Rede von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble beim European Banking Congress



Rede in Frankfurt am Main

Vielen Dank Herr Blessing, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Motto Ihrer Tagung„beyond crisis management“ beschreibt sehr gut die aktuellen Anforderungen an die Finanzwelt insgesamt und gleichermaßen an die Finanzpolitik.

Wir dürfen nicht das Momentum verlieren, mit dem wir die Lehren aus der Finanz- und auch aus der Eurokrise gezogen haben.

Wir müssen, in dem wir diese Lehren ziehen, die Grundlagen für künftiges Wachstum legen. Wir müssen die Finanzpolitik nachhaltig ausrichten, das heißt, wir müssen die Hauptursachen dieser Krisen bekämpfen: das waren die zu hohen Defizite, das Übermaß an Liquidität mit der fast zwangläufigen Folge der Blasenbildung und der Mangel an Regulierungen.

Natürlich müssen wir auch globale Ungleichgewichte durch geeignete, international abgestimmte Maßnahmen verringern, was nicht nur die Finanzpolitik sondern eine Reihe weiterer Politikbereiche betrifft.

Es bezweifelt ja kaum noch jemand, dass es richtig war, diese Krise in ihrer akuten Phase dadurch zu bekämpfen, dass die Notbanken den Finanzinstituten Liquidität bereitgestellt und die Regierungen sie mit Kapital und Garantien unterstützt haben. Es besteht auch Einigkeit darüber, dass die Rezession dadurch verkürzt werden konnte, dass Regierungen, insbesondere Industriestaaten, die global massiv eingebrochene Nachfrage mit beispiellosen Konjunkturprogrammen zumindest teilweise kompensiert haben. Aber das alles hat seinen Preis und auf der Rechnung sitzen letztlich die Steuerzahler.

Der IWF schätzt, dass die Nettokosten der Unterstützung des Finanzsektors etwa durch die G20-Staaten 2009 1,7 % des BIP, also 905 Mrd. $ betrugen, während sich die zusätzlichen fiskalischen Impulse 2009 und 2010 auf jeweils zwei Prozent des BIP beliefen. In der Folge stieg so die Gesamtverschuldung der Länder der Eurozone innerhalb eines einzigen Jahres um nahezu 10 Prozentpunkte. Zehn von sechzehn Mitgliedstaaten der Eurozone meldeten eine Schuldenquote von über 60 % und die Schuldenquote Griechenlands und Italiens liegt mittlerweile sogar deutlich über 100 %. Die deutsche Quote kann sich, ironisch gesprochen, noch ganz gut sehen lassen. Das zeigt im Übrigen wie wichtig es ist, dass wir die vielfach europäisch wie international verabredete Exit-Strategie nicht nur verabredet haben sondern, dass wir sie auch umsetzen – Schritt für Schritt. Das ist das Entscheidende. Mit der Verabredung alleine kommen wir nicht wirklich weiter. Im Übrigen können wir durch die Finanzmarktkrise und die nachfolgende Rezession die hohen Schuldenstände nur zum Teil erklären.

Tatsächlich haben wir ja vielfältig auch über unsere Verhältnisse gelebt. Das gilt auch für Deutschland und insofern war die zusätzliche Schuldenlast der vergangenen Jahre vielleicht nur der zugeben große Tropfen, der das Fass zum Überlauf gebracht hat. Die Staaten haben auch in konjunkturell guten Zeiten in der Regel mehr ausgegeben als sie eingenommen haben und, wenn man sich das noch vor dem Hintergrund der demografiebedingten Abnahme des langfristigen Wachstumspotenzials vieler Volkwirtschaften anschaut, wird es noch problematischer. Deswegen ist es notwendig, dass wir den Kurs der Rückführung der zu hohen Verschuldung konsequent fortsetzen. Weil die bisherige Schuldenregelung immer höhere Defizite auch in Deutschland nicht verhindert hat, haben wir eine neue Schuldenregel in unser Grundgesetz aufgenommen, die inzwischen in Europa zunehmend auch als„benchmark“ gesehen wird. Die Bundesregierung wird diese Vorschriften der Schuldenbremse einhalten. Dazu sind wir im Übrigen von der Verfassung gezwungen, sodass wir uns auch nicht besonders auf die Schulter zu klopfen brauchen. Das bedeutet, dass das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt, bei den Ländern ist es noch einmal spezifisch geregelt, bis 2016 auf 10 Mrd. Euro gesenkt werden muss. Also auf 0,35 % strukturelles Defizit des BIP, und das heißt eine Rückführung von durchschnittlich etwa 7 Mrd. Euro pro Jahr. Das müssen wir in einer Weise erreichen, mit der wir nachhaltiges Wachstum nicht beschädigen, sondern fördern. Das ist noch vor einem halben Jahr vielfältig in Zweifel gezogen worden.

Inzwischen zeigen die Zahlen, auch die jüngste OECD-Prognose für die Bundesrepublik Deutschland, dass das offensichtlich gelingt. Wir haben uns in unseren Konsolidierungsmaßnahmen in einem starken Maße auf Ausgabenkürzungen und Subventionsabbau konzentriert. Auch der Sachverständigenrat hat das in seinem jüngsten Gutachten ausdrücklich begrüßt und die aktuelle Wirtschaftsentwicklung spricht ja dafür, dass diese Strategie aufgeht. Auch deswegen sind wir aus dieser Krise besser heraus gekommen, als wir es zu hoffen gewagt hätten. Auch auf dem Arbeitsmarkt haben wir eine weniger dramatische Entwicklung gehabt, als erwartet. Wir haben kürzlich sogar die Schwelle von 3Mio. Arbeitslosen wieder unterschritten. Ich füge übrigens hinzu, dass das auch ein wenig mit dem lange in Frage gestellten Modell sozialer Partnerschaft in Deutschland zu tun hat. Vielleicht ist eine Lehre aus dieser Krise auch, dass wir dieses Modell sozialer Partnerschaft ein Stück weit in seiner nachhaltigen Wirkung anders bewerten als es in der Vergangenheit getan wurde. Im Übrigen hat die Entwicklung ja auch die Folge, dass die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden sich nicht ganz so dramatisch entwickeln, wie wir es befürchten mussten. Die jüngste Steuerschätzung hat diese Erwartungen bestätigt.

Aber, meine Damen und Herren, auch das möchte ich noch einmal sagen, auch mit den verbesserten aktuellen Steuerschätzungen liegen die tatsächlichen Steuereinnahmen im Jahre 2011 noch unter dem Vorkrisenniveau von 2008 und im Jahre 2012 erreichen wir knapp für Länder und Gemeinden wieder das Vorkrisenniveau. Beim Bund bleiben wir sogar im Jahre 2012 noch dahinter zurück. Deswegen dürfen wir nicht den Fehler machen, dass wir jetzt schon wieder glauben, wir könnten den Kurs verlassen. Nein, die Tatsache, dass wir auf dem richtigen Weg sind, sollte uns darin bestätigen, diesen Weg fortzusetzen und uns daran erinnern, dass Alfred Herrhausen einmal gesagt hat: „Die meisten Fehler machen Unternehmen, wenn es ihnen gut geht und nicht, wenn es ihnen schlecht geht“. Das gilt auch für die öffentlichen Haushalte und deswegen ist es gut, dass wir in der kommenden Woche den Bundeshaushalt für 2011, nach dem Stand wie er im Haushaltsausschuss in der Sitzung der vergangenen Woche abschließend in der Beschlussempfehlung verabschiedet worden ist, mit einer Neuverschuldung von 48,4 Mrd. Euro verabschieden werden. Das ist deutlich weniger als wir noch vor wenigen Monaten erwarten mussten. Aber es sind 48,4 Mrd. Euro Neuverschuldung und deswegen haben wir nichts zu verteilen und wir schwimmen auch nicht in Geld.

Es geht also auch nicht darum, wie eine Zeitung getitelt hat, dass der Bund die Steuermehreinnahmen für sich behalte und die Steuerzahler leer ausgingen. Nein, es geht darum, dass wir weniger Schulden machen und damit künftige Belastungen der Steuerzahler reduzieren. Natürlich können wir dann auch mittelfristig die sich ergebenden Handlungsspielräume für Steuer- und Abgaben­entlastungen nutzen. Aber das ist nur möglich, wenn wir die Schuldenbremse einhalten. Erst müssen wir uns die Handlungsspielräume erarbeiten, ehe wir sie denn schon wieder verspielen. Deswegen wäre eine Abkehr von diesem Weg ein großer Fehler und die Koalition und die Bundesregierung sind sich einig, dass wir diesen Weg konsequent fortgehen. Im Übrigen ist die Tatsache, dass es offenbar möglich ist, wachstumsfreundlich Defizite zu reduzieren, auch ein positives Beispiel für alle Mitglieder der Eurozone. Dies ist vielfältig bestritten worden und es ist wichtig, dass wir zeigen: es geht! Natürlich müssen alle Regierungen in der Eurozone ihre Selbstverpflichtung zur Haushaltskonsolidierung überzeugend darlegen und das Vertrauen der Märkte und ihrer eigenen Bürger in die langfristige Tragfähigkeit ihrer öffentlichen Finanzen wiederherstellen.

Neuere internationale Studien belegen im Übrigen: Wenn die Schuldenlast eines Staates einen als untragbar geltenden Schwellenwert erreicht, hemmen weitere Schulden das Wirtschaftswachstum anstatt es zu fördern. Deswegen ist der Weg, mit weiterem deficit spending die wirtschaftliche Entwicklung zu beleben, an seine Grenzen gestoßen.

Im Übrigen haben die jüngsten Turbulenzen um den Euro ja schmerzhaft gezeigt, dass diese Erkenntnis ja auch für die Länder der Eurozonen zutrifft. Die griechische Schuldenkrise und die dadurch ausgelöste Krise des Euro waren deutliche Warnungen an alle europäischen Politiker, dass wir einen weiteren Anstieg der Staatsschulden nicht zu lassen dürfen. Im Übrigen haben wir gelernt, wie abrupt die Märkte einzelnen Staaten die Unterstützung entziehen können, wenn die Defizite und Schulden einen Stand erreichen, der für die Anleger untragbar scheint. Es wäre einfach grob fahrlässig, wenn wir diese Warnungen ignorieren würden.

Die finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Folgen einer Staatsschuldenkrise der Eurozone wären dramatisch und schwer zu kontrollieren gewesen.

Deswegen war es richtig, und angesichts des Fehlens eines Krisenbewältigungsmechanismus ohne Alternative, dass wir in der Europäischen Union, insbesondere in der Eurozone, im Mai dieses Jahres entschlossen und schnell reagiert haben, um die Stabilität durch die kurzfristige Unterstützung Griechenlands und durch die Einrichtung der EFSF, zu sichern. Diese EFSF ist bis zu ihrem Auslaufen im Juni 2013 ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung. Aber sie ist eine Übergangslösung und deswegen müssen wir die Zeit nutzen, um die Instrumente zu verfeinern und die grundlegenden Mängel des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu beheben.

Aktuell können wir schon wieder Verwerfungen, Spekulationen und Zuspitzungen beobachten. Wir haben uns in dieser Woche auch schon im Kreise der Eurofinanzminister und der europäischen Finanzminister intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Für die jetzt sich ergebenen Schwierigkeiten und Probleme haben wir mit dieser europäischen Finanzierungsfaszilität des EFSF ausreichende Vorsorge getroffen. Jede Verknüpfung mit dem, was für die Zeit danach kommt, ist eine völlig unzulässige Vermischung, die ohne jede Grundlage ist. Das muss man noch einmal deutlich sagen. Aber natürlich müssen wir die Zeit bis 2013, für die wir mit diesem Instrument Vorsorge getroffen haben, nutzen. Klar ist aber bis dahin: Wenn die Notwendigkeit bestehen würde – und ob eine Notwendigkeit besteht, muss das jeweilige Mitgliedsland entscheiden – haben wir das geeignete Instrumente. Und dazu will ich auch weiter keine Nahrung zu den ohnedies nicht zu wenigen Spekulationen geben.

Wir sind in der Lage, bereit und entschlossen. Wir haben gemeinsam verabredet, jederzeit unmittelbar handeln zu können. Wir haben die notwendigen Instrumente, die notwendige Vorsorge getroffen. Aber es ist zugleich richtig und wichtig und notwendig, dass wir für die Zeit danach, wenn diese Übergangslösung ausläuft, so wie wir es ja in Deutschland mutatis mutantis auch für den Finanzsektor gemacht haben, Vorsorge treffen für eine bessere Lösung.

Deswegen war es wichtig und richtig, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Europäischen Rat am 29. Oktober 2010 die Empfehlungen der Van-Rompuy-Taskforce einstimmig angenommen haben, um die Haushaltsdisziplin aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu stärken, die wirtschaftspolitische Überwachung zu verbessern und so künftige Finanzkrisen besser zu vermeiden oder bewältigen zu können. So sind diese Beschlüsse ein großer Fortschritt gegenüber dem Status Quo.

Entgegen einer ersten Kritik, die vielfältig zu lesen war, wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt wesentlich verbessert. Er greift mit dem neuen Frühwarnsystem der wirtschaftlichen Überwachung wesentlich früher als bisher. Er bekommt mehr Biss, insbesondere für die Mitgliedstaaten der Eurozone, um die Defizite und die Schulden zu begrenzen und schließlich wird es auch ein neues zwischenstaatliches Regelwerk geben, um künftige Krisen auf den Anleihemärkten besser zu bewältigen.

Es ist übrigens ja noch wenige Wochen zuvor prophezeit worden, dass es keinerlei Chance für eine Einigung auf einen solchen Krisenbewältigungsmechanismus geben würde. Aber ich glaube es ist ein wichtiger Erfolg, dass es gelungen ist. Auch dadurch, dass Frankreich und Deutschland Verantwortung übernommen haben, um eine Lösung zustande zu bringen, haben wir hier große Fortschritte erzielt. Ich füge übrigens hinzu: Diejenigen, die kritisiert haben, dass wir auf dem Weg zu einer gemeinsamen Position akzeptieren mussten, dass eine Chance für automatische Sanktionen nicht gegeben sein würde, die haben die Realität in den Mitgliedstaaten und der Eurozone in der Europäischen Union falsch eingeschätzt.

Ich habe eine feste Erinnerung an die Beratungen in der Sitzung der Van-Rompoy-Taskforce von Anfang September, dass eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht dazu bereit gewesen wäre. Diese haben sich dann hinter Frankreich versteckt. Das ist wahr und das ist ja auch in Ordnung. Die größeren Mitgliedstaaten dienen ja auch dazu, den anderen ein bisschen Schutz zu gewähren in solchen Debatten. Aber die Realität war: Es hat nie eine Chance für einen solchen Automatismus gegeben. Deswegen ist das, was wir jetzt an Verbesserungen für den Stabilitäts- und Wachstumspakt verabredet haben, das was realistischerweise möglich ist. Wir haben einen erheblichen Fortschritt auf diesem Weg erzielt. Wir werden nun mit großem Nachdruck, das haben wir besprochen, die Kommission und die Ratspräsidentschaft drängen, für den Europäischen Rat am 16./17. Dezember 2010 die entsprechenden Vorschläge vorzulegen. Wir sind in einem engen Konsultationsprozess. Wir bringen alle unsere Vorstellungen und Anregungen in einen solchen Krisenmechanismus ein. Es ist wichtig, dass wir das möglichst zügig voranbringen, um auch vorhandene Unklarheiten so rasch wie möglich zu beseitigen.

Ich will noch einmal klar stellen: Ein solcher Mechanismus ist ein Instrument der Zukunft. Es geht darum, etwas für die Eurozone zu entwickeln, was nach dem Auslaufen der EFSF in Kraft treten soll. Wobei im Übrigen alle Garantien, die im Rahmen dieser EFSF bis 2013 in Anspruch genommen werden können, Laufzeiten bis zu fünf Jahren haben. Auch das muss man bei der Würdigung einer Übergangszeit mit einbeziehen. Der Mechanismus bezieht sich also nicht auf derzeit ausstehende Schulden. Er ist für aktuelle Fälle unrelevant. Wir haben bis Juni 2013 vorgesorgt. Aber klar ist natürlich: Die Finanzmärkte wollen und brauchen auch so schnell wie möglich Planungssicherheit dafür, wie die Absicherungslücke nach 2013 geschlossen werden soll. Deswegen ist es wichtig, dass der Europäische Rat im Dezember dazu die Eckpunkte beschließen wird. Ziel dieses Mechanismus ist es, die Schuldenlast eines von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Mitgliedslandes auf ein maximal tragbares Maß zu reduzieren, um so mögliche Folgen abzuwenden. Dabei müssen dann auch die Finanzinvestoren beteiligt werden.

Der Prozess muss regelbasiert sein. Er muss allen Beteiligten Anreize geben, auf eine schnelle Lösung hinzuarbeiten und er muss geeignet sein, Reputationen und das Vertrauen der Kapitalmärkte so schnell wie möglich zurückzugewinnen.

Deswegen wird ein solcher Mechanismus am Ende, was immer im Einzelnen heraus kommt, dreigliedrig sein. Er wird aus einem wirtschafts- und finanzpolitischen Anpassungsprogramm bestehen. Er wird aus einem mitgliedstaatlichen Finanzierungsinstrument bestehen und er wird im Übrigen auch Beiträge der Gläubiger vorsehen.

Die Grundlage für einen solchen Mechanismus wird, übrigens ähnlich wie bei dem Prozedere des Internationalen Währungsfonds, ein striktes wirtschafts- und finanzpolitisches Anpassungsprogramm sein, das jedem betroffenen Mitgliedsland auferlegt wird. Der Beitrag der Gläubiger sollte im Rahmen eines fairen Interessenausgleichs zwischen Schuldnerstaat und Finanzinvestoren ermöglicht werden und zwar ohne, dass dies systemische Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Funktionsweisen der Europäischen Währungsunion hat.

Um dies zu erreichen, brauchen wir ein regelgebundenes, fest institutionalisiertes und transparentes Verfahren, das im Voraus kalkulierbare Rahmen­bedingungen für alle Beteiligten setzt und so ein Höchstmaß an ökonomisch richtigen Anreizwirkungen, Prävention und Rechtsicherheit erzielt. Die vertragsrechtliche Verankerung eines solchen Verfahrens soll durch die Einführung einheitlicher „collectiv action clauses“, den so genannten „CACs“, in die Bedingungen neuer staatlicher Anleihen in der Eurozone erfolgen. CACs zielen darauf ab, im Falle von Problemen eine Änderung der Zahlungsbedingungen durch Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger rechtsverbindlich zu ermöglichen.

Ich will angesichts mancher öffentlicher Debatte darauf hinweisen: In New York haben wir das seit 2003 und ich habe nicht erkennen können, dass seit der flächendeckenden Einführung in New York es zu großen Irritationen auf den Märkten gekommen ist. Also man sollte die Dinge so sehen, wie sie tatsächlich sind. Im Übrigen werden wir ein Finanzierungsinstrument brauchen, das die Mitgliedstaaten auf intergouvermentaler Basis errichten. Dabei sollten dann, unter Einbeziehung des IWF, zusätzliche Hilfen zur Unterstützung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Anpassungsprogramme gewährt werden. In jedem Fall muss die Gewährung solcher Hilfen Probleme seitens der Schuldnerländer und seitens der Finanzmärkte vermeiden.

IN jedem Fall ist die Gewährung solcher Hilfen streng an eine Reihe strikter Auflagen zu knüpfen: Nämlich, dass das betroffene Euroland vom Kapitalmarkt abgeschnitten ist, dass die Finanzstabilität der Eurozone als Ganzes gefährdet ist, dass es ein Zugang nur unter Einbeziehung des Gläubigersektors gibt, dass die Konditionen für das Empfängerland unattraktiv sind, dass es strikte Reformauflagen für die Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt und eine Absicherung der Garantien und Kredite vorgesehen wird. Also ganz ähnlich wie wir das bei den Rahmenbedingungen auch für die EFSF festgelegt haben.

Ich will das jetzt im Einzelnen nicht näher ausführen. Sondern ich will sagen, dass wir mit einem solchen Mechanismus und mit der damit verbundenen Stärkung der Marktdisziplin ein verantwortungsvolleres Verhalten aller Marktteilnehmer erreichen werden und so dauerhaft die Glaubwürdigkeit des Euros verbessern können. Diejenigen, die dann noch Probleme mit einem solchen Mechanismus haben, möchte ich auf die grundlegenden Bedingungen für die gemeinsame europäische Währung und des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes wenigstens in aller Kürze hinweisen.

Es gab ja lange eine Debatte, ob man eine gemeinsame Währung machen kann, wenn man nicht Haushaltspolitiken und vieles andere vergemeinschaftet. Aber nun ist dieser Prozess der Europäischen Einigung ein Prozess, in dem wir eben etwas Neues schaffen, wo wir Teile staatlicher Souveränität auf die europäische Ebene übertragen haben. Aber eben nur Teile und im Übrigen die Mitgliedstaaten die Herren der Verträge bleiben.

Wir haben eine europäische Währung geschaffen – vielfach wurde ja bezweifelt, ob wir das schaffen würden –  indem wir zugleich den Mechanismus des Stabilitäts- und Wachstumspaktes geschaffen haben. Und der sagt nun eben, dass jedes Mitgliedsland die Haushaltspolitik nicht verallgemeinschaften wollte und konnte. Ich sage das auch, weil gelegentlich in der Debatte über Eurobonds vergessen wird, dass auch dieses gegen die Grundstruktur dieser europäischen Währungsunion verstoßen würde. Ich will ein paar Bemerkungen zur Reform der internationalen Finanzmärkte machen.

Bei der Gründung der Europäischen Währungsunion konnte man sich die rasante Entwicklung der Weltwirtschaft so gar nicht vorstellen. Ich will das nur in aller Kürze in Ihre Erinnerung rufen, wie die Entwicklung im Zuge der so genannten Globalisierung sich in diesen zwei Jahrzehnten oder anderthalb Jahrzehnten vollzogen hat. Heute sind wir eben durch diese unglaubliche Vernetzung – auch der modernen Finanzmärkte – mit den enormen Interdependenzen auf Grund der stets verfügbaren elektronischen Handelsebenen und ihren innovativen, stark gehebelten Finanzinstrumenten in einer Weise nicht nur vernetzt sondern auch international verschärften Turbulenzen ausgesetzt. So ist auch das Risiko systemischer Risiken kontinuierlich gestiegen.

Im Übrigen vermindert die fortschreitende Integration globaler Märkte die Möglichkeiten einzelner Nationalstaaten, im Alleingang wirksame Regeln aufzustellen. Das gilt eben im besonderen Maße auch für die Finanzmärkte, die Regeln brauchen. Denn sie haben gezeigt, dass sie ohne Regeln und Grenzen nicht in der Lage sind, um aus sich selbst heraus die Gefahr der Selbstzerstörung zu vermeiden. Das ist für jedes freiheitliche System keine neue Erfahrung. Aber wir haben sie sehr zugespitzt für die Finanzmärkte erlebt.

Wir haben nun in der Regelsetzung eine Menge mehr erreicht als öffentlich wahrgenommen wird. Ich nenne nur die koordinierte Verbesserung bei den Anreizsystemen in der Bezahlung und Vergütung. Wir haben erhebliche Fortschritte erzielt bei den Bemühungen, die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten zu verbessern. Wir sind in Europa gut vorangekommen. Wir müssen natürlich auch unsere nationale Finanzaufsicht an die neuen Anforderungen anpassen. Wir haben im so genannten Basel III-Prozess große Fortschritte erzielt, die wir jetzt in Soul beim G20-Treffen auch indossiert haben. Mit diesen neuen Regeln ist eine richtige Balance gefunden worden zwischen der Notwendigkeit einer besseren Eigenkapital- und Liquiditätsvorsorge und der Notwenigkeit, auf der anderen Seite, die Möglichkeiten des Finanzsektors nicht zu gefährden und wirtschaftliche Erholung und nachhaltiges Wachstum mit genügend Liquidität und entsprechenden Kreditkapazitäten zu unterlegen.

Ich füge allerdings hinzu: Gelegentlich ist auch zunehmend darüber diskutiert worden, dass der Finanzsektor der Gefahr widerstehen muss, zu sehr selbstreferentiell zu werden. Er muss sich seiner insgesamt dienenden Funktion für die gesamtwirtschaftliche Ordnung bewusst bleiben. Ich bin froh, dass es gelungen ist, die Besonderheiten des deutschen Finanzwesens mit seinen drei Sektoren Sparkassenwesen, Kreditgenossenschaft und Privatbanken im Regelwerk zu berücksichtigen. Diejenigen, die das nur als ein Hindernis für den Finanzsektor in Deutschland ansehen, will ich darauf aufmerksam machen, dass nach meiner Überzeugung diese Struktur auch etwas mit unserer sehr leistungsfähigen Struktur von Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben in Deutschland zu tun hat. Gerade, wenn darüber international diskutiert und nachgedacht wird, wie denn zu erklären ist, warum wir bei großen Schwierigkeiten, bei großer Betroffenheit auf Grund des hohen Außenhandelsanteils und der großen Verflechtungen unserer Volkswirtschaft relativ gut aus dieser Krise herauszukommen scheinen, sollte diese Struktur des deutschen Finanzwesens bedacht werden.

Natürlich werden wir noch eine Menge Arbeit in dem weiteren Prozess haben. Die G20-Staaten haben beschlossen, intensiv an der Behandlung systemischer, also großer, stark vernetzter Finanzinstitute, den so genannten „Sifis“, weiterzuarbeiten.

Das ist ein zentraler Punkt, weil wir natürlich auch die „too big to fail“-Problematik mildern müssen und weil wir natürlich immer daran denken müssen, dass in der nächsten Krise nicht wieder die Steuerzahler die Hauptkosten tragen können. Wir sind übrigens auch auf nationaler Ebene entsprechend mit dem Gesetz zur Restrukturierung von Banken, das der Bundestag verabschiedet hat (der Bundesrat muss noch zustimmen) einen großen Schritt vorangekommen. Wir leisten damit Vorsorge für ein geordnetes Restrukturierungsverfahren, das wir 2008 nicht hatten. Dazu gehört dann noch, dass wir einen Restruktierungsfonds schaffen, der durch eine maßvolle, systemische Risiken berücksichtigende, Bankenabgabe gespeist wird und der im Übrigen für keinen Sektor des Finanzwesens unzumutbare Belastungen enthält. Auch das hat mit der Differenziertheit des Finanzsektors mit Sparkassen, Kreditgenossenschaften und Privatbanken zu tun, die ich schon erwähnt habe.

Im Übrigen hat der Sachverständigenrat in seinem aktuellen Gutachten dieses Gesetz ausdrücklich gelobt und nun gilt es, die entsprechenden Regelungen auch für grenzüberschreitende Finanzinstitute zu schaffen.

Daran arbeiten wir auf europäischer Ebene und auch die G20 werden sich dieser Frage stellen. Wir sind übrigens auf europäischer Ebene, wenn ich die Bemerkung machen darf, kritisiert worden: Dass wir mit unserer Gesetzgebung ein Stück weit vorangegangen wären in Abstimmung mit Frankreich. Aber ich glaube, dass es sich hier gezeigt hat, dass gelegentlich europäische Regelungen eher zustande kommen, wenn einzelne Mitgliedstaaten auch vorangehen. Wir haben immer gesagt, wir wollen das in eine europäische Regelung überführen. Wir kommen mit den europäischen Regelungen auch gut voran. Und deswegen ist wichtig, dass wir am Ende uns nicht jeweils hinter dem langsamten verstecken, sondern, dass wir tatsächlich zu Regelungen kommen. Deswegen bekenne ich mich dazu, dass ich es auch heute für richtig halte, dass wir diesen Schritt vorangegangen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube ich habe es am Anfang gesagt. Das entscheidende ist, auf der Ebene der G20, europäisch und national, dass wir bei allen Fortschritten, die wir erreicht haben, das Momentum nicht verlieren.

Es besteht die Gefahr, dass – je mehr der Eindruck entsteht, dass wir die Krise schon wieder hinter uns haben – die Bereitschaft und die Fähigkeit, den Weg weiterzugehen, schon wieder nachlässt.

Das wäre der größte Fehler, den wir machen können. Wir dürfen nicht vergessen, wie groß die Kosten gewesen sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nicht sicher sind, dass uns die nächste Krise drohen kann und dass wir deswegen die Zeit nutzen müssen, um besser vorbereitet zu sein. Wann immer wir sagen, auch im Sinne von Krisenmanagement, wir müssen Zeit kaufen, dann müssen wir die Zeit, die wir kaufen, auch nutzen. Sonst wäre das Kaufen von Zeit eine Verschwendung und die nächste Krise würde uns nur auf einem höheren Niveau treffen. Das ist eine Frage, die in allen Mitgliedstaaten der G20 bedacht werden muss. Aber wir müssen nicht nur anderen Ratschläge geben, sondern auch unsere eigene Verantwortung wahrnehmen. In Deutschland und auch in Europa.

Meine Damen und Herren, dies gilt auch für Sie alle, die Sie im Finanzsektor Verantwortung tragen. In dem Maße, in dem die Akteure in freiheitlichen Ordnungen selbst Verantwortung übernehmen, in dem Maße verringern sie den Druck auf Regulierungen und Begrenzungen. In dem Maße, in dem sie zu dieser Eigenverantwortung nicht in der Lage sind, aus welchen Gründen auch immer, in dem Maße verstärken sie die Notwendigkeit für Regulierungen und Grenzen. Deswegen werbe ich dafür und nutze die Gelegenheit wieder, dass wir uns alle dieser Verantwortung bewusst werden. Dass wir alle wissen, dass die Nachhaltigkeit und die Akzeptanz einer freiheitlichen Ordnung für Wirtschaften, für eine globale Weltwirtschaft, für Finanzmärkte, aber auch im politischen Sinne, dass die Akzeptanz unserer freiheitlichen Ordnung am Ende auf dem Spiel steht.

Wenn diese freiheitlichen Ordnungen sich als unfähig erweisen, aus Krisen Lehren zu ziehen und zu den notwenigen Beschränkungen und Begrenzen zu kommen, würden sie am Ende der Gefahr ausgesetzt sein, sich durch Übertreibung selbst zu zerstören. Man liest ja die Beispiele aus der Geschichte immer mit einer Fassungslosigkeit, wie töricht die Menschheit sein kann. Ich habe am Beginn dieser Krise mich immer an die höllandischen Tulpenzwiebelspekulation erinnert und dachte: Wie konnte man nur im 17. Jahrhundert so blöd sein?

Meine Damen und Herren, wir sind im 21. Jahrhundert nicht wirklich klüger geworden und deswegen werbe ich dafür, auch im Rahmen dieses Bankenkongresses, dass wir uns bemühen, klüger zu werden und die notwenigen Lehren zu ziehen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!