BILD-Interview mit Finanzminister Wolfgang Schäuble von Nikolaus Blome
BILD: Herr Schäuble, die Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg war hoch. Kann die CDU nicht mehr gewinnen, wenn viele Menschen zur Wahl gehen?
Schäuble: Das Thema Atomenergie hat alles überlagert und massiv Wähler mobilisiert. Die CDU hat zwar absolut mehr Stimmen bekommen als bei der letzten Wahl, aber es hat nicht gereicht.
BILD: War die Atomwende der Regierung glaubwürdig?
Schäuble: Es war vollkommen richtig und notwendig, nach den Ereignissen von Japan unsere Position zu überdenken. Aber vielleicht haben wir manche Wähler mit diesem Schritt nicht überzeugen können.
BILD: viele europäische Länder bleiben bei der Atomkraft …
Schäuble: Die Deutschen sind nun einmal besonders sensibel in Atomfragen. Das war übrigens auch schon so als das Atomkraftwerk in Tschernobyl explodierte und Helmut Kohl Bundeskanzler war.
BILD: Wie sehr ist die CDU-Parteichefin Angela Merkel geschwächt?
Schäuble: Sie ist überhaupt nicht geschwächt. Die CDU bleibt die stärkste Volkspartei in unserem Land. Aber die Wähler sind sprunghafter geworden. Auch die CDU kann die eigenen Stammwähler in bestimmten Fragen nicht immer erreichen.
BILD: Grün zieht auch CDU-Stammwähler an?
Schäuble: In Baden-Württemberg hatten die Grünen u. a. unter den Beamten das beste Ergebnis. Wenn die Menschen keine Angst um den Arbeitsplatz haben, ist das gut für Grün. Aber die Grünen werden in der Regierungspraxis sehr schnell an ihre Widersprüche stoßen.
BILD: Die FDP braucht nach der Niederlage dringend Erfolge. Werden Sie ihr beim Thema Steuersenkung jetzt eher entgegenkommen?
Schäuble: Vorrang haben weniger Schulden. Und mit dem Unglück in Japan sind unsere Probleme bestimmt nicht geringer geworden. Niemand kann heute die Folgen dieser Katastrophe für die Weltwirtschaft abschätzen. Wir hatten und haben im Moment keinen nennenswerten Spielraum für Steuersenkungen bei dem Stand der Neuverschuldung. Den Spielraum müssen wir uns erst erarbeiten. Sobald wir ihn uns erarbeitet haben, werden wir ihn nutzen. Eine andere Erwartung sollte niemand wecken. Das führt nur zu Enttäuschungen.
Das Interview führte Nikolaus Blome.
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