu viel Macht?

Schäuble: Nein. Das Bundesverfassungsgericht ist eine großartige Institution. Es stärkt unser Gemeinwesen. Es genießt großen Respekt und Anerkennung in der Bevölkerung. Übrigens genauso wie die Bundesbank und das Amt des Bundespräsidenten.

Rigling: Karlsruhe wird in Urteilen manchmal ziemlich konkret, wie ein Gesetz auszusehen hat.

Schäuble: Es mag manchmal eine Versuchung sein, zu sagen, so wäre es besser. Aber das machen sie nicht.

Rigling: Wirklich?

Schäuble: Nein.

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