Rede von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009 (Haushaltsgesetz 2009) in der 174. Bundestagssitzung (Auszug aus dem Plenarprotokoll)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
In den Agenturmeldungen mit einer Übersicht über die Zahlen des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2009 ist der Geschäftsbereich des Bundesinnenministers mit einer Steigerungsrate von 10,5 Prozent ausgewiesen.
(Zuruf von der SPD: Unglaublich!)
Das ist natürlich ungeheuer erfreulich. Aber um diese einigermaßen befriedigende Ausstattung über die Haushaltsverhandlungen zu retten, will ich darauf hinweisen, dass diese Steigerungsrate zu einem wesentlichen Teil damit zu tun hat, dass der Haushalt des Bundesinnenministeriums in einem starken Maße durch Personalausgaben geprägt ist. Die Hälfte dieser Steigerungsrate ist durch die Auswirkungen der Tarif- und Besoldungsrunde und durch die endgültige Einführung des einheitlichen Liegenschaftsmanagements verursacht. Hinzu kommt die erhöhte Hauptstadtfinanzierung in Sicherheitsfragen. Einer der großen Erfolge, den wir nach jahrelangen Auseinandersetzungen nun doch auf den Weg gebracht haben, ist die Einführung des Digitalfunks für die Behörden der öffentlichen Sicherheit, die im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr mit rund 400 Millionen Euro zu Buche schlägt.
Das, was nach diesen Zahlen verbleibt, die man bei der Würdigung des Haushaltsentwurfs berücksichtigen muss, ist Ausdruck dafür, dass diese Bundesregierung die Aufgabe ernst nimmt, die freiheitliche Ordnung dieses Landes und die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger in dem notwendigen und angemessenen Maße zu sichern. Freiheit sicher zu machen, ist die eigentliche Aufgabe.
Ich will ein Beispiel dazu nennen, das übrigens den Haushalt 2008 und 2009 in entscheidendem Maße prägt. Alles, was gut läuft, findet in der Öffentlichkeit nicht allzu viel Aufmerksamkeit.
(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Das ist das Problem!)
Ich hatte im Vorhinein mehr Sorgen, als sich dann verwirklicht haben, ob es gelingen würde, die Abschaffung der Grenzkontrollen an den östlichen Grenzen unseres Vaterlandes in Erweiterung des Schengener Abkommens so zu bewerkstelligen, dass sie nicht zur Beunruhigung der Bevölkerung und zu einem Verlust an Sicherheit führt. Das ist dank einer hervorragenden Zusammenarbeit mit den Polizeien der Länder wie mit den Polizeien der betroffenen Nachbarländer Polen und der Tschechischen Republik in einem hervorragenden Maße gelungen. Das zeigt, dass wir mehr Freiheit in Europa ermöglichen. In einem Europa ohne Grenzen und ohne Kontrollen an Binnengrenzen von Lissabon bis Helsinki reisen zu können, ist ein großer Freiheitsgewinn. Und dies in Sicherheit zu ermöglichen, zeigt, dass wir eine verantwortungsvolle Politik machen.
(Beifall bei der CDU / CSU, der SPD und der FDP sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist notwendigerweise mit einer grundlegenden Reform der Bundespolizei verbunden ? auch das ist keine einfache Aufgabe und nach den vielen Neuorganisationen, die der Bundespolizei bzw. dem damaligen Bundesgrenzschutz und den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in den Jahren seit dem Ende des Kalten Krieges zugemutet werden mussten, auch keine Kleinigkeit ?, die auf einem guten Weg ist und Schritt für Schritt vorankommt und die auch in dieser Zeit des Übergangs nicht zu einer Beeinträchtigung der Leistungs- und Einsatzfähigkeit der Bundespolizei geführt hat.
Ich will die Gelegenheit nutzen, allen, die dafür auch persönliche Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müssen, und auch allen Personalvertretungen, die daran mitwirken, meinen Dank und meinen Respekt auszudrücken. Es zeigt das verantwortungsbewusste und starke Engagement jedes einzelnen Polizeibeamten für die Sicherheit unseres Landes und für die Bürgerinnen und Bürger. Das gilt auch für die Polizeien der Länder.
(Beifall bei der CDU / CSU, der SPD und der FDP)
Das bringt mich zu einer Bemerkung, die immer wieder notwendig ist: Die föderale Ordnung unseres Landes mit der vorrangigen und überwiegenden Zuständigkeit der Länder für diese Aufgaben ist gut und bewährt. Deswegen ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller für die innere Sicherheit Verantwortlichen ? Länder und Bund ? eine notwendige Voraussetzung. Ich glaube übrigens, dass wir mit der Entscheidung der Föderalismusreform I, dem Bundeskriminalamt entgegen der bisherigen Systematik der Sicherheitsarchitektur unseres Grundgesetzes eine Präventivbefugnis für die Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus zu übertragen, eine richtige Entscheidung getroffen haben. Wir sind gerade dabei, sie in der Gesetzgebung umzusetzen. Gestern hat dazu eine Anhörung stattgefunden. Ich hoffe zuversichtlich, dass wir mit der notwendigen gründlichen Beratung zu einer zügigen Verabschiedung des Gesetzentwurfs kommen. Wir haben im Haushaltsentwurf mit Sach- und Personalmitteln Vorsorge dafür getroffen, dass das Bundeskriminalamt in der Lage ist, diese Aufgaben wahrzunehmen und zu erfüllen, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Ich hoffe auf eine zügige Beratung des Gesetzentwurfs.
Ich will hinzufügen, dass die Bedrohung durch den internationalen, insbesondere islamistischen Terrorismus nicht abgenommen hat. Nach dem Bericht von Europol sind allein im vergangenen Jahr über 200 islamistische Terrorverdächtige in Europa verhaftet worden. Wir müssen die Bedrohung ernst nehmen. Deswegen ist es richtig, dass wir ohne überzogene Aufregung, aber konsequent und Schritt für Schritt das Mögliche tun, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger und das Funktionieren unserer Freiheitsordnung auch für die Zukunft zu gewährleisten.
(Beifall bei der CDU / CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir alle haben in den vergangenen Monaten gelernt ? auch das gehört zu einem Überblick über die Aufgaben innerhalb des Geschäftsbereichs des Einzelplans 06 ?, dass das, was wir schon immer gesagt haben, zutrifft: Die Freiheitsrechte ? auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland ? werden nicht durch den Staat und seine staatlichen Organisationen, auch nicht durch die Polizeien, gefährdet. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass auch die Grundrechte auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung im nichtöffentlichen Bereich durch leistungsfähige Verwaltungen gewährleistet werden.
Wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Aus den Erfahrungen, die etwa die Telekom in ihrem Bereich machen musste, haben wir die richtigen Konsequenzen gezogen. Wir haben in den vergangenen Wochen mit den Verantwortlichen für den Vollzug des Datenschutzgesetzes in den Bundesländern ? das ist sehr unterschiedlich konstruiert ? und den Datenschutzbeauftragten darüber gesprochen, welche Schlussfolgerungen wir ziehen. Wir haben innerhalb der Bundesregierung verabredet, dass wir die Koalitionsvereinbarung mit dem Entwurf eines Gesetzes für ein freiwilliges Datenschutzaudit umsetzen, mit dem wir im Sinne eines Benchmarking weitergehende Fortschritte und Erkenntnisse Schritt für Schritt zuerst freiwillig umsetzen und dann verpflichtend Regelungen erlassen können. So können wir angesichts der rasanten Entwicklung in einem ständigen Prozess von Trial and Error bleiben. Wir haben zugleich verabredet, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, der vorsieht, dass in Zukunft die Nutzung und Übermittlung personenbezogener Daten zum Zweck des Adresshandels nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen zulässig sein sollen. Wir wollen ein Kopplungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen, die sich unabhängig von einem Abschluss daran halten müssen, sowie eine Erweiterung der Bußgeldtatbestände und gegebenenfalls erweiterte Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung vorschlagen. Das hat die Zustimmung aller Datenschutzbeauftragten gefunden. Ich werbe dafür, auf diesem Weg voranzugehen.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es Ihre uralte Forderung ist!)
Wichtig ist aber auch: Nur ein funktionierender und leistungsfähiger Rechtsstaat ist in der Lage, den Datenschutz zu gewährleisten. Auch das gehört zur ganzen Wahrheit. Deswegen können wir vielleicht in der Zukunft manche Debatten etwas weniger voreingenommen führen.
(Beifall bei der CDU / CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will in der gebotenen Kürze noch eine Bemerkung dazu machen, dass wir für den Fall, dass alle Vorkehrungen nicht funktionieren ? es passieren immer Unglücke ?, die Zusammenarbeit der Verantwortlichen von Bund und Ländern im Bereich des Bevölkerungsschutzes leistungsfähig erhalten müssen. Deswegen haben wir das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit über 100 Millionen Euro im vorliegenden Haushaltsentwurf angemessen ausgestattet. Gleiches gilt für das Technische Hilfswerk, das übrigens im Inland wie im Ausland zunehmend zu einem Gütezeichen für die Bundesrepublik Deutschland wird. Ich möchte mich bei den Helferinnen und Helfern sowie bei der großen Zahl der ehrenamtlich Tätigen ausdrücklich bedanken.
(Beifall bei der CDU / CSU, der SPD und der FDP)
Wir sind auf einem guten Weg, im Einvernehmen mit den Bundesländern die Fragen nach Steuerung und Koordinierung so zu regeln, dass wir die vorhandenen Kapazitäten von Bund und Ländern im Zivil- und Bevölkerungsschutz optimieren. Wir müssen dazu in dieser Legislaturperiode noch einen Gesetzentwurf vorlegen; dafür werbe ich. Aber ich rate auch hier dazu, an der grundsätzlichen Zuständigkeit der Bundesländer nicht zu zweifeln und angesichts der Debatten über eine Zentralisierung des Katastrophenschutzes auf europäischer Ebene vorsichtig darauf hinzuweisen, dass ein ortsnaher, dezentraler und ehrenamtlicher Bevölkerungs- und Katastrophenschutz die bessere Lösung ist und mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet.
(Beifall bei der CDU / CSU, der SPD und der FDP)
Darüber müssen wir bei anderer Gelegenheit vertieft diskutieren.
Genauso wichtig wie alles, worüber ich bislang gesprochen habe, sind aus Sicht des Innenministers die Fragen: Was hält eine freiheitliche Gesellschaft eigentlich zusammen? Wie sichern wir Toleranz, ein friedliches Miteinander und Offenheit? Deswegen ist alles, was wir auf dem Feld der Integration und im Dialog mit Menschen unterschiedlicher Religionen machen, von zentraler Bedeutung für die Nachhaltigkeit unserer humanitären Freiheitsordnung. Für die Motivation unserer Gesellschaft ist es auch von großer Bedeutung, dass wir jungen Menschen die Möglichkeit bieten, im internationalen Wettbewerb mit der Spitze ? auch im Sport ? Schritt zu halten. Das heißt, die Sportförderung ist auch etwas, das unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit unserer Freiheitsordnung wichtig ist. Wir müssen wettbewerbsfähig und leistungsorientiert sein. Wir dürfen nicht kommandieren. Wir wollen keine Staatsorganisation. Aber wir müssen zeigen, dass wir im Wettbewerb mit staatlichen Systemen wettbewerbsfähig sind. Deswegen werbe ich dafür, die Sportförderung auf einem hohen Niveau fortzuschreiben. Es gibt großen Handlungsbedarf, wenn es um die Sportorganisationen geht. Wir werden mit den zuständigen Kollegen darüber reden. Wir sollten uns von der Medaillenstatistik der Olympischen Sommerspiele nicht täuschen lassen. Nicht in allen Bereichen ist die Entwicklung gut. Ich erwarte im Sinne der Subsidiarität schon, dass die Verantwortlichen im autonomen Sportbereich das Optimale tun, sodass wir die Sportförderung der Spitzensportler mit öffentlichen Mitteln weiterhin rechtfertigen können.
(Beifall bei der CDU / CSU)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich für die Unterstützung der Arbeit.
Ich werbe dafür, dass in den Haushaltsberatungen die notwendigen Prioritäten im Einzelplan 06 auch durch das Parlament entsprechend unterstützt werden.
Herzlichen Dank.