Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte zunächst darum bitten, dass wir in einer Zeit, in der in Europa vielfältige Diskussionen geführt werden, in der Art, wie wir unsere nationalen politischen Debatten führen, immer daran denken, dass unsere Partner in Europa einen Anspruch darauf haben, dass wir mit Respekt über sie reden. Es schadet Deutschland und es schadet Europa, wenn wir bloß aus innenpolitischen Gründen in einer Weise über andere reden, die unerträglich ist.
Ich möchte gerne eine zweite Bemerkung machen. Herr Kollege Schick, man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, ob man die geltende deutsche Steuergesetzgebung, also das System der Kapitalertragsbesteuerung mit der definitiven Abgeltungsteuer, für richtig hält oder nicht. Ich glaube, Sie haben das damals nicht für richtig gehalten. Das ist Ihr gutes Recht. Das Gesetz trägt allerdings die Unterschrift des damaligen Finanzministers, und das war Herr Steinbrück. Wir haben dem Gesetz auch zugestimmt; es ist in Kraft.
Mit diesem Abkommen – wenn es in Kraft tritt – stellen wir sicher, dass Kapitalanlagen von deutschen Steuerflüchtigen in der Schweiz genauso steuerlich behandelt werden, wie wenn sie in Deutschland angelegt worden wären. Etwas anderes kann man nicht machen. Die Behauptung also, wir würden durch das Abkommen mit der Schweiz etwas anderes schaffen, ist Unsinn. Das ist nun wirklich unterhalb dessen, was man als Niveau parlamentarischer Auseinandersetzung akzeptieren sollte. Wir schaffen damit die Möglichkeit, und die Schweizer Banken machen dann dasselbe, was die deutschen Banken auch machen. Das muss auch der Vorsitzende einer Gewerkschaft einsehen. Ob ihm das passt oder nicht, ist eine andere Frage; aber in Deutschland ist es mit Sparkassen und Banken genauso.
Deswegen ist das ein Abkommen für die Zukunft; es sei denn, man sagt, das deutsche Gesetz sei falsch. Das darf man aber nicht der Schweiz vorwerfen, sondern das ist unsere deutsche Verantwortung. Wir können jederzeit neue Gesetze machen; daran haben wir ja keinen Mangel. Aber solange das betreffende deutsche Gesetz so gilt, müssen wir dafür sorgen, dass es gesetzmäßig vollzogen wird, nicht allein durch Zufallsfunde, womöglich in der Zusammenarbeit mit mehr oder weniger Kriminellen, sondern durch einen verwaltungsmäßigen, einen ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Vollzug. Dies sichert das Abkommen mit der Schweiz für die Zukunft. Das ist der erste Punkt. Daran können Sie überhaupt nicht rütteln. Es entspricht im Übrigen dem Informationsaustausch. Dazu haben wir den OECD-Standard mit der Schweiz ja vereinbart. Das ist alles international; das sind die multilateralen Bemühungen. Sie werfen die Dinge völlig durcheinander.
Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die Vergangenheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss einfach zur Kenntnis nehmen der Kollege Wissing hat es gesagt : Belastende Gesetze können nach unserem Verfassungsverständnis rückwirkend nicht eingeführt werden. Angesichts dessen, was für uns gilt, müssen wir doch respektieren, dass es in der Schweiz nicht anders ist. Die Schweiz hat ein Bankgeheimnis; es ist integraler Bestandteil der Schweizer Rechtsordnung seit 70 oder mehr Jahren. Wenn dies so ist, dann kann man für die Vergangenheit nicht erreichen, dass die Schweiz dies rückwirkend ändert. Das wäre bei uns verfassungswidrig, und das ist es in der Schweiz auch. Daher sollte man die Schweiz deswegen nicht beschimpfen, sondern man sollte sich anschauen, welche Lösung wir mit der Schweiz verhandelt haben.
Zwei Möglichkeiten hat der Steuerpflichtige, und das teilen ihm die Banken auch mit. Entweder kann er eine Mitteilung seines Finanzamts bringen, dass er seine steuerlichen Pflichten erfüllt hat, oder der Bestand seines Vermögens – Herr Kollege Poß, Sie sollten schon zwischen Erträgen und Vermögensbestand unterscheiden – wird mit einem Pauschalsatz an Steuer belegt. Jetzt sage ich Ihnen, wie er sich berechnet. Wenn ein Vermögen schon seit zehn Jahren in der Schweiz liegt, dann – es mag wie auch immer entstanden sein – sind die steuer- und strafrechtlichen Ansprüche verjährt. Diese Verjährung kann auch rückwirkend nicht aufgehoben werden. Auch das ist ein festes Verfassungsprinzip.
58 Prozent aller Konten und Depots in der Schweiz bestehen seit mehr als zehn Jahren. Dies sage ich, damit wir wissen, wovon wir reden. Daher können steuerlich also nur diejenigen Erträge von Belang sein, die in diesen zehn Jahren angefallen sind und zu besteuern sind. Dafür gilt ein Satz von 21 Prozent auf die Summe, auf die Substanz des Kapitals. Das ist ein höherer Satz, als man ihn bei einer Regelbesteuerung erzielt. Deswegen gehen alle davon aus – Schweizer Banken haben ja Untersuchungen dazu durchgeführt -, dass in mehr als 90 Prozent aller Fälle die Durchführung der Regelbesteuerung für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Das ist aber der Sinn einer Pauschalregelung. Wenn Sie 100 Prozent erreichen wollen, bekommen Sie keine Pauschalregelung zustande.
Was ist mit den Vermögen, die in den letzten zehn Jahren angewachsen sind oder überhaupt erst in den letzten zehn Jahren in die Schweiz verbracht worden sind? Dort wird ein höherer Prozentsatz auf das Kapital erhoben, aus genau diesem Grund, damit man nämlich auch den Teil erfasst, der möglicherweise in der Substanz der Besteuerung liegt. Es kann auch die Erbschaftsteuer gewesen sein, die hinterzogen wurde.
Wir haben noch gar nicht darüber diskutiert, dass in der Zukunft, wenn der Steuerpflichtige verstirbt, entweder die Erbschaftbesteuerung regulär durchgeführt wird oder der höchstmögliche Erbschaftsteuersatz von 50 Prozent von der Schweizer Bank abgeführt wird. Meine Damen und Herren, was wollen wir denn eigentlich mehr?
Wenn dies nicht der Fall ist, dann beendet die Schweizer Bank ihre Geschäftsbeziehung mit dem Kunden. Die Schweiz teilt uns mit, wohin die Vermögen verlagert werden, damit wir mit den betreffenden Ländern Kontakt aufnehmen können. Sie haben ja diese sogenannte Abschleichbewegung in den letzten Monaten zum großen Thema gemacht. Inzwischen haben wir uns belehren lassen: nur bei 0,5 Prozent der Vermögenswerte sind in den letzten Monaten Konten aufgelöst worden. Das ist der ganz normale Schwund; bei jeder Bank werden immer mal Konten aufgelöst. Also kann davon überhaupt keine Rede sein. Darüber hinaus bekommen wir die Antwort, in welche Länder es abfließt, sodass wir in Zukunft auch die entsprechenden Möglichkeiten haben.
Das Abkommen ist – auch diese wahrheitswidrige Behauptung darf hier nicht unwidersprochen stehen bleiben – von der Kommission der Europäischen Union geprüft und für gut befunden worden. Es gibt keine Einwendungen aus dem europäischen Recht heraus. Das heißt, Sie reden wider besseres Wissen, meine Damen und Herren, und verunsichern die Menschen.
Die Alternative zu diesem Abkommen ist, dass die Steueransprüche verjähren. Die Verjährungsfrist beträgt in aller Regel zehn Jahre. Da 58 Prozent aller Depots und Konten bereits länger als zehn Jahre bestehen, muss jedermann wissen: Das Meiste wird in kurzer Zeit verjährt sein. Entweder wird dieses Abkommen zum 1. Januar 2013 in Kraft treten, oder wir werden kein Abkommen haben. Dann wird weiterhin ein Zustand bestehen, in dem wir die Besteuerung von Einkünften, die deutsche Steuerpflichtige aus Kapitalvermögen in der Schweiz haben, von Zufallsfunden und von der Zusammenarbeit mit mehr oder weniger rechtsstaatlich einwandfreien Persönlichkeiten abhängig machen. Das kann doch nicht im Sinne einer gesetzmäßig handelnden Verwaltung sein.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich mit allem Ernst und in aller Ernsthaftigkeit: Wenn wir unsere Verantwortung für einen gerechten Vollzug der deutschen Steuergesetze einigermaßen wahrnehmen wollen, dann erfüllen wir mit diesem Abkommen unsere Pflicht. Deswegen werbe ich um Ihre Zustimmung zu diesem Abkommen. Hören Sie auf, aus vordergründigen parteistrategischen Überlegungen Unbehagen gegen Banken, Steuerhinterziehung und was weiß ich zu schüren! Nein, nein, ich habe doch gar nichts dagegen. Ich sage nur: Wenn Sie Steuerhinterziehung bekämpfen wollen, müssen Sie dieses Abkommen in Kraft setzen. Anderenfalls laden Sie die Verantwortung dafür auf sich, dass wir auch weiterhin auf Zufallsfunde angewiesen sind und unserer Verpflichtung, für die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die Rechtsstaatlichkeit des Gesetzesvollzugs zu sorgen, nicht gerecht werden.
Dieses Abkommen wird zum 1. Januar in Kraft treten, oder es wird gescheitert sein. Sie werden in absehbarer Zeit kein anderes Abkommen bekommen. Sie werden als Alternative zu diesem Abkommen haben, dass die Steueransprüche verjähren.
Das Bundesfinanzministerium hat nie von 10 Milliarden Euro gesprochen; davon haben wir überhaupt nichts gesagt. Nein, ich erkläre es Ihnen doch. Herr Kollege Poß, ich kann es Ihnen genau erklären. Wir haben mit der Schweiz verabredet, dass die Schweizer Banken bei Abschluss des Abkommens eine anzurechnende Vorauszahlung, die gilt und definitiv ist, von 2 Milliarden Schweizer Franken leisten werden. Großbritannien hat ein ähnliches Abkommen mit der Schweiz. Großbritannien bekommt eine Vorauszahlung Schweizer Banken in Höhe von 500 Millionen Schweizer Franken. In Großbritannien hat man eine bestimmte Summe, die man dort aus der rückwirkenden Besteuerung erwartet, in den Haushalt eingestellt. Wenn man die britischen Zahlen mit vier multipliziert, was nach der Logik einigermaßen richtig sein könnte, dann kommt man auf einen Betrag, Herr Kollege Poß, der größer als 10 Milliarden Euro ist. Nur dies haben wir gesagt. Wir selber haben nichts anderes als die 2 Milliarden Schweizer Franken in unsere Planungen eingestellt. Alles andere warten wir ab.
Aber darüber hinaus ist klar: Für die Zukunft werden wir die normalen Kapitalertragsteuern aus der Schweiz genauso abgeführt bekommen, wie wir sie auch von deutschen Banken bekommen. Wenn Sie das Abkommen scheitern lassen, dann werden wir auch für die Zukunft allenfalls auf Zufallsfunde angewiesen sein. Das ist nicht zu verantworten. Deswegen werbe ich mit allem Ernst und in aller Sachlichkeit um Ihre Zustimmung zu diesem Abkommen.