„Mir macht Politik Freude“



Im Interview mit Caren Miosga von den ARD-Tagesthemen beschreibt BundesfinanzministerDr. Wolfgang Schäuble, warum es ihm auch nach über vierzig Jahren im Deutschen Bundestag noch Spaß macht, sich politisch zu engagieren. Nach den Worten des Bundesfinanzministers ist die konstituierende Sitzung des 18. Deutschen Bundestages nicht nur für die erstmals im Parlament vertretenen Abgeordneten „ein besonderer Akt im Leben unserer parlamentarischen Demokratie“.

ARD: Als er in den Bundestag kam, war er auch noch blutjung. Gerade mal 30 Jahre alt war Wolfgang Schäuble, als er Abgeordneter wurde und das Parlamentsfernsehen noch schwarz-weiß war. Seit mittlerweile vier Jahrzehnten gehört er dem Bundestag an und so begrüße ich den Dienstältesten Abgeordneten. Guten Abend, Herr Schäuble.

Schäuble: Guten Abend, Frau Miosga.

ARD: Herr Schäuble, seit fast 41 Jahren im Bundestag und nun sollen Sie jüngst auch noch gesagt haben: „Die nächsten 30 Jahre schaffe ich auch noch.“ Warum tun Sie sich das an?

Schäuble: Mir macht Politik Freude. Und ich bin im Augenblick wieder ganz gesund. Es war auch schon mal anders. Deswegen glaube ich, dass ich die nächsten Jahre meine Aufgabe gut erfüllen kann und es mir Freude macht und mir die Menschen in der Wahl ihr Vertrauen geschenkt haben – also ist alles gut.

ARD: Gucken wir mal an den Anfang. Wie war das, als Sie im Jahr 1972 als junger Spund in die Politik kamen? Die CDU war in der Opposition und blieb da auch. Waren Sie damals voller Tatendrang und haben gedacht: „Na denen zeige ich jetzt mal, wo es langgeht.“

Schäuble: Naja, ich bin schon ein bisschen ehrfürchtig dahingekommen. Ich beobachte es übrigens auch bei den Kollegen, die jetzt neu im Bundestag sind. Ist ja eine große Anzahl. Die Menschen spüren schon, dass es was Besonderes ist, Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu sein. Und bei der Konstituierung darf man da auch nicht nur die Routine empfinden. Es ist ein besonderer Akt im Leben unserer Parlamentarischen Demokratie und das hat seine eigene Würde. Und wenn man das erste Mal als junger Mensch da ist, ist es natürlich nochmal anders, wie wenn das schon ein paar Mal – so wie ich – erlebt hat.

ARD: Es hat sich ja sehr viel getan seit 40 Jahren. Früher gab es ideologische Gräben, heute ist Politik viel komplexer geworden. Und durch die Medien, auch durch die Medien sind Politiker, wie die, die jetzt frisch in den Bundestag einziehen, vor allem Marketingexperten in eigener Sache geworden. Ist das was Schlechtes?

Schäuble: Ach, die Welt und die Gesellschaft ist anders. Als ich den Film über die Fußballweltmeisterschaft 1954 gesehen habe, habe ich auch gedacht: „Mein Gott, ist es wirklich so gewesen?“ Unser Leben, unsere gesellschaftlichen Veränderungen, alles hat sich unglaublich verändert. Wenn Sie Berlin anschauen, das erkennen Sie auch nicht wieder, wenn Sie das Berlin von 1972 nehmen. Und so ist die Politik anders geworden. Deswegen ist es ja auch nicht langweilig. Auch nach einigen Jahrzehnten, weil es immer neu ist. Immer neue, ganz neue faszinierende Herausforderungen. Ich finde, sich politisch engagieren zu können ist wirklich etwas, was unheimlich Freude macht. Und wir haben ja so riesige Aufgaben. Da wird es einem nicht langweilig.

ARD: Als Sie in den Bundestag kamen, Herr Schäuble, da war das noch die Zeit, als Männer mit Zigarre Politik machten und die Frauen das Glas Mariacron anreichten. Wie hat sich der Bundestag verändert, seitdem die Frauen mittrinken?

Schäuble: Naja, als ich in den Bundestag kam, wurde Annemarie Renger die erste Bundestagspräsidentin. Ganz so ist es auch nicht, dass die Frauen da nur mit Schürzchen und Häubchen rumgelaufen sind. Und mit dem Rauchen: Ich habe auch lange geraucht und irgendwann haben wir beschlossen, dass wir es aufgehört haben.

ARD: Aber früher polterten Wehner und Strauß und heute singt Frau Nahles Pipi Langstrumpf.

Schäuble: Ach ja, nein. Noch einmal: Das war eine andere Generation. Die hatte den Krieg hinter sich, die hatte die Nazi-Barbarei hinter sich, die hatte ihre eigenen Lasten ihrer Vergangenheit. Dagegen sind wir heutigen – und ich bin in der Nachkriegszeit aufgewachsen, ich bin 1942 geboren – wir wissen ja gar nicht, was die Generation vor uns alles mitgemacht hat. Und wenn man das dann vergleicht und wenn man sich ein Gefühl für Geschichte bewahrt, da wird man ein Stück weit demütig auch und auf der anderen Seite denkt man: „Herrschaft nochmal, wir werden doch die Chance etwa Europa weiter zu Einen jetzt nicht verspielen!“ Wir haben es so viel besser, als die Generation vor uns. Natürlich riesige Aufgaben, wenn ich in den nahen mittleren Osten schaue und all die Probleme, wie die Welt sich verändert, wie Integration und Migration unserer…

ARD: Herr Schäuble, ich unterbreche Sie nur ungerne, aber ich habe noch eine andere Frage. Sie waren nämlich auch mal Oppositionsführer. Das war 1998, als Gerhard Schröder Kanzler wurde.

Schäuble: Ja.

ARD: Weil wir heute so viel darüber diskutieren: Haben Sie eigentlich Mitleid mit Gregor Gysi, das er nur mit so einer kleinen Truppe gegen Sie antreten muss?

Schäuble: Nein, ich meine, die große Koalition ist die Ausnahme. Die Regel ist etwas anderes. Wir haben es ja auch versucht, aber nun versuchen wir mit der SPD eine stabile Regierung zu machen. Das war übrigens von 1969 bis 1972, hatten wir auch eine große Koalition. Und von 2005 bis 2009 auch. Die Welt geht nicht unter. Wir werden eine gute Arbeit leisten.

ARD: Und die Opposition bekommt mehr Rechte?

Schäuble: Die Opposition hat ihre Rechte, aber sie ist nicht stärker als der Wähler entschieden hat. Wir wollen auch nicht vergessen, die haben jeweils etwa 8 Prozent. Die CDU allein hat fast 42.

ARD: Herr Schäuble, Sie sollen sich bis ins nächste Jahr hinein schon die Termine für die internationalen Gipfel vorgemerkt haben. Stimmt das?

Schäuble: Es ist eine neue Form, eine Frage zu stellen, bei der ich mir angewöhnt habe, freundlich zu lächeln.

ARD: Sie haben nämlich jetzt, Sie ahnen es schon, die einmalige Chance zu bestätigen, ob Sie Finanzminister bleiben. Ja oder nein?

Schäuble: Frau Miosga, es war schön, mit Ihnen zu sprechen.

ARD: Ich habe mich auch sehr gefreut. Vielen Dank, Herr Schäuble.

Zum Video