Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in der zweiten Beratung des Einzelplans 06 im Rahmen des Haushaltsdebatte in der 188. Bundestagssitzung (Auszug aus dem Plenarprotokoll)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst auch einmal sehr bedanken: Die Haushaltsberatungen waren ‑ das müssen sie ja auch sein ‑ intensiv, was von guter Partnerschaft zeugt. Ich glaube, mit dem Ergebnis, das wir dabei erzielt haben, kann das Innenministerium die Aufgaben, die sich dem Bund im Bereich der Innenpolitik stellen, gut erfüllen.
Ich habe schon bei der ersten Lesung darauf hingewiesen: Die Steigerungsrate täuscht, weil darin viele Sonderposten enthalten sind. Ich glaube aber, wir haben gemäß dem Prinzip, dass wir mit begrenzten Mitteln auskommen müssen ‑ es handelt sich ja um Steuergelder, und die Lage ist ernst ‑, vernünftige Ergebnisse erzielt.
Die Innenpolitik dient in allen Bereichen dem Ziel, unsere Freiheitsordnung nachhaltig zu machen. Deshalb, weil Sie, Herr Kollege Nouripour, es gerade angesprochen haben, würde ich zunächst einmal gern eine Bemerkung zur Deutschen Islamkonferenz machen. Sie warten auf Ergebnisse. Wenn Sie sich die Wirklichkeit in diesem Land ein bisschen unvoreingenommen anschauen, dann werden Sie überhaupt nicht bestreiten können, dass im Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen und zwischen den Muslimen in ihrer Vielfalt eine ganze Menge geschehen ist. Ich habe gestern mit dem türkischen Staatsminister für Religion und für Türken im Ausland Sait Yazıcıoglu ein langes Gespräch geführt. Wir haben am Samstag in München den Eugen-Biser-Preis an drei Muslime verliehen. Ich habe die Festrede dazu gehalten. Es wird niemand ernsthaft bestreiten, dass sich etwas an dem Verhältnis verändert. Das gilt übrigens auch auf Seiten der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft. Das ist der Sinn dieser Islamkonferenz.
Wir haben zum Beispiel im März dieses Jahres in der Vollversammlung zwischen den 15 unterschiedlichen muslimischen Teilnehmern und den 15 Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen einvernehmlich Regeln festgelegt, wie der Religionsunterricht im Sinne von Art. 7 als Bekenntnisunterricht an staatlichen Schulen in Deutschland durchgeführt werden kann. Wir haben diese der Kultusministerkonferenz übermittelt, deren Präsidentin an der Islamkonferenz teilnimmt. Die Länder haben nun die Voraussetzungen, um dies Schritt für Schritt zu verwirklichen, die Lehrerausbildung und die Curricula anzupassen. Entsprechendes wird sich natürlich auch an den Hochschulen in dem Sinne entwickeln, wie es nach unseren bewährten Prinzipien im Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften nur geht und auch richtig ist. Da hat sich etwas bewegt. Das geht nicht auf Knopfdruck. Solche Dinge gehen nie auf Knopfdruck, aber es bewegt sich. Das dient der Nachhaltigkeit unserer Ordnung von Freiheit und Toleranz. Deshalb ist das richtig.
Gleiches gilt für die Integration. Es ist gut, dass wir jetzt dort die Mittel erhöhen. Frau Kollegin Hagedorn, Sie haben gesagt, die Mittel waren schon einmal höher etatisiert. Das ist wahr. Damals sind sie aber nicht abgeflossen; selbst im letzten Jahr noch nicht.
Deshalb haben wir von Jahr zu Jahr gesagt: Sobald die Nachfrage höher ist, was wir hoffen, müssen wir die Mittel entsprechend erhöhen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass dies im Haushaltsausschuss gelungen ist. Ich will mich ausdrücklich dafür bedanken. Man kann darüber streiten, ob man das früher hätte wissen können oder nicht. Die Nachfrage hat sich im Laufe dieses Jahres verstärkt. Wir sind uns darüber einig und es ist erfreulich, dass sie nicht in erster Linie Neuzugewanderte betrifft. Es sind vor allem Frauen und Mütter, die schon länger da sind. Das wollen wir auch, und zwar gerade im Interesse der Kinder.
Man muss übrigens auch gar nicht mehr darüber streiten, dass die Regelung im Aufenthaltsgesetz, über die wir lange gestritten und die wir dann eingeführt haben, besagt, dass wir für den Familiennachzug ein Minimum an Deutschkenntnissen zur Voraussetzung machen. Das wirkt sich vor allem auch insofern segensreich aus, als alle begreifen, dass nicht nur die Kinder Deutsch lernen müssen, damit sie im Bildungs- und Ausbildungssystem unseres Landes Chancen haben. Auch die Eltern sollten Deutsch sprechen. So kommen wir auf diesem Weg voran.
In diesem Sinne ist es auch wichtig, dass wir weiterhin dem freien Sport in unserem Lande helfen, um im härter werdenden Wettbewerb der Besten der Welt Schritt zu halten, eine Position zu verteidigen oder dort, wo wir besser werden können, auch besser zu werden. Deshalb bin ich auch sehr dankbar dafür, dass es im Rahmen der Haushaltsberatungen gelungen ist, die immer knappen Mittel aufzustocken. Das ist ein wichtiger Punkt.
Das, was in der Debatte zum Technischen Hilfswerk gesagt wurde, will ich auch von meiner Seite aus ausdrücklich unterstreichen. Das ist wirklich vorbildlich. Ich weiß nicht, ob das im Bereich des Innenministeriums wirklich das Beste ist. Wir haben hier viel Gutes. Es ist aber vorbildlich, dass wir für eine Katastrophenschutzorganisation nicht nur hervorragende hauptberufliche Mitarbeiter haben, sondern vor allem auch 80 000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Das ist ein Gütezeichen für die Lebensfähigkeit und für die Vitalität unserer freiheitlichen Lebensordnung.
Diese freiheitliche Lebensordnung wird nachhaltig sein, wenn die Menschen auch darauf vertrauen können, dass der Staat diese Freiheitsrechte schützt. Der Staat bedroht die Freiheitsrechte nicht. Das ist ein verbreiteter Irrtum, der von manchen bewusst geschürt wird.
Es gibt keine Freiheit, ohne dass auch eine Instanz im Sinne des staatlichen Gewaltmonopols vorhanden ist, die diese Freiheitsrechte schützt. Es gibt keine Freiheit ohne Regeln, und es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung.
Freiheit braucht einen Rahmen, nur so ermöglicht dieser Verfassungsstaat überhaupt Freiheit. Deshalb brauchen wir eine leistungsfähige Polizei. Das ist und bleibt in unserem Land zuallererst Sache der Bundesländer. Diese föderale Grundstruktur hat sich bewährt.
Ergänzend haben wir die Bundespolizei. Die Standorte der Bundespolizei ‑ ich möchte darauf aufmerksam machen, so steht es im Gesetz ‑ werden vom Bundesinnenminister im Einvernehmen mit den Regierungschefs der Bundesländer festgelegt. So ist die Regelung im Gesetz. Ich habe sehr bewusst entschieden, dass das neu zu bildende Bundespolizeipräsidium in einem neuen Bundesland liegen soll. Das hat mit vielen Beschlussfassungen in diesem Hause im Zusammenhang mit dem Umzug und der Überwindung der Folgen der deutschen Teilung zu tun.
Ich würde aber doch bitten, dass, wenn wir über die Bundespolizei reden, Frau Kollegin Piltz und die anderen, die das getan haben, nicht einen der großen Erfolge in diesem Jahr völlig zu unterschlagen, nämlich die Tatsache, dass es gelungen ist, die Kontrollen an unseren Grenzen abzuschaffen, ohne dass die vor einem Jahr reichlich vorhandenen Besorgnisse, dass das zu weniger Sicherheit führen würde, wahr geworden wären.
‑ Entschuldigung, ich komme in zwei Wochen wieder mit meinen Kollegen aus der Region, aus den Bundesländern, Polen und Tschechien, zusammen, und dann werden wir Bilanz ziehen. Sie können mit den Betroffenen in der Region sprechen. Die Besorgnisse sind alle nicht wahr geworden. Es ist uns gelungen, ein Europa ohne Grenzkontrollen mit nicht weniger Sicherheit zu schaffen. Das ist ein großer Erfolg, und das zeigt: Freiheit und Sicherheit gehören zusammen.
‑ Frau Kollegin Jelpke, das ist ein offensichtlich bewusst verbreitetes Missverständnis. Indem Europa noch an seinen Außengrenzen kontrolliert, schottet es sich nicht ab. An den Binnengrenzen wird weniger kontrolliert. Das ist ein Fortschritt, den wir nicht kleinreden sollten.
Das Bundeskriminalamtgesetz haben wir lange diskutiert und in diesem Haus verabschiedet. Am Freitag steht es auf der Tagesordnung des Bundesrates. Wie der Bundesrat entscheiden wird, werden wir sehen. Je nachdem, wie die Entscheidung ausfällt, ist im Grundgesetz geregelt, wie es weitergehen kann. Kommt das Bundeskriminalamtgesetz nicht zustande, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage.
‑ Ja, das ist schon wahr. Herr Kollege Wieland, es ist völlig legitim, diese Meinung zu vertreten. Der Verfassungsgesetzgeber hat allerdings vor zwei Jahren anders entschieden und zwar angesichts der Intensität der Gefahr durch den internationalen Terrorismus.
So legitim es ist, dass Sie Ihre Auffassung vertreten, so legitim ist es auch, darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgesetzgeber anders entschieden hat.
Ich füge hinzu: In der vergangenen Woche hat in Potsdam eine Konferenz der Innenminister und -senatoren der Bundesländer stattgefunden. Von 16 Innenministern haben 15 gesagt, wir brauchen das Gesetz. Nur der Kollege Wolf hat gesagt, er sei immer dagegen gewesen, dem Bundeskriminalamt diese Aufgabe zu übertragen. Alle anderen 15 haben gesagt, wir bräuchten dieses Gesetz dringend. Sollte es nicht zustande kommen, bleibt es bei der ausschließlichen Zuständigkeit der Länderpolizeien zur Abwehr der Gefahren durch den internationalen Terrorismus. Anderenfalls werden wir einen Weg finden. Wir haben gesagt, wir führen den Auftrag des Verfassungsgesetzgebers aus.
Ich will noch eine Bemerkung machen: Glauben Sie doch nicht, dass ich so blöd wäre, zu glauben, man könne die Abstimmungsregeln im Bundesrat verändern. Das Thema, das in den Koalitionsverträgen auf Länderebene zu leicht geschrieben wird, sich bei Uneinigkeit in Bundesratsabstimmungen zu enthalten, weitet sich im Lauf der Jahre zunehmend zu einem Problem aus.
‑ Entschuldigung, wir reden von der Föderalismuskommission. Der Kollege Körper und ich sind für die Große Koalition in dieser Arbeitsgruppe die beiden Federführenden. In dieser Eigenschaft haben wir den Brief an die beiden Vorsitzenden geschrieben. Das ist absolut legitim. Diese Debatte werden Sie nicht los; das hat mit dem Bundeskriminalamtgesetz nichts zu tun. Aber die Debatte um das Bundeskriminalamtgesetz zeigt, dass es absurd ist, dass die Länder erst sagen, sie bräuchten das Gesetz dringend, und sich anschließend im Bundesrat enthalten. Das geht so nicht weiter.
Frau Kollegin Piltz, ich will Ihnen ganz freundschaftlich noch etwas sagen: Wenn wir in unserem Land Probleme haben, von denen wir wissen, dass sie gelöst werden müssen, dann ist es doch notwendig, dass wir darüber reden. Dann ist es falsch, dass man jedes Mal, wenn ein Vorschlag gemacht wird, mit einem Geschrei anfängt, als fürchte man die Debatte. Ich finde, die freiheitliche Demokratie bewährt sich in der offenen Debatte.
Deswegen ist der Versuch, Debatten immer zu verhindern und zu verbieten, im Grunde mit einem liberalen Verständnis von freiheitlicher Demokratie nicht zu vereinbaren.
Jetzt höre ich aus Ihrer Fraktion spöttische Bemerkungen über die schwierigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika, unter deutscher Beteiligung; es wird gesagt, da passten die Rechtsvorschriften nicht mehr. Als ich schon vor zwei Jahren gesagt habe, dass wir angesichts neuer Bedrohungen nationales wie internationales Recht auf seine Wirksamkeit überprüfen müssen, ist gesagt worden, dass sei ein Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit. Ich finde, wir sollten die Kirche im Dorf lassen, wir sollten ein bisschen abrüsten, und wir sollten wieder mehr über die Sache diskutieren, anstatt das Nachdenken über Probleme durch eine falsche Tabuisierung zu verbieten.
In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal für die gute Zusammenarbeit. Wir werden aus dem Haushalt das Beste machen. Ihre guten Wünsche zum neuen Jahr erwidere ich zu einem späteren Zeitpunkt, Frau Kollegin Hagedorn.
Ich bitte Sie, diesem Haushalt zuzustimmen, und bedanke mich für Ihre Unterstützung.