Interview mit Dr. Wolfgang Schäuble im Tagesspiegel
Tagesspiegel: Herr Schäuble, warum halten Ihre Kritiker Ihnen entgegen, das BKA-Gesetz höhle den Rechtsstaat aus?
Dr. Wolfgang Schäuble: Weil sie es wohl nicht richtig verstanden haben – oder weil sie es vielleicht nicht richtig verstehen wollen. Im Zuge der Föderalismusreform wurde beschlossen, auch dem Bundeskriminalamt eine polizeiliche Gefahrenabwehrbefugnis zu geben, die bisher nur Sache der Länderpolizeien ist. Wenn man dem BKA diese Befugnis geben will – und angesichts der Gefahren des internationalen Terrorismus ist das sinnvoll –, dann muss es die rechtlichen Instrumente dafür auch erhalten.
Tagesspiegel: Das heißt, ohne das Gesetz ist das BKA im Ernstfall handlungsunfähig?
Dr. Wolfgang Schäuble: Das BKA ist ohne das Gesetz nicht für die Gefahrenabwehr zuständig. Wenn die Länder das BKA-Gesetz jetzt verhindern, dann bleiben sie eben für die Abwehr der Gefahren aus dem internationalen Terrorismus verantwortlich.
Tagesspiegel: Und damit sind sie überfordert?
Dr. Wolfgang Schäuble: Das hoffe ich nicht. Bisher hat es gut geklappt. Aber es gab 2006 mit breiter Mehrheit die Entscheidung von Bund und Ländern, dem Bundeskriminalamt eine solche Zuständigkeit zu übertragen.
Tagesspiegel: Im Zentrum der insgesamt massiven Kritik steht die Online-Durchsuchung. Insbesondere die Eilfallregelung, die eine Online-Durchsuchung auch ohne Richtergenehmigung ermöglicht, stößt auf rechtsstaatliche Bedenken. Gibt es hier nicht irgendeine denkbare praktische Lösung, die auch im Eilfall einen Richter einbindet?
Dr. Wolfgang Schäuble: Die Gegenfrage: Gibt es irgendein gesetzliches Ermittlungsinstrument, präventiv oder repressiv, das keine Eilfallregelung enthält? Es ist doch nichts anderes als die Schaffung einer Rechtsgrundlage, um unter ganz engen Voraussetzungen in Kommunikation eindringen zu können, wie wir es beim Post- und Telefongeheimnis seit Jahrzehnten haben. Auch dort gibt es aus gutem Grund Eilfallregelungen.
Tagesspiegel: Gibt es Elemente im BKA-Gesetz, die unverhandelbar sind?
Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Ströbele ist für den Einsatz von Videokameras gegen Fahrraddiebstähle. Ich kann dem Bundeskriminalamt nicht die Verantwortung für die Abwehr der Gefahren aus dem internationalen Terrorismus übertragen, ohne ihm die Kompetenz zu geben, die Herr Ströbele schon gegen Fahrraddiebstähle nutzen möchte.
Tagesspiegel: Sehen Sie für sich eine rote Linie?
Dr. Wolfgang Schäuble: Wenn das Bundeskriminalamt nicht die Befugnisse bekommt, um einer neuen Aufgabe gerecht werden zu können, dann werde ich mit Sicherheit dagegen sein, dem BKA diese Verantwortung zu übertragen.
Tagesspiegel: Jetzt kündigen einige Länder an, das Gesetz im Bundesrat abzulehnen. Ist das dann das Aus für das BKA-Gesetz?
Dr. Wolfgang Schäuble: Nein. Es wird wohl zu einem Verfahren im Vermittlungsausschuss kommen. Das ist auch kein Beinbruch. Wir haben jetzt mehr als zwei Jahre das Gesetz intensiv beraten. Gelegentlich habe ich mich auch geärgert. Aber es ist ja Gott sei Dank nichts passiert, also haben wir auch keinen Schaden davongetragen. Es ist einfach nur etwas mühsam: Man vereinbart mit der SPD ein Gesetz und jetzt fängt wieder diese Diffamierungstour an. Als wolle der Staat alles überwachen, als werde das BKA eine Superbehörde. Das ist Unsinn. Die Sozialdemokraten sind im Moment in einem Zustand tiefer innerer Zerrissenheit. Nahezu täglich kommt es inzwischen vor, dass Absprachen am nächsten Tag nicht mehr gelten. Wenn sich die Parteiführung für etwas einsetzt, kann man geradezu sicher sein, dass die Basis der SPD das Gegenteil macht.
Tagesspiegel: Wollen Sie mit den Sozialdemokraten angesichts dessen noch Gesetze machen?
Dr. Wolfgang Schäuble: Wir haben vom Wähler eine Verpflichtung übertragen bekommen. Und die Welt steckt in riesigen Problemen. Wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden. Wobei die Erfahrung zeigt, dass im letzten Jahr einer Legislaturperiode man in der Regel nicht mehr allzu viele neue Gesetze macht.
Tagesspiegel: Bei der Innenministerkonferenz diese Woche wird das BKA-Gesetz Thema sein, jenseits der Tagesordnung. Was werden Sie Ihren Länderkollegen sagen?
Dr. Wolfgang Schäuble: Wir werden am Rande sicher darüber sprechen. Insbesondere diejenigen, die in den vergangenen Tagen mehr oder weniger sachlich unbegründete Dinge in die Welt gesetzt haben, möchte ich fragen, was sie eigentlich meinen. Vielleicht können die es mir ja erklären.
Das Gespräch führte Barbara Junge.