„Steuerfahnder haben ihre Pflicht getan“



Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit SWR2 zum Thema Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder

Geissler: Die drei Steuerfahnder, die von der Schweiz jetzt mit Haftbefehl gesucht werden, haben die einen guten Job gemacht oder haben Sie da Zweifel?

Schäuble: Nein, die haben ihre Arbeit sehr sehr gut gemacht, wir haben ja auch als Verantwortliche in Bund und Land diese Entscheidung für richtig gehalten und verteidigt. Nach deutschem Recht ist ja alles, was sie gemacht haben, rechtlich in Ordnung, und sie tun nur ihre Pflicht.

Geissler: Die Opposition hat sich darüber gewundert, dass Sie die Haftbefehle nicht kritisiert, sondern in der ersten Reaktion geradezu neutral das im Grunde als logische Folge der Schweizer Gesetzeslage gewertet haben. Warum haben Sie nicht zu allererst die Beamten in Schutz genommen?

Schäuble: Das ist die andere Seite. Nach Schweizer Recht ist das Bankgeheimnis mit Strafdrohung bewehrt. Die Verletzung des Bankgeheimnisses ist, soweit ich das Schweizer Recht kenne, eine nach Schweizer Recht bedrohte Straftat, und daraus ergibt sich ja der Konflikt. Und deswegen haben wir ja gesagt, die Schweiz ist genauso ein Rechtsstaat wie wir und es macht keinen Sinn, wenn wir jetzt gegenseitig übereinander herfallen in der Politik über die Schweiz, als wäre das kein Rechtsstaat oder irgendeine Bananenrepublik, sondern das Problem ist, wir müssen den Konflikt zwischen den Rechtsordnungen beider Länder lösen.

Deswegen haben wir ein Abkommen verhandelt, in dem wir die Taten oder in dem wir die Maßnahmen der deutschen Steuerfahndung außer Strafverfolgung setzen nach Schweizer Recht, und dieses Abkommen muss nur ratifiziert werden. Das aber lehnt bisher die SPD im Bundesrat ab.

Geissler: Dazu komm ich gleich, aber nun ist ja die deutsche Rechtsauffassung in Sachen Steuerhinterziehung offenbar so wichtig und gewichtig gewesen, dass Sie mit der Schweiz ein Abkommen aushandeln wollten. Ist es dann in einer Situation wie dieser, wo Haftbefehle ins Spiel kommen, angebracht, dass der deutsche Finanzminister zuallererst für die Schweizer Rechtslage Verständnis zeigt.

Schäuble: Ich habe für die Rechtslage in beiden Ländern Verständnis. So gehen wir als Rechtsstaaten, als zivilisierte Staaten in Europa miteinander um. Wenn wir nicht mehr gegenseitig Respekt haben, die Franzosen vor den Deutschen, und die Deutschen vor der Schweiz, und alle in Europa, dann fallen wir in ganz schlimme Zeiten zurück. Die Schweiz ist genauso ein Rechtsstaat wie wir, nur sie hat eine andere Rechtsordnung, und deswegen ist es Aufgabe der für die Gesetze Verantwortlichen, das sind Regierungen und Parlamente, Konflikte, die sich daraus ergeben, so aufzulösen, dass daraus die betroffenen Beamten darunter nicht leiden müssen.

Geissler: Der Schweizer Bundesanwalt wirft den Steuerbeamten vor, dass sie nicht einfach nur angebotene Steuer [Glossar]-CD’s gekauft haben, sondern zum Datendiebstahl, zur Wirtschaftsspionage angestiftet hätten. Spielt dieser Umstand, dieser Vorwurf eine Rolle, wenn Sie zögern, sich ganz vorbehaltlos vor die Beamten zu stellen?

Schäuble: Die Beamten haben nach unserer Kenntnis ausschließlich ihre Pflicht getan und sie haben es in einer sehr guten Weise getan. Aber das Problem sind die unterschiedlichen Rechtsordnungen zwischen beiden Ländern, und das Problem ist nicht dadurch zu lösen, dass wir Deutsche den Eindruck erwecken, wir würden uns über andere Länder erheben. Wir seien arrogant, da fallen wir zurück in schlechtere Zeiten. Das ist uns nicht gut bekommen.

Sondern es ist besser, wir haben Respekt auch für die Rechtsordnung, für die Gesetze anderer Länder und sagen, Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Rechtsordnungen ergeben, die lösen wir in einer vernünftigen respektvollen Weise durch Verhandlungen, schaffen Abkommen – das haben wir mit der Schweiz gemacht – und das Problem ist nur, dass wir bisher auf eine Ablehnungsfront, auf eine politisch motivierte Ablehnung von den SPD-regierten Ländern im Bundesrat stoßen.

Und die tragen das auf dem Rücken der Beamten aus. Das tut mir leid für die Beamten, und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wird mit dieser Haltung ihrer Fürsorgepflicht für diese Beamten, das sind Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen, nach meiner Auffassung nicht gerecht.

Geissler: Sie sagen, auf dem Rücken der Beamten tragen die das aus. Die SPD in Gestalt von Herrn Oppermann sagt, eigentlich müssten die drei das Bundesverdienstkreuz bekommen. Unterstützen Sie das?

Schäuble: Also das hat ja nun damit überhaupt nichts zu tun. Wissen Sie, wir fangen auch nicht an, die Maßnahmen von Strafverfolgungsbehörden, von deutschen nicht und von Schweizer Strafverfolgungsbehörden nun nach der Art von Stammtischgerede zu kommentieren. Das bringt uns auch nicht weiter. Weiter bringt uns, dass wir unsere Verpflichtungen tun.

Geissler: Nur, anders als Herr Oppermann haben eben diese deutschen Steuerbeamten mit besonderer Raffinesse dafür sorgen können, dass viele Millionen in den Fiskus kommen. Ist das kein Bundesverdienstkreuz wert, um diesen Aspekt nochmal aufzugreifen?

Schäuble: Sie tun ihre Pflicht nach den deutschen Gesetzen als Beamte der Steuerverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen. Da ich selber einmal Beamter der Steuerverwaltung des Landes Baden-Württemberg gewesen bin, weiß ich, dass die Steuerverwaltungen in Deutschland eine hohe Qualität haben und ihre Mitarbeiter allen Respekt verdienen. Und deswegen ist es Aufgabe der für die Beziehungen zu anderen Ländern verantwortlichen Regierungen und Parlamenten, dafür zu sorgen, dass sie nicht unter den Konflikten zwischen nationalen Rechtsordnungen leiden müssen

Lassen Sie mich das nochmal sagen. Wir leben in der Nachbarschaft zur Schweiz und es macht überhaupt keinen Sinn, wenn die Deutschen auftreten, als würden sie von den anderen, grade von kleineren Ländern……

Geissler: Die Opposition will dieses Abkommen allerdings ablehnen, wenn die Steuerhinterzieher weiterhin anonym bleiben können und die Steuersätze nicht heraufgesetzt werden. Da vielleicht noch ein Satz von Ihnen: welche Signale haben Sie, dass die Schweiz da noch mitgehen wird?

Schäuble: Wir haben mit der Schweiz ein gutes Abkommen geschlossen und wir werden jetzt den Gesetzentwurf zur Ratifizierung dieses Abkommens in der Bundesregierung beschließen und in die parlamentarischen Verhandlungen eintreten darüber, und dann werden wir sehen. Wissen Sie, für die Vergangenheit muss man von der Schweizer Rechtsordnung ausgehen. Auch wir ändern unsere Strafgesetze nicht rückwirkend.

Und für die Zukunft haben wir eine Lösung, dass die Einlagen von deutschen Steuerpflichtigen auf Schweizer Banken genau gleich behandelt werden wie auf deutschen Banken. Ob dann jemand ein Konto in Lörrach oder in Basel hat, ist für die steuerliche Behandlung völlig gleich. Und für die Vergangenheit haben wir eine Lösung gefunden, die viel besser ist als das, was etwa die rot-grüne Regierung unter meinem Vorgänger Hans Eichel mit einer Amnestiegesetzgebung ja beschlossen hatte.