Recht im Anti-Terror-Kampf



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in Israel im Interview mit n-tv

Ulrich Sahm: Ist diese erste internationale Terrorkonferenz eine philosophische Veranstaltung oder bringt die auch Konkretes?

Wolfgang Schäuble: Die bringt schon eine Menge. Denn dass wir über diese Themen zusammenkommen, darüber diskutieren, auch auf der Ministerebene, ist etwas Ungewöhnliches. Natürlich werden wir heute nicht schwierige Völkerrechtsfragen beantworten. Das wäre unmöglich. Aber wir setzen Impulse: einmal in der Richtung, dass diese Debatten weitergehen müssen, und zweitens, dass man gemeinsame Lösungen sucht, dass man auch so schwierige Fragen wie „ticking bombs“ miteinander beredet … und da kann ein deutscher Innenminister leicht davon reden, wenn der israelische Kollege dann über seine Erfahrungen berichtet. Und die Konferenz bringt auch etwas in dem Sinne, dass Israel das Gefühl haben kann – und das wollen wir ja fördern – dass es nicht alleine steht und sich auf die Gemeinschaft der rechtsstaatlich verfassten Demokratien verlassen kann. Und wenn wir raten, den Kampf gegen den Terror nur innerhalb der Regeln des Rechts zu führen, dann müssen wir auch Solidarität haben. Wir haben deshalb auch Wert darauf gelegt, dass die palästinensische Autonomiebehörde vertreten ist …

Das sehe ich, aber der Platz ist leer …

Ja, der Kollege wird heute Nachmittag kommen.

Wird der palästinensische Innenminister kommen?

Er wird kommen. Er hat zugesagt. Leider haben wir gestern Abend die Absage gehört. Dann haben wir gesagt: Das kann doch nicht richtig sein. Gut, es ist ein bisschen mühsam. Aber insgesamt glaube ich, dass es ein wichtiger Schritt ist. Deswegen habe ich mich auch sehr dafür eingesetzt.

Die Israelis sind in vielen Dingen nicht zimperlich – wenn es darum geht, ein Flugzeug abzuschießen, gezielte Tötungen, früher gab es Folter. Können wir Deutsche tatsächlich von den Israelis lernen, wie man mit Terror und Terroristen umgehen sollte?

Ja gut, zunächst einmal muss man sehen, dass die Situation in Israel ja eine völlig andere ist, als wir sie Gott sei Dank in Deutschland haben. Israel ist in einer Situation, wo ein Teil seiner Umwelt sein Existenzrecht bestreitet, und da steht man dann unter Regeln des Kriegsvölkerrechts. Da darf man dann auch militärische Mittel einsetzen. Die Israelis haben ja oft genug Kriege gehabt. Wenn ich mir die Raketenangriffe aus dem Libanon anschaue: Solche Bedrohungen haben wir Gott sei Dank in Europa nicht und ich hoffe, wir bekommen sie auch nicht. Trotzdem finde ich, können wir von den Israelis zunächst einmal lernen, dass sie sich diesen schwierigen (Rechts-) Fragen trotzdem stellen. Das haben wir gerade in dem Vortrag des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichts, Aahron Barak, gehört. Die Rechtssprechung dieses Gerichtshofs beschäftigt sich mit diesen schwierigen Fragen intensiver als andere (Gerichte in anderen Ländern). Aber wir sagen ja auch den Israelis, das Folterverbot nicht in irgendeiner Weise aufzulockern. Ich glaube, dass die letzten Folgen schlimmer sind als die ersten.

In Ihrem Vortrag haben Sie den Entführungsfall Jakob von Metzler angesprochen. Der Frankfurter Polizeipräsident hatte dem Täter damals mit Schmerzen gedroht; er wusste nicht, dass der Junge schon tot war. Dennoch: Wenn das Folterverbot absolut ist, kann das Kind nicht gerettet werden.

Ja, das muss man dann in Kauf nehmen. Mir liegt daran, dass wir diese Debatte nicht nur national führen, dass wir sie auch nicht überheblich führen, sondern dass wir Israelis, Amerikaner, Europäer – am liebsten hätte ich auch mehr arabische Staaten dabei – und andere dazu bringen, sich diesen Debatten zu stellen. Und mein Plädoyer ist, dass wir gemeinsame Lösungen finden. Denn das haben wir ja gelernt. Wenn jeder für sich entscheidet, wenn also am Ende das Recht des Stärkeren gilt, dann werden wir den Kampf gegen den Terrorismus nicht wirklich gewinnen.

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