Olympia hat China verändert!



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im BILD-Interview

BILD: Herr Minister, hat Olympia China verändert? Oder hat China Olympia verändert?

Dr. Wolfgang Schäuble: Beides, aber eher hat Olympia China verändert. Sportstätten, Olympiadorf, Atmosphäre, Freundlichkeit oder Betreuung: Es waren eindrucksvolle und tolle Spiele. Mehr als 20.000 Journalisten haben sich frei bewegt, China hat sich in einem Maße der Weltöffentlichkeit geöffnet, wie man es sich in Zeiten der Ost-West-Teilung in Deutschland nicht hätte vorstellen können. Auch die Luft ist viel besser, als alle vorhergesagt haben. Eine insgesamt positive Entwicklung ? ohne über Probleme hinwegzugehen.

BILD: Glauben Sie, dass sich diese Entwicklung auch nach Olympia fortsetzt?

Schäuble: Die Verbesserung der Luftqualität wird eine Erbschaft von Olympia sein. Das hat mir der chinesische Sportminister Liu Peng versichert. Im Übrigen halten viele den Weg für unumkehrbar.

BILD: Was heißt das konkret für die Menschenrechte?

Schäuble: Wenn die chinesische Führung das System infrage gestellt sieht, nimmt sie keine Rücksicht auf die Grundfreiheiten, wie wir sie kennen. Deswegen bin ich strikt dagegen zu sagen: Es ist alles gut. Aber: Eine bedrückende Atmosphäre habe ich nicht festgestellt.

BILD: Kritiker sagen, die Spiele hätten seelenlos gewirkt.

Schäuble: Nein, überhaupt nicht. Beim Tischtennis spielte ein Afrikaner in der Runde der letzten 32, da hat man gespürt, wie ihn die ganze Halle angefeuert hat. Das war einfach toll. Man darf nicht vergessen, dass die Chinesen insgesamt zurückhaltender sind als wir Europäer.

BILD: Lässt die Situation in Peking einen Schluss auf das übrige China zu?

Schäuble: Natürlich leben in China noch immer einige Hundert Millionen Menschen in bitterer Armut. Aber: Ein Land entwickelt sich auch aus seinen Zentren heraus, aber die chinesische Führung will auch das flache Land entwickeln. Die Größe dieser Aufgabe und das, was schon erreicht wurde, verdienen Respekt.

BILD: Sie sind Leichtathletik-Fan. Was halten Sie von Usain Bolts Fabel-Leistungen im Sprint?

Schäuble: Ich kann verstehen, wenn viele sagen: Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Aber das Prinzip der Unschuldsvermutung gilt auch im Sport. Es ist schade, dass jede herausragende Leistung immer gleich unter Doping-Verdacht steht.

BILD: Zufrieden mit den deutschen Medaillen?

Schäuble: Wir haben uns im Medaillenspiegel gegenüber 2004 in Athen verbessert. Das ist ein toller Erfolg. Aber: Wenn in bestimmten Disziplinen alle Deutschen nicht ihre Bestleistungen erreichen, dann spricht das dafür, dass man nicht auf dem Stand modernster Trainingsmethoden ist. Wir werden Sportart für Sportart sehr kritisch prüfen und schauen, was andere besser machen. Und dann Konsequenzen ziehen.

BILD: Herr Minister, in Deutschland ist massenhafter Datenklau ein großes Thema. Sind die Menschen allzu leichtfertig?

Schäuble: Klar ist: Bei Straftaten ist nicht das Opfer schuld, sondern der Täter. Klar ist aber auch: Wenn man gar nicht merkt, dass einem das Portemonnaie aus der Hosentasche geklaut wird, dann wird es schwierig. Ich kann allen Verbrauchern nur raten: Gehen Sie mit Ihren Daten zurückhaltend um, kontrollieren Sie Ihre Kontoauszüge. Und überall Einzugsermächtigungen zu erteilen, ist falsch.

BILD: Brauchen wir neue Gesetze?

Schäuble: Es sind eine Menge Ideen und Vorschläge auf dem Markt. Ich selbst bin skeptisch, ob wir neue Gesetze brauchen. Die Verantwortlichen und Experten von Bund und Ländern müssen jetzt gemeinsam das Ganze gründlich analysieren und überlegen, wie wir dem Datenklau im privaten Bereich das Handwerk legen können. Ich lade deshalb für nächste Woche meine Ministerkollegen Zypries, Glos und Seehofer, den Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar und natürlich auch Ministerkollegen und Datenschützer aus den Ländern zu einem Gespräch ein.

BILD: Sind die staatlich erhobenen und gespeicherten Daten sicher?

Schäuble: Sie sind sicherer als die Daten, die im privaten, nicht-öffentlichen Bereich umlaufen. Sie sind auch sicherer als in anderen europäischen Ländern.

Von KAI FELDHAUS