Schengen nach der Erweiterung – eine erste Bilanz



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble beim Europäischen Abend der Europa-Union Deutschland in Berlin

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Für fast 500 Millionen Bürger Europas ist Reisen heute so einfach und unkompliziert wie nie zuvor. An den Binnengrenzen der meisten Schengenstaaten gibt es keine Grenzkontrollen mehr. Mit Ausnahme von Großbritannien und Irland müssen wir nirgendwo bei der Einreise in einen anderen Staat des Schengenraums unseren Ausweis oder Personalausweis vorzeigen. Das bedeutet ein Mehr an Freiheit in Europa.

In Deutschland haben die jüngsten Erweiterungsrunden der Europäischen Union mit zehn neuen Mitgliedstaaten sowie mit der Schengen-assoziierten Schweiz dazu geführt, dass an allen deutschen Land- und Seegrenzen mit einer Gesamtlänge von insgesamt 4.517 Kilometern (Landgrenzen: 3.757 km; See: 760 km) die Grenzkontrollen entfallen. Entsprechendes gilt für den Binnenflugverkehr.

Neben den Bürgern profitieren auch deutsche Unternehmen von dem freien Personenverkehr. Wir unterhalten durch unsere geografische Lage enge wirtschaftliche Beziehungen zu allen Mitgliedsländern der Europäischen Union. Kosten, die den Unternehmen früher im Import-Export-Geschäft durch Grenzkontrollen anfielen, werden heute eingespart. Die langen Staus in Frankfurt über die Oderbrücke an der Grenze zu Polen sind schon fast vergessen. An das Gute gewöhnt man sich schnell.

Die aktuellen Erweiterungsrunden haben für unser Land auch eine politische Bedeutung. Der Ost-West-Konflikt und die europäische Teilung sind damit endgültig Geschichte. Wer hätte diese Erfolge für möglich gehalten, als vor erst 12 Jahren das Kernstück von Schengen, das sogenannte Schengener Durchführungsübereinkommen für unser Land in Kraft gesetzt wurde?

Neuerungen sind in der Anfangszeit oft mit einer gewissen Verunsicherung verbunden. Ich komme ja selbst aus einer Grenzregion, aus einem Wahlkreis an der deutsch-französischen Grenze, dicht bei Straßburg. Ich erinnere mich genau: Als 1995 die Grenzkontrollen zu Frankreich wegfielen, gab es ganz ähnliche Befürchtungen. Die Bevölkerung hat sich gefragt: Schwappt jetzt nicht aus der Großstadt Straßburg die Kriminalität zu uns hinüber, wenn wir auf der Rheinbrücke bei Kehl nicht mehr kontrollieren? Heute wissen wir, dass die Kriminalitätsbelastung in der Region nicht gestiegen ist, sondern dass sie geringer wurde. Freiheit und Sicherheit sind eben keine Gegensätze.

Zu Beginn des Jahres 2008 mussten wir im Zuge der Schengenerweiterung zunächst einen Anstieg unerlaubter Einreisen verzeichnen. Das war unter anderem darauf zurückzuführen dass Reisende mit einem Visum, gültig nur für Polen und Tschechien, in den Schengenraum einreisen wollten. Insgesamt sind seit dem 21. Dezember 2007 – dem Zeitpunkt der Grenzöffnung – an den Grenzen zu Polen und Tschechien circa 2.610 unerlaubte Einreisen festgestellt worden. In rund 1.860 Fällen sind unerlaubt eingereiste Personen in das jeweilige Herkunftsland zurückgekehrt oder zurückgeschoben worden. Rund 750 Personen erhielten nachträglich eine Berechtigung zur Einreise oder wurden den inländischen Behörden übergeben. Zu Beginn des Jahres hatten wir also einen Anstieg. In der Folgezeit stellt die Bundespolizei bereits eine rückläufige Entwicklung fest.

Das sind die ersten Erkenntnisse. Sie reichen aber noch nicht aus, um ein belastbares Lagebild für Deutschland zu bekommen. Auf Initiative meines Hauses werden Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Länderpolizeien und der Zoll voraussichtlich im Frühjahr 2009 die Innenministerkonferenz der Länder über die Kriminalitätsentwicklung seit dem Wegfall der Grenzkontrollen unterrichten.

Diese positiven Entwicklungen und der Gewinn an Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind ganz wesentlich auf den unermüdlichen tagtäglichen Einsatz der Bundespolizisten und ihrer Kollegen aus den Ländern zurückzuführen.

Schon bei der Geburt der Schengen-Idee stand für die beteiligen Länder fest, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen zu mehr Freiheit für den einzelnen Bürger führt, aber auch der internationalen Kriminalität mehr Möglichkeiten eröffnet, grenzüberschreitend zu agieren.

Deshalb einigten sich die Benelux-Staaten, Frankreich und Deutschland beim Abschluss des Schengener Übereinkommens im Jahr 1985 und noch mal fünf Jahre später, bei der Unterzeichnung des Schengener Durchführungsübereinkommens, mit der Gewährung der Personenfreizügigkeit gleichzeitig auf ein ganzes Bündel von Ausgleichsmaßnahmen. Sie zielen vorrangig auf die Sicherung der Schengen-Außengrenzen, die polizeiliche Zusammenarbeit und die Visaerteilungspraxis ab.

Das Durchführungsübereinkommen verpflichtet alle Mitgliedsländer die Außengrenzkontrollen zu harmonisieren und auf die hohen gemeinsamen Schengen-Standards zu bringen. Diese gemeinsamen Standards sind nunmehr im sogenannten Schengener Grenzkodex niedergelegt.

Als weitere Ausgleichsmaßnahme zum Wegfall der Grenzkontrollen wurde das Schengener Personen- und Sachfahndungssystem eingeführt. Keine andere Maßnahme macht den Fortschritt in der Zusammenarbeit der Schengenstaaten auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit augenauffälliger. Das gemeinsame Fahndungssystem ist in seiner Art auf der Welt immer noch einmalig.

Bei der Einführung des Schengener Informations Systems (SIS) ging man von einem kleinen Teilnehmerkreis aus. Heute haben wir 23 Schengenstaaten, was doch eine ganze Menge ist. Die jüngste Runde der Schengenerweiterung hat es daher notwendig gemacht, das System im Rahmen des Projekts SISone4ALL zu erweitern. Das ermöglicht den beteiligten Staaten der Zugriff auf 27 Millionen Personen- und Sachfahndungsdaten. Zusätzlich eröffnet es den Zugriff auf rund 733.000 Fahndungen zur Einreiseverweigerung.

Gerade auch im Verhältnis zu den zehn neuen Mitgliedern hat der lesende und schreibende Zugriff auf das Schengener Informations System eine maßgebliche Optimierung der Fahndung gebracht. So konnten bereits sechs Monate nach Inbetriebnahme des SISone4ALL am 1. September 2007 durch den Abgleich unserer Daten mit den Daten aus den neuen Schengenstaaten eine Vielzahl von polizeilichen Fahndungstreffern verzeichnet werden. So wurden beispielsweise 256 Ausschreibungen zur Festnahme, 548 Fahrzeugfahndungen und 1.175 Ausschreibungen von Drittausländern zur Einreiseverweigerung alleine aus dem deutschen Fahndungsbestand bei Suchabfragen der neuen Mitglieder an das System gefunden.

Um den wachsenden Anforderungen zur Abwehr terroristischer Bedrohungen, grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Zuwanderung entgegen treten zu können, passen wir das System derzeit erneut an und entwickeln es zum sogenannten Schengener Informations System II fort.

Die wesentlichen Ergänzungen im neuen System sind

die Eingabe von Lichtbildern und Fingerabdrücken zu Fahndungen, damit im Trefferfall der Straftäter schnell und einwandfrei identifiziert werden kann,
die Speicherung des Europäischen Haftbefehls,
die Erweiterung der Sachfahndungskategorien (z.B. Fahndung nach Baumaschinen, Bootsmotoren, Flugzeugen etc.)
die Verknüpfung zwischen Ausschreibungen, um z.B. die Verbindung zwischen einer gesuchten Person und einem gesuchten Fahrzeug herstellen zu können und
die Schaffung eines Ausfallrechenzentrums in Salzburg, um den Betrieb des Systems auch bei einer Havarie oder im Falle eines Angriffs sicherzustellen.

Nach den bisherigen Planungen soll das SIS II voraussichtlich im September 2009 in Betrieb genommen werden.

All das stellt sicher, dass Straftäter sich nicht einfach ins Ausland absetzen können. Umgekehrt können im Ausland gesuchte Straftäter nicht einfach unbehelligt in unser Land kommen, um hier ihr Unwesen treiben.

Auch bei der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit gibt es eine Reihe von Ausgleichsmaßnahmen. Dazu gehört die grenzüberschreitende Observation und Nacheile. Das heißt, dass Polizeibeamte aus einem Nachbarland auf unserem Hoheitsgebiet unter bestimmten Voraussetzungen tätig werden dürfen, und umgekehrt. Die deutschen Polizeibehörden nutzen diese Instrumentarien. Nach dem letzten Schengen-Erfahrungsbericht hatten wir im letzten Jahr 90 Observations- und 11 Nacheilefälle. Solche operativen Maßnahmen waren vor Schengen undenkbar.

Auch in Bezug auf die Angehörigen von Drittstaaten, das heißt von Staaten außerhalb des Schengenraums, wurden durch die offenen Grenzen Ausgleichsmaßnahmen notwendig, da sich natürlich auch Drittstaater im Schengenraum frei bewegen können, wenn sie erst einmal eingereist sind.

Das Schengener Durchführungsübereinkommen enthält daher eine verbindliche gemeinsame Liste von Drittstaaten, für deren Staatsangehörige alle Schengenstaaten die Visumpflicht als Einreisevoraussetzung vorsehen. Außerdem enthält das Durchführungsübereinkommen Regelungen, die garantieren, dass im Gebiet der Schengenstaaten gestellte Asylanträge auch geprüft werden und welches Mitgliedsland für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Diese Regelungen sind dann in das Dubliner Übereinkommen eingegangen.

Die verschiedenen Erweiterungsrunden haben gezeigt, dass die rechtlichen Regelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen allein nicht ausreichen. Derart weit reichende Schritte wie die Aufhebung der Grenzkontrollen bedürfen einer verantwortungsvollen, beharrlichen und sehr präzisen Vorarbeit durch alle Beteiligten.

Bei allen Evaluierungen, die dem Schengenbeitritt immer vorausgehen, hat Deutschland mit allen anderen Partnern sehr kritisch darauf geachtet, dass die neuen Schengenstaaten in sämtlichen Bereichen – zum Beispiel Außengrenzkontrolle, Visaerteilung, Anwendung des Schengener Informations Systems – auch die nötige Schengenreife haben.

Wir haben den neuen Schengenstaaten bilateral und im Rahmen der Europäischen Union immer wieder geholfen, ihre Sicherungsmaßnahmen kräftig aufzurüsten. Im Rahmen von EU-Förderprogrammen sind zum Beispiel den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten insgesamt rund 970 Millionen Euro zugeflossen. Allein auf Polen mit seinen circa 1.100 Kilometer langen Außengrenzen zu Russland, Weißrussland, Litauen und der Ukraine entfielen etwa 313 Millionen Euro. Die Mittel wurden beispielsweise für Infrastrukturmaßnahmen an den Grenzübergangsstellen, Betriebsausrüstungen und den Aufbau des Schengener Informations Systems verwendet.

Zur positiven Schengenbilanz in den Grenzräumen tragen auch lage-  und brennpunktorientierte, abgestimmte oder gemeinsame Fahndungs-, Kontroll-, Einsatz- und Ermittlungsmaßnahmen bei. So haben sich die Bundespolizei und die Länder bilateral mit den Partnern aus Polen und Tschechien  einsatztaktisch und organisatorisch den veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Die Bundespolizei konzentriert sich in den grenznahen Gebieten auf die Bekämpfung illegaler Migration. Hingegen sind die Polizeibehörden der Länder für andere Delikte zuständig, wie beispielsweise die Eigentumskriminalität. Zusätzlich hat die Bundespolizei von der stationären und systematischen Grenzkontrolle auf eine ausschließlich mobile und lageabhängige Kontrolle des grenznahen Raums umgestellt, wie sie nach gleichem Standard auch an unseren übrigen Grenzen durchgeführt wird und wie sie dem Schengener Grenzkodex entspricht.

In den Grenzgebieten kommt es auf eine enge, unkomplizierte und schnelle Zusammenarbeit der zuständigen Polizei- und sonstigen Strafverfolgungsbehörden an. Hierzu bedarf es maßgeschneiderter Lösungen. Die grenzüberschreitende Kooperation in Gemeinsamen Zentren fördert und beschleunigt den erforderlichen Informationsaustausch und bietet praxisgerechte Lösungen für die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität. Die Gemeinsamen Zentren der Polizei- und Zollzusammenarbeit in Swiecko an der deutsch-polnischen Grenze und in Schwandorf an der deutsch-tschechischen Grenze sind bereits seit Ende des letzten Jahres im Einsatz.

Ein vergleichbar hohes Niveau der Zusammenarbeit haben wir auch mit der Schweiz, so dass wir davon ausgehen können, dass am Jahresende 2008 auch hier ein reibungsloser Übergang von der bilateralen zur Schengenzusammenarbeit stattfinden wird.

Der Prozess der Erweiterung des Schengenraumes ist noch nicht abgeschlossen. Wir blicken als nächstes auf Bulgarien und Rumänien. Es ist unsere Aufgabe als Innen- und Justizminister der EU-Mitgliedstaaten, die Weichen für zukünftige Schengenerweiterungen richtig zu stellen. Wir müssen das Schengensystem fortlaufend modernisieren und an die neuen politischen und technologischen Herausforderungen anpassen. Hier hat sich seit der Integration von Schengen in den Besitzstand der Europäischen Union durch den Vertrag von Amsterdam im Jahr 1999 insbesondere auf dem zentralen Gebiet des grenzüberschreitenden polizeilichen Informationsaustauschs viel getan.

Das Beispiel des Schengener Informations Systems zeigt deutlich, dass das elektronische Sammeln und Austauschen von Informationen unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Ermittlungsarbeit in einer erweiterten Union ist. Unser Ziel muss es daher sein, einen leistungsfähigen europäischen Informationsverbund zur Verbrechensbekämpfung zu schaffen.

Ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen europäischen Informationsverbund ist der Prümer Vertrag. Wir haben diesen Vertrag vor kurzem in den Rechtsrahmen der Europäischen Union überführt. Das bedeutet, dass künftig alle EU-Mitgliedstaaten und nicht nur die Vertragspartner die Vorteile dieses Vertrages nutzen können.

Ursprünglich haben den Vertrag 2005 sieben Länder – darunter auch Deutschland – in Prüm/Eifel auf völkerrechtlicher Basis unterzeichnet. Er sieht einen automatisierten Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und Kraftfahrzeugregisterdaten vor. Dies ist gegenüber dem Informationsaustausch nach Schengen ein Quantensprung für die Ermittlungsarbeit.

Die beim Datenaustausch im Rahmen des Prümer Vertrages bislang erzielten Ergebnisse belegen das eindrucksvoll. So konnten beispielsweise beim DNA-Datenaustausch zwischen Deutschland, Österreich, Spanien, Luxemburg, Niederlande und Slowenien allein auf deutscher Seite bereits über 4.000 Treffer erzielt werden. Erste Tests mit Frankreich haben gezeigt, dass dort ebenfalls mit einem hohen Trefferaufkommen zu rechnen ist. Die Prüm-Treffer liefern den ermittelnden Beamten wichtige neue Ansätze. Damit können Verbindungen zu anderen Delikten hergestellt und bislang offene Spuren einer bestimmten Person zugeordnet werden.

Einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines Informationsverbunds leistet die Schwedische Initiative, die in weiten Teilen den Artikel 39 des Schengener Durchführungsübereinkommens ablösen wird. Die Initiative verankert im Bereich des polizeilichen Informationsaustauschs den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das bedeutet, die rechtlichen Voraussetzungen für die Datenübermittlung an Strafverfolgungsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten dürfen künftig grundsätzlich nicht strenger sein, als im innerstaatlichen Bereich. Durch kurze Fristen – im Eilfall maximal 8 Stunden – und die Verwendung standardisierter Formulare wird sich der Informationsaustausch deutlich beschleunigen. Die Schwedische Initiative ist grundsätzlich bis zum 18. Dezember 2008 umzusetzen. Es ist jedoch absehbar, dass die rechtliche Umsetzung in Deutschland bis zu diesem Termin weder auf Bundes- noch auf Länderebene abgeschlossen sein wird. Daraus ergibt sich für uns jedoch zum 18.12. kein Totalausfall. Deutschland kann und wird sich an dem Informationsaustausch nach der Schwedischen Initiative beteiligen, allerdings vorläufig noch auf der Grundlage des derzeitigen Rechts mit seinen unterschiedlichen Voraussetzungen für innerstaatliche und grenzüberschreitende Datenübermittlungen. Durch die vom Bundeskriminalamt in den vergangenen Monaten getroffenen technischen und organisatorischen Vorkehrungen wird Deutschland insbesondere seinen Beitrag zur Beschleunigung des Informationsaustauschs leisten können.

Neben dem SIS sollten die Polizeien für ihre Ermittlungen auch weitere zentrale Datenbanken der Europäischen Union nutzen können. Daher haben wir uns – erfolgreich – dafür eingesetzt, dass alle Sicherheitsbehörden Zugriff auf das Visainformationssystem erhalten, das auf europäischer Ebene die Daten, die im Rahmen von Visaanträgen an die Botschaften übermittelt werden, zusammenführt.

Ebenso wichtig ist der Zugriff der Polizeien auf Eurodac. Die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Attentäter von Madrid sowie auch gegen terroristische Organisationen in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass in die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Straftaten auch Personen verwickelt sind, die zuvor in einem Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben oder illegal in die EU eingereist sind. Die in Eurodac gespeicherten biometrischen Daten sind in einigen Fällen die einzige Informationsquelle, um einen Verdächtigen einer terroristischen oder sonstigen schwerwiegenden Straftat sicher zu identifizieren oder Verbindungen zu einem anderen EU-Mitgliedstaat aufzudecken. Deutschland ist deshalb weiter daran interessiert, den im vergangenen Jahr gefundenen politischen Konsens nun auch zügig in die Tat umzusetzen.

Beim Ausbau des europäischen Informationsverbundes muss der Informationsaustausch der Nachrichtendienste, der der polizeilichen Arbeit vorgelagert ist, noch mehr Bedeutung bekommen. Das gilt insbesondere für die ganzheitliche Bekämpfung des islamistischen Terrorismus.

Im europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts brauchen wir künftig neue Grundregeln, um im Europa der 27 bei der Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität auch ab dem Jahr 2010 weiter handlungsfähig zu bleiben.

In der so genannten „Zukunftsgruppe“, die ich zusammen mit dem damaligen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Franco Frattini, Anfang 2007 vorgeschlagen habe, haben wir uns im kleinen Kreis Gedanken über die zukünftigen Leitlinien für eine europäische Innenpolitik gemacht. Teilnehmer waren die Innenminister der Triopräsidentschaften von 2007 bis 2010, ein Vertreter der nachfolgenden Triopräsidentschaft, eine Beobachterin aus Großbritannien, der Vorsitzende des LIBE-Ausschusses des Europäischen Parlaments und ein Vertreter des Generalsekretariats des Rates, also eine ausgewogene Gruppe. Wir haben unserem Abschlussbericht im Juli 2008 vorgestellt.

Danach brauchen wir, wie bisher, eine gut funktionierende Balance zwischen der Freizügigkeit innerhalb Europas und einem zeitgemäßen Grenzschutzsystem, das illegale Zuwanderung, organisiertes Verbrechen und Terrorismus effizient und mit modernen Mitteln bekämpft. Neue Technologien und gut ausgebildete Grenzschützer müssen beim Grenzschutz eine zentrale Rolle einnehmen. Kontrollen an den Außengrenzen sollten so effizient und kundenfreundlich wie möglich durchgeführt werden. Wir brauchen einen „one-stop“-Ansatz,  der Grenz- und Zollkontrollen schrittweise zusammenführt, um Synergien und damit einen Mehrwert zu erzeugen. Außerdem schlagen wir vor, dass in den nächsten Jahren ein „E-Border-Konzept“ entwickelt wird, damit Reisende zügig die Außengrenzen passieren können und trotzdem die Sicherheit gewährleistet ist.

Der polizeiliche Informationsaustausch wird über viele weitere Jahre ein Top-Thema der Europäischen Union bleiben. Hier brauchen wir eine Balance zwischen der Mobilität der Bürger, der Wahrung der Sicherheit durch den Einsatz modernster Informationstechnologien und der Wahrung des Datenschutzes.

Mit der Erleichterung der Grenzkontrollen und der Verbesserung des Informationsaustauschs sollten effizientere Visavergabeverfahren einhergehen. Dazu sollten weitere gemeinsame Visumantragszentren in Drittstaaten eingerichtet und einheitliche europäische Schengenvisa ausgestellt werden.

Der Rat hat den Abschlussbericht der Zukunftsgruppe an die EU-Kommission weitergeleitet. Die Empfehlungen sollen in das nächste europäische Mehrjahresprogramm für den Bereich der Justiz- und Innenpolitik von 2010-2014 einfließen, für das die EU-Kommission im nächsten Frühjahr ihren Vorschlag vorlegen wird.

Wie die Erweiterungsrunden und die qualitative Weiterentwicklung von Schengen zu einem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zeigen, haben wir in diesem zusammenwachsenden Europa einen Sicherheitsgewinn erreicht. Die beschriebenen Schritte zur europäischen Einigung bieten eine gute Grundlage, um weiterhin mehr Freiheit und mehr Sicherheit in Europa zu schaffen. Und dies in einem Maße, wie wir es uns vor 12 Jahren zu Beginn der Entwicklung von Schengen nicht haben vorstellen können.