„Universalität unserer Vorstellungen von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Menschenrechten wird ja von anderen nicht so ohne weiteres – jedenfalls nicht in der Art, wie wir westliche Vorstellungen für richtig halten – akzeptiert. Das ist nicht nur eine Debatte in der islamischen Welt, sondern, wenn ich es richtig verstehe, ist es ja auch die Basis einer Diskussion, die wir mit Russland vielfältig führen müssen, dass eben von russischer Seite – das mag man für richtig oder falsch halten – gesagt wird: ja, was ihr da betreibt, das läuft ja in Wahrheit nur auf eine Destabilisierung unserer Ordnung hinaus, die wir auch nicht so gerne lieben.
Die europäischen Weltmächte sind alle keine mehr. Das war ein schmerzlicher Prozess in den 70 Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir sind inzwischen noch nicht einmal mehr 10 % der Weltbevölkerung. Die Europäer, alle zusammen – wie groß auch immer die Europäische Union ihre endgültigen Grenzen ziehen wollen – wir sind weniger als 10 % der Weltbevölkerung. Wir werden also in diesem 21. Jahrhundert nicht mehr die Rolle spielen können, die sich die Europäer in früheren Jahrhunderten zugetraut und in Anspruch genommen haben und darüber hinaus wird es auch so sein, dass unsere Bedeutung in der Weltwirtschaft natürlich auch nicht größer wird. Andere werden größer und wettbewerbsfähiger. Der Wettbewerb wird intensiver, das alles ist wahr. Und trotzdem sind wir natürlich immer noch wirtschaftlich und darüber hinaus auch politisch in dieser Welt nicht irrelevant, sondern ziemlich viel und wenn man es gemeinsam tun, ganz erheblich. Und deswegen werden wir, und das ist die entscheidende Frage und das ist der entscheidende Zusammenhang der Fragestellung, die Sie mir stellen, nämlich die sicherheitspolitischen Konsequenzen der Finanzkrise oder umgekehrt, was eine leistungsfähige Finanz- und Wirtschaftsordnung mit der Sicherheitspolitik zu tun hat, sind wir genau beim Thema.
Wenn wir in dieser Welt für unsere Vorstellungen erfolgreich werben wollen, dann werden wir dies eher tun können, wenn wir zeigen, dass unsere Vorstellungen auch mit erfolgreichem Wirtschaften gut zu vereinbaren sind. Das Gewicht der emerging economies, der BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, sie haben sich in der BRICS-Gruppe vereinbart. Andere Staaten wie Türkei, Mexiko und Indonesien spielen zunehmend eine große Rolle auch im weltwirtschaftlichen Konzert, es findet statt. Und in diesem Konzert müssen wir uns behaupten und dazu müssen wir in Europa natürlich leistungsfähig sein und wettbewerbsfähig sein. Und das werden wir nur erreichen, wenn wir die wirtschaftliche Integration in Europa weiter voranbringen. Die Währungskrise als solche haben wir ganz gut überwunden entgegen allem Alarmismus.
Meine Damen und Herren, wenn man noch einmal die Schlagzeilen der Jahreszeit 2009/2010 Anfang 2010 Revue passieren ließe, was alles vorhergesagt worden ist, was alles schief gehen könne und wenn man sieht wie es gelungen ist, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzuführen, in dem man zunächst einmal gesagt hat, ihr könnt machen was ihr wollt. Wir sind politisch entschlossen, die europäischen Staaten, alle, auch Frankreich und Deutschland, alles zu tun um diese gemeinsame europäische Währung stabil zu halten. Und dann haben wir einen Mechanismus geschaffen, damit wir gesagt haben und weil es ja nicht eine Währung ist, die einen Staatshaushalt als „lender of last resort“ ein Stabilisierungsfonds.
Der ist aber nicht dazu da, dass er für alle möglichen guten Zwecke genutzt werden kann. Sondern er ist dazu da, dass er nicht gebraucht wird, damit man für den Fall, wenn man ihn bräuchte, ihn hat, das ist der europäische Stabilisierungsmechanismus. Wir müssen die Investitionen in Deutschland, vor allen Dingen private, aber auch öffentliche verstärken. Wir sollten es nicht tun, indem wir den finanzpolitischen Kurs aufgeben. Darüber gibt es auch unterschiedliche Meinungen. Meine feste Überzeugung ist, dass für das gute Wirtschaftsklima in Deutschland bei Investitionen und bei der privaten Konsumnachfrage die Verlässlichkeit der Finanzpolitik ein ganz entscheidendes Datum ist und dass ein Wechsel oder Zweifel an dieser Verlässlichkeit – sehen wir übrigens in der Regierung ganz gemeinsam, insbesondere wiederum Wirtschafts- und Finanzminister in gleicher Weise–, dass eine Aufgabe oder nur ein Infrage stellen dieses Assets wirtschaftlich uns vielmehr schaden würde als jedes kurzfristige Nachfrage stimulierende Programm verbessern könnte.
Effizientes Wirtschaften können andere auch. Es mit Demokratie, „rule of law“ und Nachhaltigkeit zu verbinden, kann nur der Westen. Aber unsere Werte werden uns umso mehr abgenommen je mehr wir zeigen, dass es auch funktioniert. Und deswegen ist für unsere Überzeugungskraft auch zur Durchsetzung politischer Ziele anstelle militärischer Auseinandersetzungen letzten Endes eine leistungsfähige, wirtschaftliche, finanzpolitische, europäische Integration ein wesentlicher Beitrag. Das ist bei weitem nicht alles, aber ohne eine stabile wirtschaftliche Grundlage wird jedenfalls dieses Europa seiner sicherheitspolitischen Verantwortung nicht gerecht werden können und deswegen fühle ich mich in die sicherheitspolitische Gesamtverantwortung mit eingebunden als Finanzminister.
Herzlichen Dank für Ihre Geduld.“