Klare Kontrolle, Transparenz für alle Teile des Finanzgeschäfts



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Sendung „Bericht aus Berlin“

Der Minister hofft in einem ARD-Bericht aus Berlin-Interview auf eine dauerhafte Lösung für Griechenland bis zum nächsten Wochenende. „Das wird ohne eine Reduzierung der Gesamtverschuldung nicht gehen.“ Darüber hinaus müsse die Politik „überzeugend darlegen“, dass sie die Regeln mache. Wenn der Eindruck bleibe, dass die Politik von den Märkten nur getrieben werde, werde das eine „Krise des demokratischen Systems“

Bericht aus Berlin: Wird es einen Schuldenschnitt für Griechenland geben?

BM Schäuble: Wir werden hoffentlich bis zum nächsten Wochenende ein Gesamtpaket haben, was aus mehreren Komponenten besteht. Dazu gehört eine dauerhafte Lösung für Griechenland. Das wird ohne eine Reduzierung der Gesamtverschuldung nicht gehen. Die wird vermutlich höher sein müssen, als es im Juli ins Auge gefasst worden war… Das Prinzip muss klar sein: Eine tragfähige Lösung für Griechenland, mit einer Beteiligung des Privatsektors, ist ein Element… Es muss eine Beteiligung des Privatsektors sein, die ausreichend ist, dass wir mit Griechenland auf eine dauerhaft tragfähige Lösung kommen… Und dann müssen wir – das ist mindestens so wichtig – Vorsorge treffen, dass die Ansteckungsgefahren
in den Märkten bekämpft werden. Und dann müssen die andren Länder auch ihre Verpflichtungen erfüllen. Denn letzten Endes ist die Ursache der Krise die zu hohe Staatsverschuldung.

Bericht aus Berlin: Das sagen ja auch die Banken, die sich gegen eine Zwangskapitalisierung, gegen eine zu große Erhöhung des Eigenkapitals [Glossar] wehren.

BM Schäuble: Es ist eigentlich fast unstreitig, dass wir Ansteckungsgefahren im Bankensystem haben, weil die Kapitalausstattung der Banken knapp ist. Und wenn wir auf die sichere Seite kommen wollen – gerade angesichts der Gefahr von Übertreibung in den Märkten – ist eine wichtige Vorsorge, dass die Banken mit dem notwendigen Kapital ausgestattet sind. Das macht natürlich die Renditen für die Geschäfte kleiner… Aber wir haben 2008 erlebt, wie es anders geht. Und das werden wir nicht ein zweites Mal verantworten können.

Bericht aus Berlin: Weltweit regt sich der Protest gegen das Bankensystem. Haben Sie keine Sorge, dass das eine so große Bewegung werden könnte, dass die Banken und der Staat noch mehr Vertrauen verlieren?

BM Schäuble: Ich nehme das sehr ernst… Wir müssen überzeugend darlegen können, dass die Politik die Regeln setzt… Diesen Eindruck, (dass wir von den Märkten nur getrieben werden), müssen wir durchbrechen. Sonst wird es nicht nur eine Krise der sozialen Marktwirtschaft und der Finanzmärkte [Glossar], sondern eine Krise des demokratischen Systems…

Bericht aus Berlin: Kommt am Wochenende die Finanzmarkttransaktionssteuer zumindest für Europa?

BM Schäuble: Die wird sicherlich nicht am Wochenende kommen, das geht nicht so schnell. Aber wir haben jetzt immerhin erreicht, dass die Kommission dem Drängen Deutschlands und Frankreichs nachgekommen ist, einen Vorschlag vorgelegt hat. Jetzt müssen wir dafür arbeiten …, dass alle in Europa zustimmen… Wir brauchen eine europäische Lösung. Es ist auch ein wichtiges Instrument, um die zu große Beschleunigung in den Finanzmärkten ein Stück zu bekämpfen.

Bericht aus Berlin: Grünen-Chef Özdemir hat gefordert, es dürfe keine systemrelevanten Banken mehr geben.Ist das richtig?

BM Schäuble: Da macht er es sich ein bisschen zu einfach. Wir haben erst mal die Vernetzung der großen Finanzinstitute… Wir würden die Entwicklung in allen Kontinenten nicht leisten können, wenn die Finanzmärkte nicht so leistungsfähig wären…

Bericht aus Berlin: SPD-Gabriel sagt: Wir müssen Investment-Banking trennen von Geschäftsbanken, und beim Investment-Banking soll es keine Staatshilfen mehr geben.

BM Schäuble: Wir brauchen jedenfalls eine klare Kontrolle, Transparenz für alle Teile des Finanzgeschäfts, nicht nur für die klassischen Banken, sondern vor allen Dingen auch für den Schattenbanken-Sektor, und vor allen Dingen für die alternativen und innovativen Produkte. Es muss alles transparent und alles kontrolliert und geregelt sein.

Bericht aus Berlin: Wird jetzt noch an eine Reform des Weltwährungssystems gedacht, eine Forderung der französischen Präsidentschaft?

BM Schäuble: Ja, wir haben gerade in Paris in der Vorbereitung den Bericht der Arbeitsgruppe, die Deutschland und Mexiko gemeinsam geleitet haben, abgeliefert. Und dieser Bericht bringt eine Reihe von Verbesserungen, um das Weltwährungssystem stabiler zu machen.

Das Interview führte Ulrich Deppendorf.

Alle Rechte: ARD, Bericht aus Berlin.

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