„Er hat den Willen zur Macht“ „Ich schätze Schäubles Rat“



Wolfgang Schäuble und Jens Spahn im Gespräch: Über Corona, die CDU nach Angela Merkel — und was man mitbringen muss, um das Land durchs neue Jahrzehnt zu führen
Die Zeit vom 16.07.2020

Die CDU zu führen ist nicht irgendein Job. Der nächste Parteivorsitzende wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Kanzlerkandidat der Union und hat große Chancen, 2021 Bundeskanzler zu werden. Eigentlich. Denn fragt man die Deutschen, wem sie am ehesten die Kanzlerschaft zutrauen, dann liegt im Augenblick der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder vorn — mit weitem Abstand vor den CDU-Kandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Viereinhalb Monate vor dem CDU-Parteitag bringt das Bewegung in die Vorsitzendenfrage: Wie die ZEIT berichtete, wird in der Union diskutiert, Gesundheitsminister Jens Spahn könne sich aus dem Team mit Laschet verabschieden, selbst als Parteichef kandidieren und Söder als Kanzlerkandidaten unterstützen.
In dieser Situation entstand die Idee zu einem gemeinsamen Interview mit Spahn und Wolfgang Schäuble, dem Elder Statesman der Partei. Das Gespräch, das im Empfangssaal auf der Präsidialebene des Bundestags stattfand, begann mit 15 Minuten Verzögerung: Schäuble und Spahn hatten sich zunächst noch einiges hinter verschlossenen Türen zu sagen.
DIE ZEIT: Wolfgang Schäuble ist der bundespolitisch älteste Verantwortungsträger der CDU, Sie, Herr Spahn, sind einer der jüngsten. Wie oft haben Sie zuletzt den Rat des Älteren gesucht?
Jens Spahn: Wir tauschen uns regelmäßig aus. Ich schätze den Rat von Wolfgang Schäuble. Seine Erfahrung, seinen klaren Blick auf die Dinge. Außerdem war er ja auch mal mein Chef …
Wolfgang Schäuble: Wir waren zusammen im Finanzministerium. Aber wir haben uns schon vorher gekannt.
ZEIT: Worin unterscheidet sich Ihrer beider Blick auf die Krise?
Spahn: (dreht sich zu Schäuble) Ich weiß noch, wie Sie mich ganz am Anfang der Krise, als es darum ging, wie gefährlich das Virus ist, gefragt haben, was es bedeute, dass Sie zur Risikogruppe zählen. Schäuble: Aus einem ganz einfachen Grund. Wenn ich für andere zum Risiko geworden wäre, hätte ich nicht länger Bundestagspräsident sein können, jedenfalls nicht amtierend. Das haben wir im CDU-Präsidium besprochen. Weil es aber nur um das Risiko für mich ging, konnte und kann ich meine Aufgabe weitermachen.
ZEIT: Jetzt sei die Gelegenheit da, Dinge zu verändern, die man in der Vergangenheit nicht habe ändern können oder wollen, haben Sie, Herr Schäuble, kürzlich gesagt. Welche Dinge sind das? Schäuble: Die Pandemie macht uns auf schmerzhafte Weise klar, dass der Raubbau an der Natur zu weit gegangen ist. Jetzt schlägt das Pendel zurück. Es ist ja nicht nur der Klimawandel, sondern mindestens genauso der Verlust an Artenvielfalt, der die Resilienz schwächt. Wir werden die Bekämpfung des Klimawandels viel entschlossener und schneller vorantreiben müssen als zuvor. Darüber hinaus werden wir uns noch viel mehr als bisher mit der Ungleichheit in der Gesellschaft beschäftigen müssen. Die Unterschiede zwischen den sehr Erfolgreichen und den durchschnittlich Erfolgreichen sind in der unglaublich guten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre immer größer geworden. Selbst Ludwig Erhard würde heute sagen: So groß darf dieser Unterschied nicht sein. ZEIT: Friedrich Merz meint, jetzt müssten alle sozialen Leistungen auf den Prüfstand.
Schäuble: Das müssen sie immer. Es ist ein Satz von allgemeiner Gültigkeit. Aber mehr sagt er dann auch nicht aus, bei aller Freundschaft zu Friedrich Merz.
Spahn: Es wird noch mal deutlicher, dass eine starke Wirtschaft und ein starker Sozialstaat zwei Seiten der Wohlstandsmedaille sind. Natürlich müssen wir über die soziale Frage und die Ungleichheit in der Gesellschaft sprechen. Und zwar anders als noch zu Beginn des Jahrtausends, denn damals war unser Land wirtschaftlich in einer ganz anderen Situation. Es ging eher darum, Produkte, die gut sind, wettbewerbsfähig zu machen, die Lohnnebenkosten zu senken und die Steuerlast zu reduzieren. Heute geht es wieder stärker darum, neue Produkte zu entwickeln, die zukunftsfähig und global gefragt sind. Deswegen müssen wir mehr investieren als früher, beispielsweise in Wasserstoff, Digitalisierung, Mobilität. Gleichzeitig beeinträchtigt die Pandemie den fairen Zugang zu Chancen und Bildung. Die Schließung von Schulen und Kindergärten hat vor allem die einkommensschwachen Familien und Alleinerziehende getroffen. Ihre Chancen müssen wir erhöhen. • ZEIT: Wie, glauben Sie, kommt es bei den Pflegekräften an, bis heute auf den zu Beginn der Krise versprochenen Bonus von 1500 Euro warten zu müssen?
Spahn: In der Altenpflege kann der Bonus mit dem Augustgehalt ausgezahlt werden. Und in der Krankenpflege haben es die Arbeitgeber — also die Krankenhausmanager — in der Hand, die Boni auszuzahlen. Die Finanzierung ist über das Pflegebudget gewährleistet. Besonders die Pflegekräfte in der Intensivpflege, die unter großen körperlichen Anstrengungen im Schutzanzug die Covid-19-Patienten begleitet haben, haben diese Anerkennung verdient.
ZEIT: Werden in diesem Herbst neue Verteilungskämpfe ausbrechen?
Spahn: Niemand kann das heute sicher voraussagen, aber die wahren wirtschaftlichen Folgen werden sich tatsächlich erst zeitversetzt zeigen. Was wir bisher erreicht haben, bestärkt jedoch meinen Optimismus, dass wir auch kommende Herausforderungen bewältigen können. Wir sind besser durch die letzten drei Monate gekommen als die meisten anderen Länder der westlichen Welt. Wir haben ein Wir-Gefühl entwickelt, eine Art Corona-Patriotismus. Wir unterstützen uns gegenseitig, viele nähen Masken und bringen welche ins Pflegeheim. Es ist eben nicht so, dass die Alten zu Hause bleiben und die Jungen unbesorgt ihrem Alltag nachgehen. Nein, wir gehen gemeinsam da durch. Und wir können uns auf den Staat verlassen, eben weil er ein funktionierendes, auch in der Krise robustes Gesundheitssystem bereithält. Darin liegt für mich das große Thema der kommenden Zeit: Wie können wir uns das Gemeinschaftsgefühl, die Nachbarschaftshilfe, das gegenseitige Unterstützen bewahren? Und wie kann der Staat noch stärker die Rolle des Beschützers und Ermöglichers übernehmen? Wo muss er stärker regulierend eingreifen, wo sollte er sich raushalten? Was sich durch diese Krise ändern wird, sind die Art, wie wir über den Staat sprechen, und unser Verständnis dessen, was wir vom Staat erwarten — auch die CDU.
Schäuble: Die CDU ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft, und das war nie das reine Vertrauen auf den bloßen Marktmechanismus. Die Angelsachsen haben das früher verspottet. In den Neunzigerjahren, als ich Fraktionsvorsitzender war, lautete die Parole immer: Deregulierung. Den Finanzplatz Deutschland attraktiv machen. Heute wissen wir: Ohne Regulierung geht es nicht. Spahn: Wir werden in den Zwanzigerjahren ein neues Staatsverständnis entwickeln. Die Pandemie hat vielen vor Augen geführt, dass Sozialstaat mehr ist als nur Sozialleistung. Sozialstaat, das ist auch eine funktionierende und für alle zugängliche Infrastruktur, etwa bei Gesundheit und Pflege. Unser gesellschaftliches Versprechen, dass jeder unabhängig von seinem Geldbeutel bestmöglich behandelt wird, ist eher die Ausnahme als die Regel auf der Welt. In den USA gab es den Zugang zum Test über Monate nur für die, die es sich leisten können. In Deutschland haben alle den gleichen Zugang zur Behandlung, auch zur teuren intensivmedizinischen Beatmung. Darauf können wir stolz sein!
ZEIT: In den vergangenen Wochen hat die CDU etliche Positionen geräumt: die schwarze Null, die Skepsis gegenüber der Grundrente oder der staatlichen Beteiligung an Unternehmen. Was ist eigentlich noch unverwechselbar CDU? Spahn: Die Welt sehen, wie sie ist. Pragmatisch
sein und das Notwendige tun. Wir haben kein Manifest, keinen Marx, keine Ideologie, wo Lehren von immerwährender Gültigkeit fixiert sind. Der Mensch ist fehlbar, die Welt nicht perfekt. Wir betrachten diese Realität und machen auf der Basis christlicher Grundsätze das Beste draus. Machen, gut regieren, das ist CDU.
ZEIT: Was Sie Flexibilität nennen, das nennen andere Beliebigkeit. Was, Herr Schäuble, ist in Ihren Augen unverwechselbar CDU?
Schäuble: Das ist vor allem ein Menschenbild, das von dem ausgeht, wie der Mensch ist — und nicht, wie er sein soll. Im Übrigen habe ich ein gewisses Copyright für die schwarze Null, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, die Frage, was CDU ist, mit schwarzer Null zu beantworten.
ZEIT: Als Jens Spahn im Februar gemeinsam mit Armin Laschet vor die Presse trat, um Laschets Kandidatur für den Parteivorsitz zu unterstützen, sagte er, die CDU sei in der größten Krise ihrer Geschichte. Stimmt das?
Schäuble: Als wir bei der Bundestagswahl 1969 stärkste Partei wurden und dennoch verloren, weil SPD und FDP erstmals gegen uns koalierten, wurden wir auch fast totgesagt. Aber es gibt die CDU immer noch. Ich habe einen viel schöneren Satz von Jens Spahn gehört, den ich hier gern zitiere: „Wir werden uns in der nächsten Zeit noch öfter gegenseitig verzeihen müssen.“ Das fand ich unglaublich klug.
ZEIT: Wem werden wir verzeihen müssen? Schäuble: Allen, die in dieser völlig neuen Situation voller Ungewissheit schwierigste Entscheidungen treffen mussten. Alles in allem finde ich aber, dass wir die Situation als Staat und Gesellschaft ganz gut meistern. Wir lernen allerdings permanent dazu — auch die Wissenschaft, die ja auf Lernfähigkeit durch Versuch und Irrtum beruht und sich ständig weiterentwickelt. Letzte Gewissheit kann auch sie nicht liefern. Trotzdem müssen sich Politiker schwierigen Abwägungsprozessen stellen und Entscheidungen treffen. Diese können sich im Nachhinein als falsch herausstellen, und dafür müssen wir untereinander Verständnis aufbringen.
ZEIT: Als Jens Spahn diesen Satz in der Regierungsbefragung im Parlament sagte, Herr Schäuble, saßen Sie auf dem Stuhl des Bundestagspräsidenten. Haben Sie die Relevanz sofort erkannt? Schäuble: Wenn man die Sitzung leitet, hört man zu. Ich war in diesem Augenblick richtig stolz, dass er einer von uns ist. Und da wir vorhin darüber sprachen, wie lange wir uns schon kennen: Ich habe Jens Spahn früh als ein herausragendes Talent in der CDU erkannt.
ZEIT: Was genau schätzen Sie an ihm? Schäuble: Wenn man so lange in der Fraktion ist wie ich, dann schaut man sich sehr genau an, wer von den Jüngeren besonders gut ist Er hat einen klaren Kopf, er kann gut kommunizieren und formulieren — und er ist bereit, sich anderen Meinungen zu stellen, darüber zu diskutieren. Er schreckt auch vor Streit nicht zurück. Und er hat den Willen zur Macht. Wenn Sie in der Politik sagen, Sie wollen alles, nur keine Macht, dann sind Sie entweder nicht ehrlich oder taugen nicht für die Politik.
ZEIT: Worin besteht die größte Krise in der Geschichte der CDU, Herr Spahn?
Spahn: Ich habe mir den Satz gut überlegt, als ich an jenem Tag vor die Presse ging. Mein Eindruck damals war, dass wir nur noch schlecht übereinander reden, statt miteinander zu diskutieren. Dass wir vor lauter Beschäftigung mit uns selbst nicht mehr erkennen, was die eigentlichen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sind. Die Pflegekräfte interessiert es nicht sonderlich, wer gerade Gesundheitsminister ist — die wollen wissen, ob die CDU durch konkretes Tun einen Unterschied macht in ihrem Alltag. Inzwischen haben wir in den Umfragen stark zugelegt. Das ist ein großer Vertrauensbeweis, dass die Union das Land gut durch die Krise führt. Aber das heißt ja nicht, dass die Probleme, die es in unserer Partei vorher gegeben hat, gelöst sind.
ZEIT: Welche Probleme sind das?
Spahn: So erfolgreich die letzten 15 Jahre waren: Wir müssen notwendigerweise lernen, uns nicht mehr ausschließlich über Angela Merkel zu definieren. Dieser personelle Übergang ist eine große Herausforderung. Wenn wir darüber vergessen, was die Union ausmacht, warum wir uns gemeinsam in dieser Partei engagieren, wird es ganz schwer für uns. Ich will, dass wir den Anspruch formulieren, unser Land durch die Zwanzigerjahre zu führen. Das braucht einen Plan, der über Problembeschreibungen hinausgeht. Zuversichtlich nach vorne schauen statt schwermütig zurück. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten Antworten auf die großen Zukunftsfragen: Sicherheit, Nachhaltigkeit, Migration, Digitalisierung, wirtschaftliche und soziale Stabilität.
ZEIT: Was hat die Ära Merkel geprägt, und was muss jetzt kommen?
Schäuble: Als sie Vorsitzende wurde, war die CDU wegen der ParteispendenafFäre in der wohl wirklich schwierigsten Situation ihrer Geschichte. Damals haben uns manche das Schicksal der untergegangenen italienischen Democrazia Cristiana vorausgesagt. Eines der historischen Verdienste von Angela Merkel besteht darin, uns da herausgeführt zu haben. Und wenn ihr nach einer sechzehnjährigen, insgesamt sehr erfolgreichen Kanzlerschaft gelingt, was noch keinem gelungen ist, nämlich geplant und selbstbestimmt ihre Amtszeit zu Ende zu bringen, und wenn die CDU danach wieder regiert, dann ist das schon ein Triumph. Spahm Unsere liberale Gesellschaft ist ein Wert an sich. Zur Freiheit gehört ein starker Rechtsstaat. Das eine bedingt das andere. Die Freiheit von Schwächeren, von Minderheiten, kann am Ende
nur der Staat garantieren. Dafür muss er die nötigen Fähigkeiten haben. Das fängt bei Polizei und Justiz an, bei klaren Regeln und der Notwendigkeit auch von Grenzsetzungen, manchmal für den Einzelnen, aber eben auch für eine Nation. Es gibt keinen Ersatz für den Nationalstaat. Deshalb brauchen wir ein modernes Wir-Gefühl. Ich nenne das weltoffenen Patriotismus. Dazu gehört, dass wir uns als Deutsche empfinden. Nicht über das Stammbuch, sondern über die Frage, wer mitmacht, mit anpackt, die Zukunft unseres Landes mitgestalten will. Das unterscheidet uns von links: Wir wollen gerade Migrationsgeschichten auch als Aufsteigergeschichten erzählen, nicht als permanente identitäre Klage über Defizite. Viele Bürger mit Migrationsgeschichte finden sich in diesen Klagen auch gar nicht wieder.
ZEIT: CSU-Generalsekretär Markus Blume hat kürzlich bei uns im Interview sehr offen über die Fehler gesprochen, die seine Partei in der Flüchtlingskrise 2015 gemacht habe, gerade in Bezug auf die AfD. Was waren die Fehler der CDU? Schäuble: Markus Blume hat gesagt, was ich immer gesagt habe. Ich sage es auf Schwäbisch: Ich gehe zum Schmied und nicht zum Schmiedle. Man kann als CDU rechtspopulistische Parteien rhetorisch nicht übertreffen.
Spahtt: Wir brauchen als Partei den Mut, kritische Dinge anzusprechen. Zu sagen, dass etwas mal nicht gut läuft. Das wird auch in dieser Corona-Phase sehr deutlich: Wenn man nicht darüber redet, dass die Notaufnahmen leer sind, weil Menschen aus Angst vor dem Virus das Krankenhaus meiden, dann haben sofort diejenigen Oberwasser, die Verschwörungstheorien verbreiten. So ist es auch in der Flüchtlingskrise gewesen. Die Alltagserfahrung der Bürgerinnen und Bürger zu ignorieren hilft nicht weiter. Am Ende muss alles auf den Tisch, auch wenn es mal unangenehm. ist. Aber immer in einem Ton, der einer christdemokratischen Partei der Mitte angemessen ist, und immer in der Absicht, Probleme zu lösen, nicht mit der, sie aufzupumpen.
ZEIT: Braucht die CDU eine Frauenquote von 50 Prozent?
Schäuble: Es ist unbestritten, dass Frauen in der CDU deutlich unterrepräsentiert sind. Die Gesellschaft ist im Wandel, und die Union hat hier Nachholbedarf Solange uns nichts Besseres einfällt, ist der Vorschlag der stufenweisen Einführung von Quoten in der Partei Teil einer pragmatischen Lösung.
Spahn: Es ist richtig und wichtig, dass wir diese Debatte führen. Mit dem aktuellen Frauenanteil in unseren Reihen können wir als Volkspartei nicht zufrieden sein. Ich befürworte das Ansinnen hinter dem Antrag, dass die CDU sich energisch um mehr Frauen in Verantwortung bemüht. An der Spitze ist das ja schon gelungen. Wichtig ist mir, dass wir eine Regelung finden, die von der Breite der Partei getragen wird.
ZEIT: Zwei Drittel der Deutschen können sich aktuell einen Kanzler Markus Söder vorstellen. Können Sie es auch?
Schäuble: Die Bundeskanzlerin hat angekündigt, keine weitere Amtszeit anzustreben. CDU und CSU werden gemeinsam einen Kanzlerkandidaten bestimmen. Der Bundestagspräsident gibt dazu öffentlich keine Ratschläge.
Spahn: Ein starker bayerischer Ministerpräsident ist immer auch ein möglicher Unionskandidat. Wie Wolfgang Schäuble sagt: Die Entscheidung, wer 2021 kandidiert, werden CDU und CSU gemeinsam treffen.
ZEIT: Ware Jens Spahn der Richtige, um die CDU ins neue Jahrzehnt zu führen, Herr Schäuble? Schäuble: Auch hier gilt: Ich will mich hier zur Kandidatendebatte nicht äußern.
ZEIT: Dann anders gefragt: Was muss man mitbringen, um das Land ins neue Jahrzehnt zu führen?
Schäuble: Den Menschen das Vertrauen vermitteln zu können, dass man das Land auch unter den schwierigsten Bedingungen steuern kann, dass man Antworten weiß, ohne dass man sie weiß — dieses Vertrauen zu stiften ist eine große Kunst. Konrad Adenauer hat das in einer unglaublichen Weise geleistet, Willy Brandt hat es in der kurzen Zeit seiner Kanzlerschaft auch getan. Und Angela Merkel hat es natürlich auf ihre Weise auch phänomenal geschafft, vielleicht nicht zu jedem Zeitpunkt, aber jedenfalls in der Krise. Dieses Vertrauen stiften zu können ist unter aktuellen Bedingungen eine Riesenverantwortung, eine Riesenlast. Wenn man älter wird, spürt man das stärker. Sie glauben gar nicht, wie oft ich Jens Spahn in der Pandemie angeguckt und gedacht habe: Oh, ich bin froh, dass ich nicht in seiner Haut stecke. Die Fragen stellten Marc Brost und Mariam Lau
(c) Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Hamburg