Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich des Euromed-Ministertreffens in Santa Eulália / Portugal



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich des Euromed-Ministertreffens am 19. November in Santa Eulália / Portugal

Migration ist ein Thema von wachsender Bedeutung, gerade auch für die Zusammenarbeit innerhalb der euromediterranen Partnerschaft. Die weltweite Migration stellt uns alle ? sei es als Herkunfts-, Transit- oder Zielstaaten von Migration ? vor vielfältige Herausforderungen. Diesen Herausforderungen können wir nur wirksam begegnen, wenn wir sie gemeinschaftlich annehmen und gemeinschaftlich handeln. Das setzt gegenseitiges Vertrauen und ehrliche Partnerschaft voraus. Deswegen ist es gut, dass wir heute ? wie 2005 in Barcelona vereinbart ? zusammenkommen, um über die Entwicklung der Migration und die Fragen, die sie aufwirft, zu sprechen und auf dem Weg zu gemeinsamen Lösungen ein Stück weiter zu kommen.

Mit dem vor knapp zwei Jahren beschlossenen und auf den Weg gebrachten Gesamtansatz Migration der Europäischen Union mit dem Schwerpunkt Afrika und Mittelmeerraum und dem entsprechenden Aktionsplan sind wir schon einen wichtigen Schritt vorangekommen.

Heute muss es unser Ziel sein, uns im Rahmen des Euromed-Prozesses mit den Hauptaspekte von Migration zu befassen: der Bekämpfung der illegalen Migration, der Zusammenarbeit bei der legalen Migration sowie der Verknüpfung von Migration und Entwicklung. Wenn wir uns als Euromed-Partner zu einer gemeinsamen politischen Verantwortung für alle diese Aspekte bekennen und effektiv, ehrlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten, können wir die Chancen, die in der Migration liegen, nutzen und die Risiken, die damit verbunden sind, minimieren. Nationales Handeln reicht in unserer zunehmend globalisierten, grenzenlosen Welt nicht mehr aus. Wenn wir aber unser gemeinsames Interesse erkennen und uns gemeinsam dafür engagieren, werden wir erfolgreich sein.

Das gilt in besonderem Maße bei der Bekämpfung der illegalen Migration. Wir müssen gemeinsam die illegale Migration zurückdrängen, die den Menschen nicht hilft, sondern sie ? nicht selten unter Gefahr für Leib und Leben ? in schwierige, oft auswegslose Lebenssituationen und Abhängigkeiten bringt. Wir tragen die Verantwortung dafür, den Schlepperorganisationen und Menschenhändlern, die den Menschen skrupellose Versprechungen machen und ihren Tod in Kauf nehmen, das Handwerk zu legen. Wir müssen ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen. Diese Mitverantwortung darf uns nicht ruhen lassen. Sie zwingt uns dazu, schnell, entschlossen und wirksam zu handeln.

Dazu gehört ein funktionierendes System der Rückführung und der Rückübernahme ? einschließlich der Anerkennung der völkerrechtlichen Verpflichtung, eigene Staatsangehörige zu identifizieren und zurückzunehmen, sowie die Bereitschaft, Rückübernahmeabkommen zu schließen und umzusetzen. Die laufenden Bemühungen der Europäischen Union hierzu gilt es seitens aller Euromed-Partner zu unterstützen, um die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu stärken und die illegale Migration gemeinsam zu bekämpfen. Das von Deutschland angebotene Seminar zu Fragen freiwilliger
Rückkehr und Rückübernahme soll hierzu konkret beitragen.

Erst auf der Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in der Rückführungspolitik können wir neue Ansätze in der regulären Migration weiterentwickeln. Beides sind zwei Seiten einer Medaille.

Bei der regulären Migration gilt es, die positiven Effekte zu entwickeln und auszubauen. Angebote für legale Migration sind eine wichtige Voraussetzung für die Steuerung der Migration. Die Möglichkeiten für legale Migration sind allerdings abhängig von den Arbeitsmärkten in den einzelnen Partnerstaaten. Deswegen liegt die Zuständigkeit für den Umfang der legalen Arbeitsmigration bei den einzelnen Staaten und soll dort auch bleiben.

Wir müssen enger zusammenarbeiten, um aus oft unkontrollierter Migration gesteuerte und allen Partnern Nutzen bringende Migration zu machen. Die Zusammenarbeit sollte dabei ? wie im letzten Jahr durch die Konferenz in Rabat initiiert ? entlang konkreter Migrationsrouten intensiviert werden. Idealerweise kann die vom ehemaligen UN-Generalsekretär Annan beschriebene ?triple-win-situation? für die Herkunfts- und Zielstaaten und für die Migranten selbst entstehen.

Wir müssen die Interessen der Herkunftsländer stärker in den Blick nehmen und
wahren. Statt eines ?brain drain?, der die Entwicklung dieser Länder durch den Verlust wertvoller Wissensträger und Hochqualifizierter hemmt, brauchen wir dort ein ?brain gain?, ein Rückfluss von Know How und neuen Ideen in diese Länder. Denkbar wäre eine Ausbildungspartnerschaft, bei denen Menschen aus den Euromed- Partnerstaaten für einen begrenzten Zeitraum zu Aus- und Fortbildungszwecken in die Europäische Union kommen, um anschließend ihre dort erworbenen Kenntnisse in ihren Herkunftsstaaten einzusetzen. Dies könnte eine Variante des Modells einer zirkulären oder temporären Migration und von Mobilitätspartnerschaften sein, wie sie mein damaliger französischer Amtskollege, der heutige Präsident Sarkozy, und ich bereits vor einem Jahr vorgeschlagen haben.

Wenn wir unser gemeinsames Ziel einer nutzbringenden Migration, der Entwicklung der Herkunftsländer sowie der Bekämpfung der illegalen Migration erreichen wollen, brauchen wir den politischen Dialog und die Zusammenarbeit ? multilateral, aber auch bilateral. So haben Deutschland und Marokko eine gemischte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der wir uns unter anderem auch zur Migration austauschen.

Wir müssen gemeinsame Ziele und Prioritäten festlegen. Es freut mich, dass wir heute auch konkrete, operative Maßnahmen anstoßen, um den Euromed-Prozess im Migrationsbereich mit Leben zu füllen und einen sichtbaren Mehrwert zu erreichen. Dabei müssen wir den Bedürfnissen aller Partner Rechnung tragen und versuchen, zu einem für alle akzeptablen Ausgleich zu kommen. Ich bin zuversichtlich, dass unser heutiges Treffen dazu beiträgt.