Dr. Wolfgang Schäuble zu den aktuellen Ergebnissen der Steuerschätzung



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der radioWelt

 

Am Telefon bei radioWelt ist der Bundesfinanzminister, Dr. Wolfgang Schäuble.

Grüß Gott, Herr Schäuble!

BM Schäuble: Grüß Gott, Herr Pagels!

Herr Schäuble, befürchten Sie jetzt ein Comeback der Steuersenkungsdebatte?

BM Schäuble: Nein, Herr Pagels. Auch das, was Sie in Ihrer Einleitung eben gesagt haben, muss ja ein Stück weit relativiert werden. Es ist richtig: [vergleicht man] die Zahlen, die Sie genannt haben für drei Länder addiert gegenüber dem Ergebnis der Steuerschätzung[Glossar] im Mai dieses Jahres haben wir die entsprechenden Verbesserungen oder es ist nicht so schlecht gekommen, wie im Mai noch zu befürchten war. Wenn Sie aber die tatsächlichen Zahlen anschauen, dann hatten wir 2008 insgesamt – Bund, Länder, Kommunen – einschließlich der Abführungen an die Europäische Union Steuereinnahmen von ungefähr 560 Mrd. Euro [Glossar]. Und auch auf der Grundlage der neuen Schätzungen werden wir in diesem Jahr insgesamt statt 560 Mrd. nur 525 Mrd. Steuereinnahmen haben, 537 Mrd. im Jahre 2011 und erst im Jahre 2012 sind wir wieder in etwa auf dem Niveau des Jahres 2008. Es zeigt sich – das ist die erfreuliche Nachricht – die gute Entwicklung amArbeitsmarkt [Glossar], die gute Entwicklung unserer Wirtschaft führt dazu, dass Deutschland auf dem richtigen Weg ist, aus dieser schwersten Krise der Nachkriegszeit herauszukommen. Aber wir haben nichts zu verteilen, sondern wir haben lediglich die Bestätigung, Deutschland ist auf dem richtigen Weg. Das ist die Botschaft dieser Zahlen. Und wir können es tatsächlich schaffen, wie die Bundeskanzlerin am Anfang der Legislaturperiode gesagt hat, in dieser Legislaturperiode wieder den Zustand vor der Finanz- und Bankenkrise zu erreichen, nicht mehr und nicht weniger. Und dazu braucht man eine Fortsetzung dieser angestrengten, konsequenten, ehrgeizigen Politik.

Verstehe ich Sie richtig, Herr Schäuble, Steuersenkungen – nein!?

BM Schäuble: Wir haben dafür keinen Spielraum. Ich sagte gerade, wir sind nach den Ergebnissen dieser Steuerschätzung im Jahre 2012 gesamtstaatlich in etwa wieder auf dem Niveau, auf dem wir 2008 waren. Nun wissen Sie, die allermeisten Menschen würden sagen, auch in der Wirtschaft, wenn wir 2012 genauso viel haben wie 2008, dann haben wir ja nicht eine erfreuliche Entwicklung, sondern dann haben wir Stillstand. Und deswegen – wir haben nichts zu verteilen. Das ist nicht neu. Das hat die Bundesregierung so beschlossen; die Koalition auch mit großer Geschlossenheit. Sie hat immer gesagt, Vorrang hat die Rückführung der viel zu hohen Neuverschuldung, die als Folge dieser schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit eingetreten ist. Man muss ja auch bei den guten Wachstumszahlen des Jahres 2010, die Bundesregierung erwartet jetzt ein Wachstum von 3,4 Prozent in diesem Jahr das vor dem Hintergrund sehen, dass wir im Jahre 2009 den stärksten Rückgang hatten – einen so gar nicht für möglich gehaltenen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts in der Größenordnung von annähernd 5 Prozent. Das heißt wir holen auch da nur einen Teil dessen auf, was im vergangenen Jahr verloren wurde.

Aber Herr Schäuble, es gibt ja doch die ein oder andere Stimme auch aus der Regierungskoalition, die doch laut über Steuersenkungen nachdenkt. Also wir hatten gestern ein Gespräch mit dem FDP-Haushaltsexperten Fricke und der meinte, ab 2012 wäre da sicher was zu machen und aus Bayern kommen die Stimmen von Horst Seehofer.

BM Schäuble: Na gut, ich kenne sehr genau die Position von Horst Seehofer, wir machen das ja auch in der Koalition und in der Regierung sehr einvernehmlich und wir stimmen alle überein. Übrigens der Kollege Fricke ist ein besonders engagierter Mitstreiter und ein sehr verlässlicher Mitstreiter im Haushaltsausschuss für genau diesen Weg der Zurückführung der zu hohen Neuverschuldung und er hat gesagt, was wir alle sagen. Und Horst Seehofer hat das auch nicht anders gesagt. Mit dieser Politik haben wir jetzt keinen Spielraum für Steuersenkungen. Ein begrenztes Volumen setzen wir ein für Steuervereinfachungen, wir müssen etwas tun, um die Lage der Kommunalfinanzen zu verbessern. Aber für die großen Steuersenkungen, wie sie in der Öffentlichkeit z. T. diskutiert werden, gibt es keinen Spielraum. Das ist die Auffassung der bayerischen Staatsregierung, das ist die Auffassung des Kollegen Fricke, es ist die gemeinsame Auffassung von CDU, CSU und FDP, und das trägt die Finanzpolitik [Glossar] der Bundesregierung.

Erlauben Sie mir noch eine persönliche Frage, Herr Schäuble, es stehen für Sie anstrengende Wochen bevor, die Haushaltsberatungen werden beginnen, ich denke, die Debatte um die Steuersenkungen ist auch noch nicht ganz abgeschlossen – wie geht es Ihnen?

BM Schäuble: Och, es geht mir gut. Ich habe ja die Zeit genutzt. Ich musste noch einmal eine Auszeit nehmen und jetzt geht es mir gut. Ich muss mich noch ein bisschen an bestimmten Punkten einer gewissen Schonung unterziehen, aber das schadet ja ohnedies nicht. Ich glaube, ich bin den Anforderungen meines Amtes gewachsen!

Wir wünschen Ihnen von dieser Stelle alles Gute.

BM Schäuble: Vielen Dank.

Das war der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Telefon der radioWelt, Dankeschön für das Gespräch, Herr Schäuble.

BM Schäuble: Bitte sehr.

Dieses Interview wurde vor der Sendung aufgezeichnet.

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