Ist das Sparpaket wirklich gerecht, Herr Schäuble?



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Bild Zeitung

Von NIKOLAUS BLOME und JAN W. SCHÄFER

BILD: Herr Minister, das Sparpaket ist beschlossen. Sind Sie stolz darauf?

Wolfgang Schäuble: Stolz ist nicht das richtige Wort. Ich weiß, dass wir bei vielen schmerzhafte Reaktionen auslösen. Aber wir schaffen jetzt etwas, was kaum jemand für möglich hielt – die Defizite sinken, und wir halten die Schuldenbremse ein. Auf dem Weg zum fertigen Bundeshaushalt haben wir jetzt eine wichtige Wegmarke erreicht.

BILD: Warum wird dann aus der CDU genörgelt?

Schäuble: Wir haben vieles diskutiert, auch ich hatte manche Vorschläge, die nicht beschlossen wurden. Aber Politik in einer Koalition ist kein Wunschkonzert. Jetzt müssen alle das Paket vertreten, gerade in der CDU …

BILD:… Die Diskussion um eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes läuft schon.

Schäuble: Davon halte ich rein gar nichts. Kluge Ratschläge dazu habe ich in ausreichendem Maße benommen, wir müssen unser Paket jetzt den Bürgern erklären. Das zählt und das geht auch.

BILD: Wie erklären Sie Sozialkürzungen bei Hartz-IV-Empfängern, die ja nicht auf Rosen gebettet sind?

Schäuble: Natürlich fehlen einer Alleinerziehenden mit Hartz IV die 300 Euro Elterngeld, die wir streichen. Aber das Elterngeld ist eine Ersatzleistung für Gehaltsausfall. Hartz-IV-Empfänger beziehen kein Gehalt, also muss man auch nichts ersetzen. Noch einmal: Das ist in der Sache gut zu erklären. Nur darf dabei das Mitgefühl nicht fehlen.

BILD: Ist das Sparpaket wirklich gerecht?

Schäuble: Jede einzelne Kürzung ist gerechtfertigt. Bei den Arbeitsmarktprogrammen gibt es noch viel Unsinniges, das nichts bringt. Manche andere Ausgaben setzen keine Anreize, wieder regulär arbeiten zu gehen. Das ändern wir. Wahr ist aber auch: Sparen, ohne dass es weh tut, geht nicht. Wenn man Sozialleistungen kürzt, kann es nie ganz ausgewogen zugehen, weil Normalverdienende ja keine solchen Leistungen bekommen.

BILD: Wäre es nicht ein Signal von Ausgewogenheit gewesen, die Mehrwertsteuersenkung für Hotels zurückzunehmen?

Schäuble: Darüber könnte man lange reden. Aber diese Entscheidung ist gefallen, und ich halte nichts davon, getroffene Entscheidungen alle paar Monate wieder infrage zu stellen. Die generelle Prüfung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze wird bis 2013 dauern.

BILD: Was ist mit den Luftbuchungen bei Transaktions- und Brennelemente-Steuer?

Schäuble: Es gibt keine Luftbuchungen. Die Brennelemente-Steuer ist unabhängig vom Beschluss über längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Die Transaktionssteuer kommt, auch wenn ich nicht garantieren kann, dass sie weltweit kommt. Und die Luftverkehrsabgabe macht die Tickets kaum teurer. Die Luftraumsperrung wegen der Vulkan-Asche hat die Fluggesellschaften mehr Geld gekostet.

BILD: Wie sehr hat das Koalitionsklima unter der Spar-Diskussion gelitten?

Schäuble: Natürlich bin ich den anderen Ministern mächtig auf die Nerven gegangen. Am Ende aber haben alle gut mitgezogen, wir sind wirklich ein Team im Kabinett geworden.

BILD: Ein Team, in dem der eine den anderen „Rumpelstilzchen“ nennt?

Schäuble: Das habe ich nicht gehört. Die Verhandlungen waren hart. Das ist normal, weil jeder Koalitionspartner ja seine Festlegungen mitgebracht hat. Aber wer miteinander regieren will, muss Rücksicht aufeinander nehmen.

BILD: Stand die Koalition insgesamt auf der Kippe?

Schäuble: Nein. Nie.

BILD: Würgt das Sparen die Konjunkturbelebung ab?

Schäuble: Schon in 2010 kommen wir mit einer Neuverschuldung von rund 65 statt 80 Milliarden Euro aus. Und das Wachstum wird 2010 spürbar größer sein als geschätzt. Die Krise endet, das Sparen beginnt. So habe ich es immer gesagt.

BILD: Sind Steuersenkungen bis 2013 ausgeschlossen?

Schäuble: Heute schließe ich vor allem aus, darüber jetzt schon zu diskutieren.

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