„Eine freiheitliche Ordnung beruht auch auf Vertrauen“



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit „Die Welt“

Die Welt: Herr Minister, wie wichtig ist Sicherheitstechnik in Zeiten von Firmenspionage und Terror?

Wolfgang Schäuble: Der internationale Terrorismus und die Bedrohung der deutschen Wirtschaft durch ausländische Wirtschaftsspionage sind wichtige Einsatzgebiete für neue und innovative Sicherheitstechnik. Die Security 2008 will sich in diesem Jahr verstärkt der Sicherheitstechnik in Unternehmen widmen. Dazu zählen „Security over IP“, technische Detektionsmöglichkeiten zur Feststellung von Datenabflüssen, die Integration der klassischen Sicherheitstechnik in betriebliche Computernetze und die vielfältigen Anwendungen der Radiofrequenz-Identifikation (RFID). Die verstärkte Nutzung moderner Sicherheitstechnik ist aber auch ein wichtiger Stützpfeiler für die Effizienzsteigerung unserer Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

Die Welt: Sie wollen, dass Behörden zur Terrorabwehr stärker Zugriff auf private Bereiche im Internet erhalten. Genügen Ihnen die bestehenden Möglichkeiten nicht?

Dr. Schäuble: Das Grundgesetz fordert die Gewährleistung der Sicherheit durch den Staat. Die Bürger haben Anspruch darauf, dass die Sicherheitsbehörden Angriffe gegen die Sicherheit der Bevölkerung in einem frühen Stadium Einhalt gebieten können. Der global vernetzte Terrorismus und die Organisierte Kriminalität nutzen die modernen Kommunikationsplattformen, die das Netz bietet. Internetforen, Chatrooms, Mobilfunk und Internet-Telefonie werden intensiv – teils unter Verwendung moderner Verschlüsselungs- und Verschleierungsmethoden – für das Verabreden und Vorbereiten schwerwiegender Straftaten und damit für Angriffe gegen die Sicherheit genutzt. Die Sicherheitsbehörden müssen diesen Herausforderungen gerecht werden und sind deshalb in strategischer, operativer, personeller und rechtlicher Hinsicht fortlaufendem Anpassungsdruck ausgesetzt. Dazu gehören neben dem Einsatz moderner Sicherheits- und Überwachungstechnik auch die zur Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Befugnisse. Mit der Novellierung des Bundeskriminalamtgesetzes wird u. a. die aus meiner Sicht wichtige Befugnis für die Online-Durchsuchung geschaffen. Damit ist gewährleistet, dass das Bundeskriminalamt Schritt halten kann mit der Nutzung modernster Informationstechnologien durch Terroristen.

Die Welt: Wo sehen Sie Grenzen? Immerhin spionierten Firmen Mitarbeiter aus und sind auch öffentliche Kameras umstritten?

Dr. Schäuble: Die problematischen Fälle, in denen führende deutsche Unternehmen Mitarbeiter überwacht und dabei möglicherweise die Grenze zur Legalität überschritten haben, untergraben das Vertrauen in unsere Ordnung. Gleichwohl sollte man von Verallgemeinerungen absehen. Klar ist, eine freiheitliche Ordnung beruht auch auf Vertrauen, und diejenigen, die herausgehobene Verantwortung haben, müssen besonders sorgfältig damit umgehen. Sicherheit ist für die Lebensqualität der Menschen ein hohes Gut und ein Standortfaktor von großer Bedeutung. Es ist nicht Ziel beim Einsatz technischer Überwachungsmöglichkeiten wie beispielsweise im öffentlichen Raum, Freiheitsrechte einzuschränken, stattdessen soll die Sicherheit für die Gesellschaft, für die Bürger, die Wirtschaft, Anlagen und Versorgungseinrichtungen erhöht werden. Die Videoüberwachung – als ein Beispiel für moderne Sicherheitstechnologien im öffentlichen Raum – hat sich bewährt und ist als Teil gezielter Einsatzkonzeptionen geeignet, Gefahren abzuwehren, Straftaten zu verhüten und zu verfolgen. Denken Sie an die versuchten Kofferbomben-Attentate 2006 in Koblenz und Dortmund. Ohne Videoüberwachung wäre es nicht möglich gewesen, die Täter so schnell zu identifizieren und zu fassen. Der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung muss dabei selbstverständlich berücksichtigt werden. Ein Maximum an informationeller Selbstbestimmung nützt allerdings nichts, wenn dadurch die Freiheit verloren geht, sich sicher bewegen zu können.

Die Welt: Was erwarten Sie als Schirmherr von der Security 2008?

Dr. Schäuble: Unsere moderne, hoch vernetzte Gesellschaft ist in besonderer Weise von der Stabilität technischer Infrastrukturen abhängig. Die Mehrzahl der für unsere Gesellschaft als kritisch zu betrachtenden Infrastrukturen ist in privater Hand. Deshalb müssen, um den wirkungsvollen Schutz dieser Anlagen, Einrichtungen und Systeme sicherzustellen, Staat und Wirtschaft zusammenarbeiten. Die Aussteller der Security 2008 werden u. a. Kontroll- und Überwachungseinrichtungen, Brandmeldegeräte, Kriminaltechnik, Möglichkeiten zum anlagentechnischen und baulichen Brandschutz sowie Dienst- und Schutzkleidung präsentieren. Es freut mich, dass wir in Deutschland mit der Security in Essen eine internationale Leitmesse für Sicherheitstechnik haben, von der die mit Sicherheitsaufgaben befassten Behörden und die Wirtschaft gleichermaßen profitieren. Mit der Übernahme der Schirmherrschaft auch für die diesjährige Messe folge ich einer langen, guten Tradition. Die Messe erfährt 2008 ihre 18. Auflage und wird sicherlich erneut Rekordzahlen bei Ausstellern und Besuchern verzeichnen. Mich überzeugt – neben den im internationalen Vergleich hohen Standards der in Deutschland angebotenen Sicherheitslösungen – die hervorragende Organisation, der gut durchdachte Rahmen und die Schwerpunktsetzung der Messe.