Rede des Bundesfinanzministers zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Ratifizierung des Fiskalvertrags



Rede im Bundestag

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Mit den Gesetzentwürfen zur Schaffung einer Fiskalunion und eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus schaffen wir einen weiteren wichtigen Baustein zur Überwindung der Vertrauenskrise in den Finanzmärkten, um die Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Europa nachhaltig zu verbessern.

Man muss daran erinnern, dass als Folge der Finanz- und Bankenkrise in den Jahren 2007 und 2008 die wachsende Staatsverschuldung in fast allen Industrieländern von den Finanzmärkten zunehmend ‑ und eigentlich zum ersten Mal ‑ als ein Risiko empfunden worden ist und zu einer entsprechenden Verunsicherung auf den Finanzmärkten geführt hat. Aus der wachsenden Staatsverschuldung einer Reihe von Mitgliedsländern in der Euro-Zone haben sich Gefahren für nachhaltiges Wachstum ergeben, und das hat zu einer allgemeinen und sich verstärkenden Verunsicherung geführt.

Damals bestand in Europa und weltweit Einigkeit darüber, dass die Ursachen die zu hohen Defizite in den öffentlichen Haushalten fast aller Industriestaaten sind und dass zugleich eine zu geringe Wettbewerbsfähigkeit in einer Reihe von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusätzlich zu Spannungen in dieser gemeinsamen europäischen Währung führt.

Es bestand Einigkeit darüber, dass diese Probleme nur dadurch gelöst werden können, dass die Ursachen der Krise in den betroffenen Ländern angegangen werden. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, dass wir die Krise in den betroffenen Ländern bekämpfen, indem wir die Defizite reduzieren und die Wachstumsperspektiven und Wettbewerbsfähigkeit durch entsprechende Strukturreformen verbessern bzw. stärken. Es war international völlig einvernehmlich, dass wir dazu eine balancierte Politik aus wachstumsfördernden Maßnahmen und gleichzeitiger Reduzierung der zu hohen Defizite und zu hohen Staatsverschuldungen brauchen, also eine wachstumsfreundliche Defizitreduzierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das entspricht exakt der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, die wir seit Beginn dieser Legislaturperiode betreiben und für die wir in der vergangenen Woche im Bundeskabinett Eckwerte für den Haushalt 2013 und für die mittelfristige Finanzplanung vorgelegt haben.

Es ist gelegentlich diskutiert worden, ob wir den richtigen Pfad eingeschlagen haben. Ich glaube, die bisher erzielten Erfolge bei der Reduzierung auch unserer als Folge der Finanzkrise zu hohen Neuverschuldung sowie die Überwindung der Wachstumsdelle belegen, dass diese Politik einer wachstumsfreundlichen Defizitreduzierung in Deutschland erfolgreich betrieben wird und dass sie in Europa notwendig ist. Genau diese Politik müssen wir konsequent fortsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir waren uns in Europa in der zu Beginn des Jahres 2010 eingetretenen Euro-Krise bzw. sogenannten Vertrauenskrise im Euro-Raum von Anfang an einig, dass wir eine solche Politik in allen Mitgliedsländern betreiben müssen. Deswegen war es nicht ein Mangel an Solidarität, sondern richtig verstandene finanz- und wirtschaftspolitische Verantwortung, dass wir gesagt haben: Wir dürfen nicht Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass die Länder nicht selber die notwendigen Korrekturmaßnahmen durchsetzen. ‑ Deswegen wäre alles, was dazu geführt hätte, dass diese Reformen in den betroffenen Ländern nicht ergriffen worden wären, falsch verstandene Solidarität gewesen. Das gilt beispielsweise für die Debatte um Euro-Bonds.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will daran erinnern: Jede Vergemeinschaftung von Haftung bei gleichzeitigem Fehlen einer entsprechenden Finanzstruktur und damit verbunden die Ausschaltung des Marktmechanismus, also des Zinsrisikos, hätten dazu geführt, den Reformdruck nicht zu verstärken, sondern zu verringern. Es wären Fehlanreize gesetzt worden, und genau deswegen haben wir es nicht gemacht. Vielmehr haben wir gesagt: Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Wer auch immer Hilfe braucht, um seine Schwierigkeiten bei der Refinanzierung auf den Finanzmärkten zeitweilig zu überbrücken, bekommt diese Hilfe bei Vereinbarung entsprechender Anpassungsprogramme.

Das war der erste Baustein, um die Krise in Europa Schritt für Schritt zu bekämpfen, und wir sind auf diesem Weg erfolgreich. Die Programme funktionieren in Portugal und in Irland. Andere Länder wie Spanien oder Italien haben in den letzten Monaten wichtige Maßnahmen ergriffen, um Fehlentwicklungen nicht fortzusetzen, um Defizite zu reduzieren und die Wachstumsfähigkeit durch Strukturreformen zu verbessern.

Selbst in Griechenland, wo wir eine Zeit lang Schwierigkeiten hatten, die getroffene Vereinbarung umzusetzen, haben wir jetzt deutliche Fortschritte gemacht. Ich füge hinzu: Mit dem Schuldenschnitt unter Beteiligung des Privatsektors, der Anlagegläubiger, in Höhe von 53,5 Prozent hat Griechenland eine Chance, im Laufe der Jahre zu einer tragfähigen Entwicklung zu kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich will bei dieser Gelegenheit auch sagen: All denjenigen, die gesagt haben ‑ es waren viele Interessenvertreter des Finanzsektors, die sich so geäußert haben ‑, das sei gefährlich ‑ was ist nicht alles gesagt worden! ‑, dieser Schuldenschnitt könne nicht funktionieren und werde nicht funktionieren ‑ es ist darauf hingewiesen worden, was er anrichten könne ‑, halte ich entgegen: Wie man sieht, hat es funktioniert. Wir haben mit den Vereinbarungen, die wir erreicht und durchgesetzt haben, eine Grundlage geschaffen, dass Griechenland zu einer Schuldentragfähigkeit kommen kann. Die professionellen Interessenvertreter und Angstmacher haben nicht immer recht. Wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen. Wir sind auf einem guten Weg, und wir werden diesen Weg konsequent und entschlossen fortsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der zweite Baustein ist nun die Schaffung einer dauerhaften Stabilitätsunion. Das, was zu Beginn der Euro-Zone politisch noch nicht erreichbar war, müssen wir ‑ das ist die richtige Lehre aus der Krise ‑ jetzt schaffen. Das haben wir mit dem Entwurf dieses Fiskalvertrages erreicht. Alle Länder der Euro-Zone und acht weitere Länder der Europäischen Union verpflichten sich ‑ das hätte vor einem Jahr noch niemand in Europa für denkbar gehalten ‑, in ihre nationalen Verfassungs- und Rechtsordnungen Schuldenbremsen einzuführen, die der Schuldenbremse des deutschen Grundgesetzes vergleichbar sind.

(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das zeigt, Herr Kollege Trittin: Es gibt einen grundsätzlichen Einstellungswandel in Europa, was die Nachhaltigkeit von tragfähigen Haushalten anbetrifft. Das ist der entscheidende Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Schuldenbremsen werden eingeführt. Es wird überprüft, dass sie dem entsprechen, was im Fiskalvertrag vereinbart worden ist. Man kann gegebenenfalls den Europäischen Gerichtshof anrufen. Es muss durchgesetzt werden. Auch dies ist ein entscheidender Schritt.

Im Übrigen muss man den Fiskalvertrag natürlich im Zusammenhang mit den verstärkten Überwachungsmöglichkeiten in Bezug auf die Haushalts- und Wirtschaftspolitik aller Mitgliedstaaten der Euro-Zone sehen, die wir im sogenannten „sixpack“ Ende 2011 in Kraft gesetzt haben. Mit diesen Maßnahmen ‑ Fiskalvertrag plus „sixpack“ ‑ erhält der Stabilitäts- und Wachstumspakt zum ersten Mal Zähne. Jetzt kann er durchgesetzt werden. Jetzt können sich die Fehler der Vergangenheit nicht mehr wiederholen. Der italienische Ministerpräsident hat dieser Tage daran erinnert ‑ Herr Kollege Gabriel, Sie waren gerade in Paris; es ist ganz wichtig, Monti genau zuzuhören ‑: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war im Prinzip richtig. Falsch war nur, dass er durch Deutschland unter der rot-grünen Regierung und durch Frankreich

(Rainer Brüderle (FDP): So ist es!)

massiv gebrochen und damit zerstört worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

– Sie hören es nicht gern. Ich bin sehr dafür, dass wir im Zuge der europäischen Entwicklung im Rahmen der poltischen Familien miteinander Wahlkampf machen; ich bin aber auch dafür, dass wir die Fehler, die wir in europäischer Solidarität miteinander schon wieder ankündigen, rechtzeitig als solche erkennen. Wenn Sie glauben, Sie könnten nachhaltiges Wachstum in Europa dadurch fördern, dass Sie die zu hohe Staatsverschuldung weiter erhöhen, machen Sie genau die Fehler, die uns in die Krise geführt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das dürfen wir in Frankreich nicht machen, und das dürfen wir in Deutschland nicht machen. Das wäre genau der falsche Weg. Das wäre die falsche Lehre aus dem, was eingetreten ist.

Deswegen ist es richtig, dass wir die Mechanismen des Stabilitäts- und Wachstumspakts verschärfen. Wir haben jetzt quasi automatische Sanktionen. Wir haben vor allen Dingen viel stärkere Möglichkeiten zur Vermeidung von Fehlentwicklungen. Wir haben die Möglichkeit, durch Haushaltsüberwachung präventiv tätig zu werden, bei Ungleichgewichten der wirtschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten früher einzugreifen, Wirtschaftspartnerschaftsprogramme rechtzeitig durchzusetzen. Das alles sind neue Instrumente, die uns in die Lage versetzen, eine wirkliche Stabilitäts- und Wachstumsunion zustande zu bringen.

Das fügt sich auch in den Zusammenhang ein; denn natürlich geschieht das alles nicht nur, um Defizite zu reduzieren, sondern auch, um nachhaltiges Wachstum sicherzustellen. Das ist die Aufgabe und der Sinn unserer Politik. So wie sich die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland konkret für die Menschen auswirkt, so wird es überall in Europa sein. Dazu tragen auch der Euro-Plus-Pakt, den die Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr durchgesetzt hat, und die vielen Initiativen bei, die zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten in den letzten Monaten ergriffen worden sind, um Wachstumsimpulse in Europa zu verstärken.

Auf dem Sondergipfel des Europäischen Rats im Januar beispielsweise ist eine Reihe von weitreichenden Beschlüssen gefasst worden, um die Arbeitsmarktlage etwa in Ländern wie Spanien mit einer Jugendarbeitslosigkeit, die nahe bei 50 Prozent liegt, dauerhaft zu verbessern und vieles andere mehr. Auch für den Frühjahrsgipfel hat die Bundeskanzlerin eine Reihe von Vorschlägen zur Stärkung von Schlüsseltechnologien, zu strukturellen Reformen ‑ wo nötig, auch am Arbeitsmarkt ‑ eingebracht, um die Weichen für dauerhaftes Wachstum zu stellen. Mit diesen Maßnahmen und einer Politik solider Finanzen sowie einer Begrenzung der Haushaltsdefizite und der Gesamtverschuldung werden wir die Weichen für nachhaltiges Wachstum in Europa stellen. Das ist der Sinn dieser Vertragswerke, die wir heute hier einbringen.

Aber noch einmal: Es muss klar sein, dass wir Wachstum nicht einfach durch höhere Defizite erreichen; das war übrigens weltweit Konsens. Alle internationalen Analysen ‑ von G 20, vom IWF, selbst von der OECD, obwohl wir nicht alle Erklärungen des Generalsekretärs in diesen Tagen immer nur mit Freude zur Kenntnis genommen haben ‑ haben immer dasselbe festgestellt: Die Ursache der Krise war die zu hohe Staatsverschuldung. Wer dauerhaftes Wachstum will, braucht als eine Voraussetzung solide, tragfähige Haushalte. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Fiskalvertrag ‑ all dies dient diesem Ziel.

Der nächste Schritt ist übrigens ‑ um auch das zu erwähnen, weil gelegentlich gesagt wird, wir würden von einer Maßnahme zur nächsten gehen; aber das alles hat Konzept und Sinn ‑, neben der Bekämpfung der Ursachen in den Mitgliedstaaten, neben der Schaffung einer dauerhaften Stabilitätsunion, eine zentrale Maßnahme zur Bekämpfung von Ansteckungsgefahren. Wir haben für die systemrelevanten Banken in Europa sichergestellt, dass sie alle über genügend Kapital verfügen, damit uns das nicht wieder passiert, was uns 2008/2009 passiert ist. Deswegen haben wir den Bankenstresstest durchgeführt, der sicherstellt, dass alle systemrelevanten Banken in der Euro-Zone mit dem nötigen Kapital ausgestattet sind. Das ist ebenfalls ein Beitrag im Rahmen unserer Gesamtstrategie, um die Stabilität unserer gemeinsamen europäischen Währung dauerhaft sicherzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich gehört als letzter Baustein ‑ neben der Bekämpfung der Ursachen der Krise, neben einer dauerhaften Stabilitätsunion und soliden Strukturen im europäischen Währungssystem, neben einer ausreichenden Kapitalausstattung der Banken ‑ dazu, dass wir für den Fall, dass einzelne Mitgliedsländer der Euro-Zone vorübergehend Schwierigkeiten haben, sich an den Finanzmärkten zu refinanzieren, genügend Mittel zur Verfügung haben, um ihnen Zeit für die Lösung ihrer Probleme zu kaufen. Das ist die Funktion des Rettungsschirms oder der Firewall – die Bekämpfung von Ansteckungsgefahren im Euro-System als Ganzem. Wir haben ja gesehen, dass es geradezu blitzartig zu einer solchen Ansteckung kommen kann. Deswegen ist es gut, dass wir die vorläufige Finanzierungsfazilität 2010 kurzfristig und schnell geschaffen haben.

Aber wir haben im Übrigen schon damals gesagt ‑ da werden uns, völlig wahrheitswidrig, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate vorgehalten ‑, dass diese Konstruktion eine vorübergehende Maßnahme ist. Was wir anstreben, ist eine dauerhafte, stabile Konstruktion. Die legen wir heute mit den Gesetzentwürfen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus vor. Es ist vorgesehen, durch einen völkerrechtlichen Vertrag eine internationale Finanzinstitution mit einem Ausleihvolumen von insgesamt 500 Milliarden Euro zu gründen. Davon sollen 80 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten als Kapital eingezahlt werden. Der Rest steht als abrufbares, nachschusspflichtiges Kapital zur Verfügung. Damit hat dieser Europäische Stabilitätsmechanismus eine dauerhaft stabile Struktur. Die Bedingungen, unter denen er Hilfe leistet, sind ähnlich wie beim EFSF. Es wird immer nur Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Voraussetzungen hierfür sind Anpassungsprogramme, die mit Ländern, die entsprechende Hilfe benötigen, vereinbart werden müssen. Daran wird sich nichts ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone haben auf ihrem Gipfeltreffen im Dezember verabredet ‑ es wird dauernd gesagt, wir würden immer etwas anderes vorlegen; das ist einfach nicht wahr; man kann das nur sagen, wenn man die Erklärungen nicht zur Kenntnis genommen oder schon wieder vergessen hat ‑, dass die endgültige Größenordnung des Stabilitätsmechanismus im März noch einmal überprüft werden soll. Sie haben bei ihrem Treffen Anfang März die Finanzminister beauftragt, diese Überprüfung durchzuführen und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus Ende des Monats zu treffen. Das werden wir morgen und übermorgen in Kopenhagen tun. Ich werde mit dem Vorschlag in diese Beratungen gehen ‑ den haben wir in dieser Woche sehr intensiv miteinander besprochen ‑, dass wir entgegen dem, was im Vertragsentwurf steht, das Ausleihvolumen des ESM in Höhe von 500 Milliarden Euro nicht dadurch reduzieren, dass wir die in den bisherigen Programmen für Irland, Portugal und Griechenland vereinbarten Hilfszahlungen von den 500 Milliarden Euro abziehen oder ‑ wie es in der Sprache des Vertrages heißt ‑ konsolidieren, sondern dass wir die 500 Milliarden Euro als zusätzliches Volumen zur Verfügung haben, um die notwendige Solidarität gewährleisten und um die Ansteckungsgefahr bekämpfen zu können.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn Schluss? Wo ist denn Ihre rote Linie?)

– Das ist exakt die rote Linie in der internationalen Debatte. In der internationalen Debatte hat sich seit geraumer Zeit die Erwartung gefestigt ‑ Sie können eine so hohe Firewall errichten, wie Sie wollen; das nützt gar nichts ‑, dass die notwendigen strukturellen Maßnahmen in Europa ergriffen und die Ursachen der Krise bekämpft werden müssen. Deswegen habe ich diesen Zusammenhang hier vorgetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Bekämpfung der Ursachen in den Mitgliedstaaten ist notwendig. Jeder kehre vor seiner Tür; wir machen es mit unserer Politik, andere machen es mit ihrer Politik. Wenn wir eine Struktur für die Stabilitätsunion erreichen, die wir in den 90er-Jahren nicht zustande gebracht haben, dann muss die Firewall nicht mehr so hoch sein muss. Wenn wir zusätzlich zu den schon vereinbarten Programmen ein Ausleihvolumen in Höhe von 500 Milliarden Euro in einer stabilen internationalen Finanzinstitution haben, dann ist das überzeugend, es sei denn, es fangen wieder alle möglichen Leute an, darüber zu reden, dass 3 Milliarden Euro mehr sind als 1 Milliarde Euro. Das ist wahr, löst aber unser Problem nicht. Wir brauchen eine glaubwürdige, in sich schlüssige Politik.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja ein hoher Anspruch! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Wir brauchen die drei Programme für Irland, Portugal und Griechenland. Ich bin ganz sicher, dass die internationale Gemeinschaft im Internationalen Währungsfonds den solidarischen Beitrag der Europäer zur Vermeidung der Ansteckungsgefahr im Euro-System anerkennt und ihren Beitrag für die globale Weltwirtschaft nicht verweigern wird. Wir treffen unsere Entscheidung in Europa, so wie es alle von uns erwarten. Mit diesen Entscheidungen werden wir die Verunsicherung auf den Märkten dauerhaft beseitigen können, es sei denn, es würde wieder bewusst Verunsicherung geschürt.

Ich will noch ein Wort zum Thema Finanztransaktionsteuer sagen. Wir brauchen für den Fiskalpakt, wie wir alle wissen, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat, weil wir uns verpflichten, die Regelungen unseres Grundgesetzes nicht zu verändern. Das hat verfassungsrechtliche Qualität. Sie haben gesagt, Sie möchten ein glaubwürdiges Bemühen der Bundesregierung für die Einführung einer Besteuerung des Finanzsektors. Die Bundesregierung hat sich seit zwei Jahren mit großem Nachdruck dafür eingesetzt, dass wir eine Finanztransaktionsteuer in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zustande bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heiterkeit bei der SPD – Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einhellig!)

– Einhellig, die ganze Bundesregierung. Entschuldigung, Sie können das alles überprüfen.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Legen Sie es nicht darauf an, Herr Schäuble!)

‑ Es werden wahrheitswidrige Behauptungen durch Wiederholungen nicht besser. Es ist nicht die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Bundesregierung hat in ihrer Finanzplanung im Juni 2010 die notwendigen Entscheidungen getroffen. Jeder kann es überprüfen, dort stehen sie geschrieben. Wahr ist aber auch: In den europäischen Verträgen steht, dass Sie eine europäische Steuer in der Europäischen Union nur zustande bringen, wenn Sie eine einstimmige Entscheidung erzielen. So steht es in den Verträgen. Europa ist eine Gemeinschaft des Rechts; entgegen den Verträgen kann man nicht handeln.

Ich muss Ihnen wahrheitsgemäß sagen: Die Chancen sind nicht sehr groß, dass wir einen einstimmigen Beschluss zustande bringen. Es ist übrigens auch die Wahrheit, dass die Kommission erst nach einjährigem Drängen der Bundesregierung und des deutschen Finanzministers überhaupt einen Vorschlag für eine Finanztransaktionsteuer entwickelt hat. Zuvor hatte sie keine Präferenz für diese Lösung.

(Sigmar Gabriel (SPD): Das war das Europäische Parlament!)

‑ Nein, es war die Bundesregierung.

(Sigmar Gabriel (SPD): Das ist nicht die Wahrheit, was Sie hier sagen!)

‑ Herr Gabriel, das ist nicht wahr.

(Sigmar Gabriel (SPD): Das ist ein Beschluss des Europäischen Parlaments!)

‑ Es war das Drängen der Bundesregierung und der französischen Regierung. Die Wahrheit ändert sich nicht. Deswegen sage ich: Wir werden alles Menschenmögliche tun, um eine Einigung zustande zu bringen. Wir werden Sie darüber in aller Offenheit informieren. Es fehlt überhaupt nicht am Drängen der Bundesregierung; wir suchen gemeinsam nach Lösungen. Es gibt keinen Grund, daran die Stabilisierung unserer gemeinsamen Währung scheitern zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist der falsche Zusammenhang.

Wir wissen, dass alle diese Diskussionen, Verunsicherungen und Entscheidungen unsere Bevölkerung mit großer Sorge erfüllen. Deswegen ist es wichtig, dass wir klar und verlässlich erklären, warum wir welche Entscheidungen treffen. Mit den Entscheidungen, für die wir heute die Gesetzgebungsverfahren eröffnen, gehen wir einen entscheidenden weiteren Schritt, um unsere europäische Währung dauerhaft stabil zu machen, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen und damit eine Voraussetzung zu schaffen, dass wir auch weiterhin solides Wirtschaftswachstum als Grundlage von sozialer Sicherheit haben. Dazu bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)