Schuldenbremse wird eingehalten



Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Passauer Neuen Presse

Passauer Neue Presse: Kritiker sprechen bei dem Regierungsprogramm von CDU, CSUund SPD von einem „Schönwetter-Koalitionsvertrag“. Wie wollen Sie die milliardenschweren Pläne finanzieren, wenn die Konjunktur einbricht und die Arbeitslosigkeit wieder steigt?

Wolfgang Schäuble: Wir werden ab 2015 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Und wir werden bis 2017 ohne höhere Steuern auskommen. Wir haben einen Koalitionsvertrag für die nächsten vier Jahre gemacht, nicht für die Ewigkeit. Bei der nächsten Bundestagswahl werden Union und SPD wieder gegeneinander antreten. Die Große Koalition bleibt die Ausnahme. Jetzt ist sie notwendig, weil die Grünen sich nicht entscheiden konnten, Verantwortung zu übernehmen. Schwarz-Grün wäre auch möglich gewesen.

Passauer Neue Presse: Sie wollen offenbar doch die Ausgabenbremse lockern und in der zweiten Hälfte der Wahlperiode knapp zehn Milliarden Euro mehr ausgeben als geplant. Also doch höhere Schulden zur Finanzierung der Wahlversprechen?

Schäuble: Nein. Es bleibt bei unserer Planung: Ab 2015 werden wir Haushalte ohne neue Schulden vorlegen. Mit den Ausgaben bleiben wir im Rahmen der bisherigen Planungen. Die Vorgaben der Schuldenbremse erfüllen wir mit großem Sicherheitsabstand.

Passauer Neue Presse: Aber Schwarz-Rot wird die Rentenbeiträge erhöhen müssen.

Schäuble: Nein. Wir werden die Rentenversicherungsbeiträge bis 2017 nicht erhöhen, aber wir werden sie auch nicht absenken. Die Verbesserungen bei der Mütterrente haben wir vor der Wahl versprochen. Da halten wir Wort. Die Finanzierung über die Rentenversicherung ist für diese Legislaturperiode gesichert und völlig korrekt. Aber Spielraum für eine Beitragssenkung gibt es jetzt nicht mehr. Alle geplanten Maßnahmen sind solide finanziert und können ohne Erhöhung der Schulden realisiert werden.

Passauer Neue Presse: Das bezweifeln selbst die Sachverständigen zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Schäuble: Wir richten uns nach den amtlichen Steuerschätzungen, denen die voraussichtlichen Entwicklungen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt zugrunde liegen. Über die entscheidet nicht der Bundesfinanzminister. Natürlich gehen diese Prognosen von einer normalen Entwicklung aus; Katastrophen lassen sich nun einmal kaum vorhersagen. Aber jetzt können wir auf sicherer Grundlage sagen: Es wird keine Steuererhöhungen, keine höhere Neuverschuldung und keine höheren Rentenversicherungsbeiträge geben. Das ist alles seriös durchgerechnet. Wir sind da auf der sicheren Seite

Passauer Neue Presse: Der Koalitionsvertrag scheint eher für die Alten als für die Jungen geschrieben zu sein. Eine Große Koalition auf Kosten der jüngeren Generationen?

Schäuble: Bei allem Respekt: Wir haben uns auf eine Finanzpolitik verständigt, die ohne neue Schulden auskommt. Wenn das nicht nachhaltige Politik im Sinne der Generationengerechtigkeit ist, was dann? Für die junge Generation ist es entscheidend, dass wir die Schuldenlast begrenzen. Außerdem: Mehr als die Hälfte der vereinbarten Investitionen in Höhe von 23 Milliarden Euro wird in den Bereich Bildung und Forschung gehen. Auch das ist gerade im Interesse der Jüngeren.

Passauer Neue Presse: Wer sein Geld spart, leidet unter den Niedrigzinsen. Viele Menschen fürchten um ihre Altersvorsorge. Wird da die Euro-Krise auf dem Rücken des kleinen Mannes gelöst?

Schäuble: Die niedrigen Zinsen sind nicht in erster Linie Folge des Euro-Krisenmanagements. Sie sind vor allem auf das Übermaß an Liquidität an den globalen Finanzmärkten zurückzuführen. Wir haben zu viel Liquidität. Das sollte behutsam reduziert werden. Auf Dauer ist das Zinsniveau in Deutschland zu niedrig. Das Zinsniveau sollte leicht über der Preissteigerungsrate liegen. Die niedrigen Zinsen haben aber auch Vorteile für junge Menschen, die sich ein Haus bauen wollen und von günstigen Baukrediten profitieren.

Passauer Neue Presse: Der Fall Uli Hoeneß, Präsident von Bayern München, hat eine Debatte über das Thema Steuerhinterziehung angestoßen. Wie wollen Sie wirksamer gegen Steuerhinterzieher vorgehen?

Schäuble: Mal abgelöst vom konkreten Fall, denn zu laufenden Verfahren kann ich nichts sagen: Wo immer Menschen sind, wird es den Versuch geben, sich auch ungesetzlich einen Vorteil zu verschaffen. Bei Prominenten wird das besonders stark wahrgenommen. Prominente müssen wissen, dass sie eine Vorbildfunktion haben. Wir müssen unsere Steuersysteme europäisch und international sehr viel mehr miteinander abstimmen, damit nicht international tätige Unternehmen ihre Steuerpflicht dorthin verschieben können, wo sie am wenigsten Steuern zahlen müssen. Wir brauchen einen verbesserten automatischen Informationsaustausch. An beiden Themen arbeiten wir intensiv. Ein Wort noch zur Schweiz: Es war ein schwerer Fehler, dass der Bundesrat mit parteipolitisch motiviertem Missbrauch seiner Mehrheit einem Steuerabkommen mit der Schweiz nicht zugestimmt hat, das unserem Land erhebliche Vorteile gebracht hätte. Wir hätten rund 10 Milliarden Euro Mehreinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden gehabt. Die sind jetzt unabänderlich verloren. Jetzt verjähren immer mehr Fälle. Dieses Abkommen mit der Schweiz ist gescheitert, und es ist auch nicht mehr zu reparieren. Jetzt müssen wir für die Zukunft eine europäische Regelung schaffen.

Passauer Neue Presse: Die EU-Kommission verhängt die Rekordstrafe von 1,7 Milliarden Euro gegen Banken, die in den Skandal um manipulierte Referenzzinssätze verwickelt sind. Allein die Deutsche Bank muss rund 725 Millionen Euro zahlen. Was muss die nächste Bundesregierung zur Regulieren der Finanzbranche tun?

Schäuble: Es ist gut, dass die für diese Sache zuständige EU-Kommission da hart durchgegriffen hat. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Finanzsektor kann nur so wiederhergestellt werden. Was die Regulierung angeht, haben wir schon vieles erreicht. Zum Beispiel durch die strengeren Eigenkapitalvorschriften für die Banken. Eins muss man aber sehen: Diese Manipulationen sind in vielen Ländern geschehen. Nationale Regelungen bringen da nur wenig. Deshalb werden aktuell für ganz Europa schärfere Regeln für die Berechnung dieser Zinssätze diskutiert, um Manipulationen einen Riegel vorzuschieben. Wir unterstützen das sehr.

Passauer Neue Presse: Razzia bei der Commerzbank, an der auch der Bund beteiligt ist, wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Was steckt dahinter?

Schäuble: Die Strafverfolgungsbehörden machen ihre Arbeit nach der Strafprozessordnung. Politische Instanzen sind da nicht informiert. Das ist auch richtig so. Ich weiß nur, was darüber in der Zeitung steht.