Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit Berlin-Direkt
BM Schäuble räumt im ZDF-Berlin-direkt-Interview ein, dass „in der Tat noch stärkere Regulierungen“ benötigt würden, um „die Ansteckungsgefahr im Finanzsektor zu verringern“. Es müsse klar werden: „Die Politik setzt die Regeln, und nicht die Politik wird getrieben von den Finanzmärkten [Glossar], die keiner mehr beherrschen kann“
Berlin Direkt: Wir haben von Bundeskanzlerin Merkel gehört, dass nach der Bankenkrise 2008 mehr Regulierung der Finanzmärkte und der Branche dazu führen möge, dass sich sowas nicht wiederholt. Nun deutet sich eine Wiederholung sehr wohl an. Was haben Sie da bei der Regulierung versäumt?
BM Schäuble: Wir haben ja große Schritte getan. Aber wir haben zum Beispiel bei BASEL III die Anforderungen an höheres Kapital für einen längeren Zeitraum erst vorgesehen. Jetzt zeigt sich, dass das Ansteckungsgefahr auch dadurch bekämpft werden muss, dass wir die Banken mit genügend Kapital ausstatten… Das ist im Wesentlichen ein Vorziehen dessen, was vereinbart worden ist…
Berlin Direkt: Banken sind auch mitunter immer noch zu groß, es gibt noch keine Finanzmarkt-Transaktionssteuer. Müssen Sie nicht doch sagen, das hat bei weitem nicht gereicht, so dass man jetzt wieder in eine solche Situation gekommen ist?
BM Schäuble: Die Ursache der Situation hat ja diesmal andere Gründe. Wir haben eine zu hohe Staatsverschuldung… Aber um die Ansteckungsgefahr im Finanzsektor zu verringern, brauchen wir in der Tat noch stärkere Regulierungen. Und wir brauchen vor allen Dingen eben eine bessere Kapitalausstattung der Banken… Das ist der beste Weg, um sicherzustellen, dass wir nicht durch einen Kollaps im Finanzsystem eine Eskalation der Krise bekommen.
Berlin Direkt: Wurde das Risiko unterschätzt, hätten Sie in Richtung Regulierung mehr Druck machen müssen?
BM Schäuble: Was wir in Europa machen, ist immer nur Hilfe zur Selbsthilfe. Die fundamentalen Probleme lösen muss jedes Land selbst.
Berlin Direkt: Wenn Sie jetzt Staatshilfen an Banken geben, müssen Sie das nicht dieses Mal anders machen, als beim letzten Mal, nämlich nötigenfalls – wie die Opposition fordert – mit einer Teilverstaatlichung und mit mehr Mitsprache?
BM Schäuble: (Mehr Mitsprache) haben wir beim letzten Mal schon (gefordert). Deswegen wehren sie sich ja dagegen… Sie werden noch Zeit haben, selber durch die Verwendung der eigenen Gewinne oder am Markt Kapital sich zu besorgen. Und andernfalls müssten notfalls die Staaten sicherstellen, dass sie das Kapital haben. Das werden sie – jedenfalls wir – nur gegen entsprechende Auflagen machen.
Berlin Direkt: Die Banken sagen selbst, dass sie sich im Moment am Markt nicht refinanzieren können. Es wird am Ende also auf staatliche Hilfen hinauslaufen. Dagegen gibt es immer stärkere Proteste. Demonstranten sagen: Wie kann es sein, dass Banken Gewinne einstecken, für Verluste der Steuerzahler haftet?
BM Schäuble: Wir werden nicht die Verluste verallgemeinern… Es geht ja nur um die systemrelevanten Banken. Die müssen ein hinreichendes (Maß) an Kapital haben, damit wir die Gefahr des Ansteckungseffektes bekämpfen. Und wenn sie das selber tatsächlich nicht bekommen könnten – das warte ich erst einmal ab – und sie brauchen Staatskapital, dann müssen sie dafür auch entsprechende Auflagen (hin-) nehmen, beziehungsweise …, sie müssen einen Kapitalanateil dem Staat übergeben. Die kann man hinterher wieder verkaufen. Damit haben andere Länder – zum Beispiel die Schweiz – in den letzten Jahren ganz gute Geschäfte gemacht.
Berlin Direkt: Nochmal: Wenn am Ende Banken in die Schieflage kommen, die noch vor kurzem gut an Staatsanleihen verdient haben, und der Steuerzahler einspringt, wie soll da Marktwirtschaft funktionieren?
BM Schäuble: Deswegen wollen wir ja möglichst erreichen, dass sich für die Zukunft diese Krisen nicht immer wiederholen… Es muss klar werden: Die Politik setzt die Regeln, und nicht die Politik wird getrieben von den Finanzmärkten, die keiner mehr beherrschen kann.
Das Interview führte Thomas Walde.
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