Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble bei der Behördenleitungstgung in Berlin
„Entscheidungen treffen – Zukunft gestalten“ ist das Motto, unter dem diese Behördenleitertagung im Jahre 2008 steht.
Der schweizerische Schriftsteller Curt Goetz soll gesagt haben: „Man muss die Zukunft so nehmen, wie sie kommt“. Aber: „Man sollte auch dafür sorgen, dass sie so kommt, wie man sie möchte.“
Verantwortung übernehmen, Entscheidungen mit Mut und Außenmaß treffen, notfalls auch gegen Widerstände durchsetzen, das macht Führung aus. Dabei muss Führung die sich wandelnden Bedingungen im Blick haben, nach denen die Gesellschaft funktioniert. Und dass dieser Wandel schnell und tief greifend ist, das spüren wir alle. In diesen Tagen und Wochen vielleicht noch stärker und unmittelbarer als zu anderen Zeiten. Den technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen können wir uns nicht entziehen. Wir können sie aber ein Stück weit mitgestalten.
Ich beschäftige mich zunehmend mit der Frage, wie Kommunikation und Kommunikationstechnologien gesellschaftliche Strukturen und Prozesse beeinflussen und verändern. Möglicherweise haben wir das lange unterschätzt. Jedenfalls sind wir in solchen Zeiten tief greifender Veränderungen, die sich immer schneller vollziehen – das ist ja eines der großen Charakteristika der modernen Zeit –, vielleicht auch durch diese technologischen Prozesse getrieben. Veränderungen hat es immer gegeben, und die gute alte Zeit wurde immer ein bisschen nostalgisch verklärt. Aber das Tempo der Innovation scheint sich vielfältig beschleunigt zu haben, und das bringt eine Menge Herausforderungen mit sich. Deswegen sind wir auch in der Verwaltung gezwungen, unsere eigene Arbeit, Ziele, Instrumente, Verfahrensweisen in immer kürzeren Abständen zu überprüfen, anzupassen und neue Lösungen zu suchen. Und natürlich muss Verwaltung für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Handeln gerade auch in solchem Wandel einen ordnenden Rahmen schaffen. Und dabei steht sie auch vor der Herausforderung, mit begrenzten finanziellen und geringer werdenden personellen Ressourcen mehr zu leisten. Und deswegen haben wir, um strukturelle, organisatorische, technische, personelle Voraussetzungen zu schaffen, das Programm „Zukunftsorientierte Verwaltung durch Innovationen einschließlich des ProgrammsE-Government 2.0“ und die Umsetzungspläne 2007 und 2008 beschlossen.
Dieses Programm bildet den Rahmen für die weitere Modernisierung der Bundesverwaltung. Es baut auf früheren Reformkonzepten auf und setzt aktuelle Akzente. Und immerhin ist das Programm in den letzten zwei Jahren auf über 70 Einzelprojekte in den Handlungsfeldern Personal, Organisation, Steuerung und E-Government gewachsen. Dahinter steht das generelle Ziel, die Bundesverwaltung leistungsfähiger, serviceorientierter, wirtschaftlicher, innovativer zu machen, sie also für zunehmend komplexe und zunehmend internationale Aufgaben zu qualifizieren.
I. Wandel der Informationstechnik
Natürlich hat der Internet-Boom in den letzten Jahren auch die öffentliche Verwaltung erfasst. Als ich vor inzwischen fast 20 Jahren zum ersten Mal in das Amt des Innenministers gekommen bin, da gab es das Internet noch nicht. Das Internet bietet viele Chancen für bürgernahe, effiziente Verwaltung. Bürger und Wirtschaft können über das Internet bequemer mit der Verwaltung kommunizieren und ihre Angelegenheiten zunehmend online erledigen, das tun auch viele. Die Nutzer von Online-Angeboten der Verwaltung sind – zum Teil auch mit sanfter Nachhilfe der Verwaltungen, wenn man denn an die Steuerverwaltungspraxis denkt – in den letzten Jahren rasant gestiegen. Aber wir können uns immer noch manche Nachbarländer zum Vorbild nehmen, die schon weiter sind. Wir sollten also nicht glauben, wir seien schon am Ende der Entwicklung. Immerhin, darauf dürfen wir auch ein bisschen Stolz sein, im E-Government-Ranking der EU-Kommission hat Deutschland im letzten Jahr den Sprung vom 18. auf den 10. Tabellenplatz geschafft. Damit sind wir noch nicht Spitze, aber in der Sprache der Bundesliga sind wir vom Abstiegsplatz weg, und wir sollten diesen erfreulichen Trend fortsetzen: Erst einmal sicheres Mittelfeld und dann kommt der Angriff auf die Spitze.
Es ist sehr wichtig, dass sich die Verwaltung an den Bedürfnissen der Bürger ausrichtet, damit diese ihre Angelegenheiten möglichst schnell und einfach erledigen können, zumal die Anforderungen an die Bürger eher größer werden. So können wir bei allen Beteiligten Zeit und Kosten begrenzen und so zur Zufriedenheit aller beitragen. Dazu gehört dann beispielsweise auch die einheitliche Behördennummer 115 – ein ebenso komplexes wie bedeutendes Projekt. Je einfacher Menschen den richtigen Ansprechpartner in der Verwaltung erreichen und je schneller und direkter sie ihr Anliegen erledigen können, desto größer wird die Chance sein, dass wir die Wertschätzung des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung bewahren und vielleicht sogar steigern. Das ist für uns alle eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit.
E-Government ist heute keine Serviceleistung de luxe mehr, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit. Es geht also nicht mehr um das ob, sondern nur noch darum, wie die Lösungen aussehen. Und deswegen gibt es das Regierungsprogramm E-Government 2.0, mit dem wir unsere Aktivitäten strategisch ausrichten: Bedarfserhebungen, Nutzerbefragungen und Qualitätsprüfungen sollen herausfinden, welche Leistungen Wirtschaft und Bürger im Internet suchen und in Anspruch nehmen. Vor allem die Wirtschaft, die die Hauptlast der Bürokratiekosten trägt – und auch am meisten darüber klagt –, können wir durch E-Government-Angebote entlasten.
Deshalb ist es unerlässlich, dass wir mit den Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, wie wir elektronische Kommunikation und Zusammenarbeit erleichtern und entwickeln. Elektronische Prozessketten zwischen Behörden und Unternehmen können Bearbeitungszeiten und Kosten um 15 Prozent senken, und im Rahmen von E-Government 2.0 werden solche Prozessketten in Ihren Behörden realisiert. Mit Dank will ich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erwähnen, denn der Elektronische Antrag für Pflanzenschutzmittel war der erste der 2007 online stand. Wir haben uns mit der Wirtschaft auf dem Nationalen IT-Gipfel der Bundeskanzlerin darauf verständigt, die schriftliche Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen ab 2012 nur noch elektronisch stattfindet. Das ist das ehrgeizige Ziel, darauf haben wir uns verpflichtet.
Wir haben in dieser Wahlperiode besonderen Wert darauf gelegt, die Wissenschaft in die Entwicklung von E-Government einzubinden. Wir geben im Haushalt des Bundesinnenministeriums bis Ende 2009 dafür immerhin 36 Mio. Euro aus. Wir brauchen angesichts des schnellen Wandels der Informationstechnologie und der rasanten Entwicklung im Internet diese Unterstützung. Die Expertisen der Wissenschaftler können uns zeigen, welche Trends und Innovationen in unsere Online-Angebote einfließen müssen.
In den Zeiten von Web 2.0, sozialen Netzwerken im Internet und nutzergenerierten Internetangeboten ist eben auch der Staat ganz neuen Erwartungen ausgesetzt. Das, was ich vorher über die Veränderung der Gesellschaft und gesellschaftlicher Strukturen durch Informationstechnologien gesagt habe, gilt für die Politik und gilt für das Verhältnis von Bürgern und Staat. Bürgerinnen und Bürger wollen an den Entscheidungsprozessen in Politik und Verwaltung elektronisch beteiligt werden. Das nennt man E-Partizipation.
Schon heute nutzt rund ein Viertel der Bevölkerung politische Informations- und Beteiligungsangebote im Internet. Was das im Einzelnen bedeutet, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Und so ganz eindeutig sind die Konsequenzen auch nicht zu erkennen. Man kann ja nicht sagen, dass der Trend zur Wahlbeteiligung kontinuierlich aufwärts geht. Andererseits weise ich immer wieder auf die Erfahrungen mit der Internetkommunikation im französischen Präsidentschaftswahlkampf vor zwei Jahren hin. Wir sehen das jetzt noch mehr im Präsidentschaftswahlkampf in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Möglichkeiten und Entwicklungen des Internets werden uns in der Zukunft vermutlich immer stärker betreffen und einige Veränderungen und Herausforderungen mit sich bringen. Die Veränderungen in der Kommunikation machen vieles situativer und flacher in den Strukturen; Netzwerke haben eher flache Strukturen. Flache Strukturen haben übrigens meistens weniger Wurzeltiefe. Wir müssen uns darauf gedanklich einstellen und damit beschäftigen, wie wir unter den gegebenen Bedingungen unsere Aufgaben möglichst erfolgreich erfüllen.
Wenn man sich lokale Projekte wie den Bürgerhaushalt in Köln anschaut, dann sieht man, dass es ein großes Potenzial der internetgestützten Beteiligung der Bevölkerung an der Politik gibt, das wir nutzen müssen. Angebote zu aktiver Beteiligung an politischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen sind ein Mittel, um der wachsenden Distanz von Bürgern zur Politik zu begegnen. Was immer die Ursachen im Einzelnen dazu auch sein mögen, in jedem Fall müssen wir gerade auch den jüngeren und mittleren Generationen Kommunikation und Dialog in ihrer Sprache anbieten. Deswegen haben wir als Bundesinnenministerium eine Studie zur E-Partizipation in Auftrag gegeben, die inzwischen vorliegt und die über 30 Vorschläge macht, wie die Bundesverwaltung die eigenen Internetauftritte verbessern kann. Wir wollen aus diesen Vorschlägen Projekte entwickeln, und ich lade Sie ein und bitte darum, dass Sie sich mit Ihren Vorschlägen und Ideen einbringen.
Die Informationstechnologie ist zu einem Arbeitsmittel geworden, von dem die Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Behörden unmittelbar abhängt. Wie gut, wie schnell und wie sicher die Bundesbehörden IT-Projekte umsetzen und IT-Verfahren betreiben, hat entscheidende Auswirkungen auf gesetzliche und politische Vorhaben. Also brauchen wir eine verantwortungsvolle Steuerung der Informationstechnik.
Um diesen Einsatz in der Bundesverwaltung effektiver zu steuern, hat das Kabinett im letzten Jahr das CIO-Konzept verabschiedet. Damit greifen wir Anstöße vom IT-Gipfel auf, die von seiten der Wirtschaft kamen. Wir mussten lange innerhalb der Ressorts ringen, um das Spannungsverhältnis zwischen einheitlicher IT und der Ressorthoheit aus Art. 65 in Einklang zu bringen. Es ist eine alte Erfahrung, dass Verwaltungsprozesse, auch die Politik, nicht eins zu eins funktionieren wie wirtschaftliche Prozesse. Aber wenn ich mir manche der aktuellen wirtschaftlichen Prozesse anschaue, sage ich: Gott sei Dank. Die Überheblichkeit, mit der Politik und Verwaltung oft von anderen beurteilt werden, ist vielleicht gerade wieder einmal ein bisschen geringer geworden. Und im Augenblick rufen einige, von denen man das nicht kannte, wieder fleißig nach dem Staat, was in diesem Fall den Steuerzahler meint.
Wir haben jetzt ein CIO-Konzept, mit dem wir, so glaube ich, ganz gut leben können. Wir haben den Rat der IT-Beauftragten aller Ministerien und damit ein übergeordnetes Steuerungsinstrument. Jedes Ressort ist darin mit einem CIO vertreten. Der Vorsitzende ist der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Staatssekretär Beus, der die Funktion seit dem 1. Januar dieses Jahres bekleidet. Er berichtet mir davon, dass der Rat gut zusammenarbeitet und auch schon ein ganzes Stück vorangekommen ist.
Diese neuen Strukturen werden viel leisten können, wenn alle Behörden mitwirken und wenn sie den CIO in Ihrem Geschäftsbereich unterstützen und ihre Erwartungen und Anregungen dorthin weitergeben. Und deswegen bitte ich Sie: Machen Sie davon Gebrauch.
Jede Medaille hat zwei Seiten: Neue Technologien, also vor allem das Internet, eröffnen Chancen für eine bürgernahe und effiziente Verwaltung. Aber sie bringen immer auch Risiken mit sich. Deswegen müssen wir die Chancen nutzen und die Risiken minimieren. Damit bin ich beim Thema IT-Sicherheit, die gewährleistet sein muss.
In den letzten Jahren ist die Bedrohung eher stärker geworden. Die Software-Schwachstellen, die von Hackern ausgenutzt werden, nehmen zu. Es gab übrigens schon gezielte Versuche, unsere Netze und IT-Systeme aus dem Internet heraus anzugreifen. Natürlich zeigt auch das Beispiel Estland, was es bedeuten kann, wenn professionelle Täter ernsthaft versuchen, IT-Systeme lahm zu legen. Deswegen ist die Kontrolle der IT-Sicherheitsvorkehrungen eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe eines jeden Behördenleiters.
Der Staat muss für die Sicherheit der Gesellschaft sorgen, und er tut das. Und mit Blick auf die IT-Systeme in der Verwaltung bitte ich Sie: Nehmen Sie die Sicherheit Ernst. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik unterstützt Sie.
II. Personalgewinnung und -entwicklung
Wir brauchen für die IT-Infrastruktur in den Behörden qualifiziertes Personal. Wir hatten Schwierigkeiten und es wird auch weiterhin nicht immer einfach sein, qualifiziertes Personal zu finden. Immerhin haben wir die Möglichkeit geschaffen, einschlägige Berufserfahrung, die man außerhalb der Bundesverwaltung gesammelt hat, bei der Einstufung in die Entgelt-Tabelle anzuerkennen. Und es ist nun auch möglich, Entgeltstufen vorwegzunehmen. Das ist eigentlich selbstverständlich, wenn der öffentliche Dienst gute Berufseinsteiger gewinnen und gute Mitarbeiter motivieren und an sich binden möchte. Und so ist es gut, dass wir das nun erreicht haben.
Herr Heesen und ich hatten in der Vergangenheit vielfältige Diskussionen über das Dienstrecht. Ich glaube noch immer, dass es richtig ist, dass wir zwischen Besoldungs- und Tarifrecht unterscheiden und bei einem zweigeteilten System bleiben, zumal wir in anderen Zusammenhängen sehen, dass eine gewisse Diversifizierung möglicherweise weniger krisenanfällig ist. Die Monokulturen haben momentan nicht unbedingt die stärkste Überzeugungskraft.
Wir brauchen auch bei den Beamten mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Deswegen haben wir als Regierung das Dienstrechtsneuordnungsgesetz auf den Weg gebracht. Es befindet sich noch im parlamentarischen Verfahren und ich hoffe, dass es bald verabschiedet wird. Der Gesetzesentwurf sieht eine Modernisierung des Laufbahnrechts vor: Die Zahl der Laufbahnen soll reduziert und die Zuordnung von unterschiedlichen Qualifikationen zu den Laufbahnen klarer strukturiert werden. Zukünftig sollen Bewerber mit Berufserfahrung oder besonderen Qualifikationen in einem höheren Amt als dem Eingangsamt eingestellt werden können, ohne dass der Bundespersonalausschuss damit befasst werden muss – was die Eigenverantwortung von Behörden stärkt und es leichter machen soll, gute Bewerber zu gewinnen. Jedenfalls brauchen wir ein Dienstrecht, mit dem wir gute Bewerber gewinnen und halten können.
Wir werden niemals mit den Spitzeneinkommen in der freien Wirtschaft konkurrieren können. Nun wird gerade heftig über die Begrenzung von Gehältern in Finanzinstituten debattiert. Die Einigung im amerikanischen Repräsentantenhaus ist vorläufig gescheitert, aber selbst wenn sie zustande kommen sollte: Auch wenn Managergehälter begrenzt werden, können wir immer noch nicht mit unserer Beamtenbesoldung konkurrieren. Aber wir müssen und können Bedingungen erhalten, die ehrgeizigen und guten Bewerbern und Mitarbeitern hinreichend attraktive Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Es gibt ein paar Pfunde, mit denen wir wuchern können: das breite Aufgabenspektrum; die Perspektive, an der Gestaltung des Gemeinwesens mitzuwirken – das ist ja auch ein Wert an sich, den man nicht vernachlässigen sollte –, die Perspektive, in unterschiedlichen Behörden innerhalb unseres Landes, aber eben auch zunehmend international eingesetzt zu werden. Und wir haben in der Bundesverwaltung Arbeits- und Zeitmodelle, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser ermöglichen als in vielen anderen Bereichen. Aber wir müssen darauf achten, dass sich auch in der Verwaltung Leistung lohnt. Deswegen brauchen wir eine vernünftige Bezahlung. Und deswegen war am Ende der Tarifabschluss in diesem Jahr – es waren keine leichten Tarifverhandlungen – unter Abwägung aller Gesichtspunkte eine insgesamt doch wohl richtige Lösung. Sie hat auch den Erwartungen breiter Teile der öffentlichen Meinung, wenn man Meinungsumfragen ernst nehmen darf, entsprochen.
Wer überdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss auch schneller vorankommen können, weil wir sonst die Motivation und den Anreiz zu guten oder herausragenden Leistungen schwächen.
Wir müssen unserem Führungskräftenachwuchs besondere Aufmerksamkeit widmen. Man lernt im Studium vielleicht sich selbst, aber man lernt nicht Mitarbeiter zu führen. Und deshalb haben wir die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung beauftragt, ein Konzept zur strategischen Steuerung der Fortbildung besonders für Führungskräfte zu erarbeiten.
Außerdem habe ich im vergangenen Jahr mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Modernisierungs- und Fortbildungsvereinbarung abgeschlossen, in der sich Bundesregierung und Gewerkschaften auf Grundsätze, Ziele und Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung und auf eine Stärkung der Fortbildung und Führungskräfteentwicklung verständigt haben. Und schließlich haben wir mit der Hertie School of Governance Berlin und mit der Universität Potsdam eine Vereinbarung abgeschlossen, nach der in den Jahren 2008 bis 2010 insgesamt 30 hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Bundesverwaltung den neuen Studiengang „Executive Master of Public Management“ absolvieren können. In diesem Monat haben die ersten elf Mitarbeiter der Bundesverwaltung ihr Studium aufgenommen.
Sie sollen lernen, was sie in der modernen Verwaltung neben ihren jeweiligen Fachkenntnissen brauchen: modernes Management, strategische Steuerung, internationale Entscheidungsprozesse, EU-Governance und eben auch Führungskompetenz.
Nun weiß ich, dass es oft schwierig ist, gerade auf hoch qualifizierte und bewährte Mitarbeiter ein Jahr oder sogar länger zu verzichten. Wir haben deswegen auch flexible Lösungen erarbeitet: Der Studiengang kann Vollzeit in einem Jahr oder in zwei Jahren berufsbegleitend absolviert werden. Es ist wichtig, dass wir das auch ermöglichen. In der Wirtschaft gibt es schließlich auch entsprechende Anstrengungen. Wir brauchen diese Elemente. Und es ist wirklich wichtig, dass man dort nicht die Leute hinschickt, die man entbehren kann. Man muss die hinschicken, die man nicht entbehren kann.
Der neue Studiengang der Hertie School of Governance und der Universität Potsdam ist stärker auf die angelsächsische Verwaltungskultur ausgerichtet. Wir haben daneben seit einigen Jahren auch das deutsch-französische Studienangebot „Master of European Governance and Administration“. Auch das setzt eine einjährige Freistellung voraus.
Wir brauchen gutes, qualifiziertes Personal, ohne solches gibt es keine gute Verwaltung. Deshalb ist die Fortbildung der Mitarbeiter so wichtig. Die Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource, und die Anforderungen in der Verwaltung an alle Mitarbeiter, besonders an Führungskräfte, nehmen zu: Es gibt im Übrigen kaum noch Arbeitsbereiche, die nicht einen internationalen Bezug haben. Also brauchen wir Mitarbeiter, die Fremdsprachen sprechen, die sich in internationalen Gremien sicher bewegen und die unsere Interessen dort wirksam vertreten können. Da haben wir immer noch im Vergleich zu anderen, auch gerade im europäischen Vergleich, durchaus Spielraum nach oben, wie man positiv sagt.
Unsere Mitarbeiter müssen sich in Institutionen und Entscheidungsprozessen der Europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft zurechtfinden. Sie müssen flexibel sein, und sie müssen stärker auch die eigene Perspektive wechseln können. Es kommt im Zeitalter der Globalisierung immer mehr auch auf die Perspektive von außen an.
Und neben klassisch hoheitliche Tätigkeit treten zunehmend komplexe Formen des Interessenausgleichs und des kooperativen Handelns, was man als Governance bezeichnet. Das wird gerade auf internationaler Ebene immer wichtiger, und das wird eines der Instrumente sein, mit denen wir, wenn überhaupt, eine Chance haben, diese unglaublich schwer zu durchschauenden und zu steuernden globalen Prozesse zu beeinflussen und verantwortbar zu halten. Der politische und wirtschaftliche Erfolg hängt jedenfalls immer häufiger von einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren ab. Immer mehr Wirtschafts-, Wohlfahrts- und Interessenverbände, Verbraucher- und Berufsgruppen, Bürgervereinigungen wollen heute an der Arbeit der Verwaltung partizipieren oder wollen sie beeinflussen. Sie übernehmen teilweise auch Funktionen. Deshalb brauchen wir vielseitige und flexible Mitarbeiter, die die Übersicht behalten und die im Ausgleich der Interessen ebenso selbstbewusst wie besonnen staatliche Gestaltungsaufgaben wahrnehmen können. Das ist eine völlig veränderte Herausforderung als in früheren Zeiten.
Deswegen bitte ich Sie: Kümmern Sie sich um die Entwicklung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Geben Sie ihnen den notwendigen Freiraum für Fortbildung, und vor allen Dingen sorgen Sie dafür, dass sie auch an ihrem Arbeitsplatz viel lernen können und – in der richtigen Balance von Führung und Freiraum für eigenverantwortliches Handeln – an ihren Aufgaben wachsen. Führen Sie die Mitarbeiter an die verschiedenen Aufgaben der Verwaltung heran. Gerade Fähigkeiten wie Verhandlungsleitung oder Mitarbeiterführung lernt man eben nicht nur in Fortbildungen, sondern man lernt sie vor allem in der Praxis. Und das persönliche Vorbild ist noch immer das wichtigste, was Menschen beeindruckt und anleitet. Am meisten lernen Menschen noch immer, wir wissen es auch aus der Pädagogik, durch Vorbild derjenigen, mit denen sie zusammenarbeiten. Und da sind wir bei der unmittelbaren Verantwortung – der persönlichen und derjenigen der Behördenleiter.
III. Outsourcing von Leistungen
Es ist eine alte, immer wieder diskutierte Frage, was des Staates ist und was nicht. In manchen Bereichen sind Privatisierungen sinnvoll. Bei originären staatlichen Kernaufgaben wie der Gewährleistung der inneren Sicherheit geht das allerdings nur schwer und in gewissen Grenzen. Und Privatisierung ist generell kein Allheilmittel und man kann damit auch zu weit gehen. Seit ich mich ein paar Jahre lang mit dem Thema Bundesdruckerei beschäftigt habe, weiß ich, dass zu viel Privatisierung auch zu Schwierigkeiten führen kann. Man muss die richtige Balance finden.
Aber auch dort, wo es um staatliche Aufgaben geht, stellt sich die Frage, ob nicht zumindest verwaltungsinterne Querschnittsaufgaben privatisiert werden sollen oder ob wir eine andere Form der Zusammenarbeit finden. Jedenfalls im Bundesinnenministerium, im Bundesfinanzministerium, im Kanzleramt stellen sich immer wieder privatwirtschaftliche Unternehmen vor, die behaupten, dass sie Buchhaltungsaufgaben – Reisekostenabrechnungen oder Gehaltsabrechnungen – günstiger erledigen könnten als die Verwaltung selbst.
Ich bin davon bisher noch gar nicht so überzeugt, sondern glaube, dass wir in der Lage sind, verwaltungsinterne Aufgaben mindestens ebenso wirtschaftlich und gut zu erfüllen. Das zeigt die Erfahrung mit den Dienstleistungszentren auf Bundesebene: dem Bundesverwaltungsamt, dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, der Bundesnetzagentur, dem Kraftfahrt-Bundesamt, dem Beschaffungsamt des BMI, dem Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik und der Bundesstelle für Informationstechnik.
Wir haben bereits vor Jahren damit begonnen, standardisierbare Aufgaben wie die Berechnung der Bezüge, der Beihilfe oder der Reisekosten auf Dienstleistungszentren zu übertragen. Wir haben auch das Kaufhaus des Bundes eingerichtet.
Dienstleistungszentren optimieren, standardisieren, automatisieren und bündeln die Prozesse. Die Leistungen sind dadurch schneller, besser und deutlich günstiger geworden. Wir haben Personal- und Sachkosten reduziert, die Behörden können sich auf ihre eigentlichen Fachaufgaben konzentrieren. Dienstleistungszentren tragen nicht zuletzt auch zu einer einheitlichen Rechtsanwendung bei.
Wegen dieser Vorteile sollten wir überlegen, ob und wo wir noch weitere verwaltungsinterne Aufgaben in Dienstleistungszentren bündeln können. Im Haushalts- und Personalbereich, bei der Beschaffung oder bei der Informationstechnologie sehe ich Möglichkeiten, die wir noch nicht genutzt haben.
Aber Dienstleistungszentren sind nur sinnvoll, wenn eine ausreichende Menge an Serviceleistungen ausgelagert wird. Je mehr Behörden sich beteiligen, desto mehr Synergieeffekte bringt es.
Und deshalb hat die Bundesregierung beschlossen, die Dienstleistungszentren auszubauen.BMI, BMF, BMVBS, BMVg und BMWi schaffen nun gemeinsam die Voraussetzungen dafür, dass die Bundesbehörden weitere Querschnittsaufgaben aus den Bereichen Personal, Haushalt, Beschaffung, IT, Organisation und innere Dienste auf Dienstleistungszentren übertragen können. Das Bundesinnenministerium wird noch in diesem Jahr Arbeitsprozesse auf das Bundesverwaltungsamt und das Beschaffungsamt übertragen. Die anderen beteiligten Ressorts bereiten ähnliche Schritte vor. Und wenn alle Behörden an einem Strang ziehen, werden wir nach und nach einen wirklichen Strukturwandel erreichen.
Themen wie diese zeigen, dass wir in der Verwaltung eine Kultur brauchen, die – neben den eigenen Aufgaben – das Interesse des Ganzen nicht aus dem Blick verliert. Die Eigenständigkeit von Behörden und Ressorts darf nicht zu einer Zersplitterung in Einzelinteressen führen, wie es gelegentlich der Fall ist. Wir brauchen die richtige Balance zwischen Eigenständigkeit und Zusammenarbeit, weil wir letzten Endes alle dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet sind.
Es hängt von unserer Einstellung, von unserer Tatkraft und unseren Entscheidungen ab, wie die Zukunft der Verwaltung aussieht. Deswegen machen wir einmal im Jahr auch die Behördenleitertagung, um zu erreichen, dass wir voneinander lernen, dass wir Anregungen bekommen, dass wir einen Austausch haben über das, was geht und was notwendig ist. Deswegen wünsche ich Ihnen für Ihre Tagung einen offenen und regen Austausch und ich wünsche Ihnen, dass Sie – zurück in Ihren Behörden – die Kraft, den Mut, das Engagement und das Glück haben – ein bisschen Glück gehört auch immer dazu –, unsere Aufgaben im Interesse unseres Landes und in der richtigen Wahrnehmung der Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich wahrzunehmen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für Ihre Tagung und für danach alles Gute.