„Man ist traurig, aber es war auch ein schönes Fest, es war ein tolles Spiel und man muss einfach akzeptieren, die Spanier waren die besseren gestern Abend und sie haben verdient gewonnen.“



Bundesinnenminister im SWR2 – Tagesgespräch

Claus Heinrich: Spanien ist Fußball-Europameister geworden, nicht Deutschland. Deutschland  leider nur zweiter. Nach dem gestrigen Spiel muss man wohl sagen: gerechterweise. Haben Sie dennoch Worte des Trostes für die deutsche Trauergemeinschaft?

Dr. Wolfgang Schäuble: Zunächst einmal war es ein tolles Spiel und die Spanier haben ja gestern und die ganze Europameisterschaft gezeigt, dass sie einen wunderbaren Fußball spielen, dass sie blitzschnell sind, dass das Umschalten von Abwehr auf Angriff atemberaubend schnell geht. Sie haben alle Spiele gewonnen. Sie waren über das ganze Turnier einfach die stärkste Mannschaft. Ob wir über das ganze Turnier wirklich sagen können, wir waren die zweistärkste Mannschaft, darüber wird man noch eine Weile diskutieren können. Es ist eine tolle Leistung der Mannschaft, dass sie ins Finale gekommen ist. Wir haben ja auch Glück gehabt im Halbfinale, das wissen wir auch und wir haben nicht immer nur gutes Spiel gezeigt. Wir haben auch ein paar wunderschöne ? gegen Portugal war es ein traumhaft gutes Spiel. Aber  das geht nicht jeden Tag. Man ist traurig, aber es war auch ein schönes Fest, es war ein tolles Spiel und man muss einfach akzeptieren, die Spanier waren die besseren gestern Abend und sie haben verdient gewonnen.

Die deutsche Mannschaft hat, sie haben es angedeutet, mitreisdende, mittelmäßige aber auch durchaus schlechte Spiele gezeigt in diesem Turnier. War das gestern Abend in erster Line nur Pech?

Nein, das Spiel gestern Abend war auch nicht eines der schlechteren der deutschen Mannschaft. Man spielt immer so gut, wie es der Gegner zulässt. Und die Spanier waren ungeheuer stark. Wenn Sie sehen, dass diese Russen, die ja fantastischen Fußball gespielt haben, zwei mal gegen  die Spanier beim ersten Spiel ein bisschen auch unglücklich, aber im Halbfinale nun ohne jeden Zweifel klar 3:0 verloren haben, dann muss man gestern nicht sagen, die deutsche Mannschaft hat schlecht gespielt. Aber die Spanier haben besser, moderner, schneller gespielt und man wird in Deutschland weiter daran arbeiten müssen. Die Mannschaft ist noch nicht so, dass sie zwingend jedes Spiel gewinnen muss.

Aber die zahlreichen Fehlpässe nicht nur gestern Abend drängen aber doch immer wieder die Frage auf: fehlt der deutschen Mannschaft letztlich der selbstverständliche Umgang mit dem Ball, also die Spielkultur, die vor allem die mediterranen Mannschaften auszeichnet?

Ja gut, man spielt natürlich Fehlpässe, wenn man unter Druck ist. Das hat immer seine Ursache und in der Tat, was ich auch empfunden habe, war man hat nach der ersten Viertelstunde, wo die deutsche Mannschaft ja gestern Abend, man das Gefühl hatte, das kann heute klappen. Aber dann haben sie zu schematisch gespielt. Immer das selbe versucht. Zu wenig Varianten. Und so muss man einfach auch sehen, wenn man sich einmal anschaut, wie viele der Deutschen Spieler in den großen europäischen Vereinen, wenn ich jetzt einmal Bayern München beiseite lasse, die auch zu den großen europäischen Vereinen gehört, spielen, dann sind wir natürlich im Vergleich mit anderen Mannschaften nicht mit einem Übermaß an europäischen Spitzenspielern gesegnet.

Solche Tugenden, wie Disziplin, Flexibilität und körperliche Fitness sind ja nun längst schon kein deutsches Privileg mehr. Der unbedingte Wille zum Sieg, der spielerische Mängel ausgleichen kann, war vor allem bei den Türken und bei den  Russen zu sehen. Fast alle Mannschaften haben bei der Europameisterschaft mit variablen taktischen Konzepten gearbeitet. Spielen so gesehen nationale Besonderheiten eine immer geringere Rolle?

Ja, das Leistungsniveau ist ausgeglichener, es sind viel mehr Mannschaften, die gewinnen können. Von den Mannschaften, die in der Vorrunde ausgeschieden sind, hätten eine ganze Reihe auch das Halbfinale oder das Finale erreichen können, das muss man ja klar sehen. Sie sind alle ungeheuer schnell. Wir haben ja gestern wieder gesehen, ich zum ersten Mal, dass auch in Laufduellen die deutschen Abwehrspieler durchaus Mühe hatten mit ihren Gegnern gelegentlich mitzuhalten. Die anderen sind mindestens so fit, sie sind zum Teil jünger, es ist ja auch interessant, dass die auffälligste Mannschaften über das Turnier die jungen Mannschaften gewesen sind. Die Spanier haben eine junge Mannschaft, ungeheuer spritzig schnell, ungeheuer ballsicher, das ist schon faszinierend. Das ist Fußball auf höchsten Niveau.
Jetzt frage ich nicht nur den Sportminister, sondern den Innenminister: Vor zwei Jahren bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland sprachen ja viele vom entspannten Patriotismus der Deutschen. Fahnenschwenken ohne hässliche Fratze. An den Einstellungen der Deutschen gegenüber anderen Kulturen hat die Fußballweltmeisterschaft allerdings nichts geändert behauptet der Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer. Könnte es sein, dass diesmal das gemeinsame Feiern mit türkisch-stämmigen Menschen, vor allem beim EM-Halbfinale eine neue integrative Qualität des deutschen Event-Patriotismus gezeigt hat?

Also, erstens einmal fand ich es vor zwei Jahren schon toll. Ich meine, dass es irgendwelche Unbelehrbare gibt, dass bei den Mengen Alkohol, die ja hier auch konsumiert werden, es immer auch kleine Minderheiten gibt, die da krakelen oder auch gewalttätig werden, das ist leider nicht ganz zu vermeiden. Aber es war doch ein tolles Fest der Völkerverständigung, der Freundschaft und das hat man in der Tat sich bei dieser Europameisterschaft fortgesetzt, übrigens nicht nur zwischen Deutschen und Türken, aber das ganz besonders. Das war ja wirklich ein richtig schönes Fest. Das war übrigens auch gestern Abend, als die Spanier gewonnen hatten, haben die meisten deutschen Fans den Sieg der Spanier wirklich akzeptiert und mir hat zum Beispiel ein niederländischer Kollege aus der UEFA, der da auch im Rollstuhl sitzt, ein paar mal bei den Spielen neben mir gesessen hat, der hat gesagt: ihr Deutsche seid gute Verlierer. Und gegen die Türken war es wirklich fantastisch. Man hat gesehen, es ist schon ein miteinander und die Autos, die mit deutschen und türkischen Fahnen herumgefahren sind, die haben das schon ein bisschen symbolisch dargestellt. Es war vor zwei Jahren und es war jetzt noch einmal eine neue Dimension. Das ist rundum erfreulich.