„Es drängt den Iren keiner etwas auf“



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Gespräch mit der FAZ

Die Iren wollten eigentlich kein Geld. Warum muss man es ihnen aufdrängen?

Es drängt den Iren keiner etwas auf. Richtig ist, dass die Erfahrungen, die wir in den ersten Monaten des Jahres gemacht haben .

. . . . . Sie meinen Griechenland…

. . . zeigen, dass es nie um nur ein Mitgliedsland allein geht, dafür ist die Ansteckungsgefahr von Krisen zu groß. Manche sagen deshalb, man solle negative Entwicklungen eher früher als später bekämpfen.

Wann wird die Regierung in Dublin in Brüssel Antrag auf Hilfe stellen?

Ich habe mir vorgenommen, darüber nicht zu mutmaßen. Wir sind handlungsbereit, wenn ein Antrag von wem auch immer gestellt wird.

Wie viel Geld braucht das Land?

Die nicht einfache Situation Irlands wird nicht einfacher, wenn ich hier Zahlen in die Welt setze.

Mit welcher konkreten Begründung kann ein Land Geld bekommen, als mit der, dass es von den anderen für hilfsbedürftig gehalten wird?

Da haben wir klare Regelungen. Entscheidend ist, dass wir frühzeitig Gefahren für unsere gemeinsame europäische Währung abwenden. Dann handeln wir im eigenen wie im europäischen Interesse.

Die Iren haben ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als die Deutschen. Warum muss das vergleichsweise arme Deutschland das relativ reiche Irland retten?

Darum geht es nicht. Wir haben eine gemeinsame Währung und damit eine gemeinsame Verantwortung. Wir müssen den Euro [Glossar] stabil halten.

Die Iren haben deutlich niedrigere Unternehmensteuern als Deutschland. Gehört dann nicht zu ihrer Verantwortung, dass sie sich erst einmal selbst helfen und die Steuer[Glossar] erhöhen?

Ich glaube nicht, dass es hilfreich ist, wenn Regierungsmitglieder aus anderen Ländern darüber spekulieren, was wir im Falle eines Falles an Bedingungen und Auflagen in einer Rettungsaktion machen.

Sie können den Deutschen nicht erklären, warum man Irland retten muss, wenn das Land seine eigenen Steuerquellen nicht ausschöpft?

Sehen Sie sich an, wie wir in Griechenland gehandelt haben. Damals haben wir in einer solchen Situation sehr harte Bedingungen auferlegt. Das wird auch für künftige Fälle entsprechend gelten.

Erst haben wir den Griechen geholfen, jetzt sind die Iren dran, und als Nächstes kommen die Portugiesen?

Sie dürfen so reden, Sie sind Journalisten. Ich nicht, ich trage Verantwortung als Finanzminister.

Aber Sie müssen sich darauf einstellen.

Aber nicht darauf eingehen.

Steht Ihr Konzept für den neuen, dauerhaften Krisenmechanismus für den Euro-Raum?

Wir haben im Prinzip keine allzu großen Differenzen. Zwei Dinge sind entscheidend: Hilfen werden nur unter strengen Auflagen gewährt. Und ähnlich wie heute wird diese an die Voraussetzung geknüpft sein, dass die Stabilität des Euro als Ganzes in Frage steht.

Wie sollen die privaten Gläubiger eingebunden werden?

Das hängt von der Situation ab.

Aber Sie müssen doch genauere Vorstellungen haben?

Das hängt immer vom einzelnen Fall ab. Keiner sollte sich deshalb erkühnen, künftige Entscheidungen vorwegzunehmen.

Aber genau das wollen Sie doch. Deutschland dringt auf eine umfassende Lösung, wie mit künftigen Krisen im Euro-Raum umzugehen ist.

Vor allem wollen wir Krisen vermeiden. Und weil man nicht sicher sein kann, dass es nicht anders kommt, schaffen wir einen dauerhaften Mechanismus, dass wir sie notfalls bewältigen können.

Irgendwann müssen Sie auch sagen, wie der Krisenmechanismus aussehen soll. Oder wollen Sie das erst klären, wenn die nächste Krise da ist?

Nein. Wir haben bis Mitte 2013 vorgesorgt. Nun werden wir gemeinsam in der Europäischen Union klären, wie die Regelungen für die Zeit danach im Detail aussehen sollen. Aber es hilft nicht, wenn ich jetzt darüber spekuliere.

Wir dachten, Sie wollten unsere Leser aufklären.

Wir müssen die Ergebnisse der Beratungen mit unseren europäischen Partner abwarten.

Der neue Mechanismus soll nur für neue Schulden gelten. Das heißt doch, wer jetzt zehnjährige Anleihen der Iren kauft, ist auf der sicheren Seite?

Der neue Mechanismus wird nur für neue Schulden gelten. Er wird den jetzigen Rettungsschirm, der bis Sommer 2013 läuft und der keine Beteiligung der Gläubiger vorsieht, ablösen.

Aber wir könnten es machen.

Ich bin nicht Ihr Vermögensberater. Tatsache ist, dass wir für Anleihen bestimmter Staaten sehr viel höhere Zinsen haben. Das wird mit einem höheren Risiko begründet, aber das Risiko hierfür trägt derzeit der gesamte Euro-Raum. Deswegen sagen wir: In einem künftigen System muss der Zusammenhang zwischen Ertragschancen und Zinsen wieder hergestellt sein.

Es gab die deutsche Forderung, dass die anderen Euro-Mitgliedstaaten ebenfalls eineSchuldenbremse [Glossar] nach deutschem Vorbild in ihre Verfassungen aufnehmen. Was ist daraus geworden?

Es gibt dazu Empfehlungen. Und es gibt Länder, die von sich aus aktiv werden. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu forsch selbst auf die Schulter klopfen und dreimal täglich sagen: Wir haben es richtig gemacht, ihr müsst es so machen wie wir. Dann wird es nicht leichter, etwas in Europa zu erreichen.

Bei der Reform der Kommunalfinanzen haben Sie sich umso flexibler gezeigt. DieGewerbesteuer [Glossar] bleibt. Warum haben Sie nicht ebenso für Ihr wichtigstes Steuervorhaben gekämpft?

Ich kämpfe sehr. Im Gegensatz zu Ihrer Aussage ist nichts entschieden.

Die Städte frohlocken, die Gewerbesteuer bleibt, es wird keine Abstriche geben.

Niemand, der mich kennt, bestreitet, dass ich dafür bin, die Gewerbesteuer zu ersetzen. Aber es gibt auch die klare Position der Union, die Reform nur im Einvernehmen mit den Kommunen ins Werk zu setzen. Das ist nichts anderes als die Anerkennung der Realität.

Für Stillstand braucht man keine Reformkommission.

Warten Sie es doch ab. Wir müssen erst einmal ein gemeinsames Problembewusstsein erreichen. Die neuere Rechtsprechung könnte dafür sorgen, dass grenzüberschreitende Verluste der Unternehmen von mehr als 500 Milliarden Euro auf die Gewerbesteuer durchschlagen. Mit den damit verbundenen Konsequenzen- werden sich die Kommunalvertreter intensiv beschäftigen.

Bei der Mehrwertsteuer [Glossar] haben Sie einiges vor. Da haben Sie bisher nur gesagt, was nicht geht. Verraten Sie uns auch, was geht?

Ich gehöre zu denen, die meinen, dass die Erwartungen an eine Reform der Mehrwertsteuer im Bereich des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes weit überzogen sind.

Die Position von Ihnen kennen wir. Wir wollten wissen, was geht.

Wir haben verabredet, dass die zuständigen Minister gemeinsam mit dem Chef des Bundeskanzleramtes und den Generalsekretären der Koalitionsparteien die verschiedenen Vorschläge und die vorhandenen Gutachten prüfen. Wir haben ja keinen Erkenntnismangel. Wir müssen die politischen Entscheidungen treffen.

Wollen Sie die Vergünstigung für Katzenfutter, Hotelübernachtungen, Drahtseilbahnen streichen?

Ich bin generell für Steuervereinfachung. Aber die Erwartung, was da möglich ist, ist weit überzogen. Das Entlastungsvolumen für die Steuervereinfachung ist auf 500 Millionen Euro begrenzt. Wenn sie das Steuerrecht grundlegend vereinfachen wollen, brauchen sie ganz andere Summen. Die haben wir aber nicht, weil wir die Schuldenbremse einhalten müssen.

Gut ausgewiehen . Zurück zur Mehrwertsteuer. Da könnten Sie zu einer grundlegenden Vereinfachung kommen, ohne Geld in die Hand nehmen zu müssen. Aber hier wollen Sie offenbar nicht richtig ran.

Meinen Sie mich oder die Koalition?

Sie.

Zur Mehrwertsteuer habe ich Ihnen gesagt, was wir im Koalitionsausschuss vereinbart haben. Meine persönliche Position zur Mehrwertsteuer habe ich nicht öffentlich geäußert.

Wir dachten, Sie berichten, was Ihnen vorschwebt.

Ich verrate Ihnen, warum ich es Ihnen nicht sage: Es gibt eine gemeinsame Verantwortung für die Regierung. Jeder Minister führt sein Ressort in eigener Verantwortung, aber innerhalb der Richtlinien des Regierungschefs. Getragen wird die Regierung von einer stabilen Mehrheit im Parlament, die dazu eine Vereinbarung trifft. Das nennt man Koalition. In dem Rahmen bewegt man sich. Dagegen permanent zu verstoßen, ist wenig sinnvoll. Deswegen habe ich bei der Mehrwertsteuer darauf gedrängt, dass man in der Koalition klärt, was man machen will.

Täuscht der Eindruck, dass Sie Ihre Prioritäten nicht in der Steuerpolitik setzen?

Der Eindruck täuscht gewaltig. Um gestalten zu können, müssen wir erst Spielraum imHaushalt [Glossar] schaffen. Und gute Haushaltspolitik ist gute Wachstumspolitik.

Haben Sie schon einen neuen Pressesprecher?

Ich habe ja einen Sprecher, er sitzt hier. Machen Sie sich keine Sorgen über die Funktionsfähigkeit meines Hauses.

Auf dem CDU-Parteitag war immer wieder die Frage zu hören: Wann schmeißt der Finanzminister hin, vor Weihnachten oder nach der Landtagswahl in Baden- Württemberg?

Ich kann nichts dafür, dass ich gesundheitliche Probleme hatte, die zu Spekulationen führen, an denen sich die Medien beteiligen, und Freunde zu besorgten Fragen veranlassen. Das ist nicht nur schlecht. Es wird aber auch nicht besser, wenn man es immer wieder macht. Ich habe früh gesagt, dass ich meine Verantwortung kenne. Solange ich glaube, dass ich diese Aufgabe erfüllen kann, erfülle ich sie gerne. Wenn ich zu der Erkenntnis komme, dass ich es nicht mehr kann, würde ich die notwendige Entscheidung treffen.

Aber das sehen Sie derzeit nicht.

Nein, sonst würde ich nicht hier sitzen.

Das Gespräch führten Heike Göbel und Manfred Schäfers.
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