Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich der Schlussberatungen zum Bundeshaushalt 2013



23.11.2012

Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich der Schlussberatungen zum Bundeshaushalt 2013

Rede im Bundestag

Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Haushaltsberatungen sind anstrengende Arbeit über Monate hinweg. Deswegen möchte ich gegen Ende der Haushaltsdebatte zunächst einmal den Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses für die intensive Arbeit danken. In diesen Dank schließe ich ausdrücklich die erkrankte Vorsitzende mit ein und schließe mich den Genesungswünschen an.

Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments und, wenn Sie erlauben, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien und nicht zuletzt der Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums bedanken. Auch da ist viel Arbeit geleistet worden.

Herr Kollege Claus, ich will der Versuchung widerstehen, zum Ende der Haushaltsdebatte mit Ihnen über das Jahr 1990 zu diskutieren, obwohl ich natürlich viel Freude daran hätte, Ihnen die Situation damals zu erklären. Sie sprachen von der Wohnungssituation in der ehemaligen DDR. Ich weiß noch, wie diese Situation vor der Wiedervereinigung war und was daraus geworden ist. Darüber könnte man eine lange Debatte führen. Das wollen wir heute aber nicht tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber warum reden Sie dazu nicht? – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Es ist klar, dass Sie gleich zu Beginn laut werden. Offensichtlich gibt es noch etwas, was Sie bisher nur verdrängt und noch nicht verarbeitet haben.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ich habe immer in Frankfurt gewohnt!)

Ich habe auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Claus geantwortet.

Sie haben über die Arbeitslosigkeit gesprochen. Meine Damen und Herren, natürlich ist jeder Arbeitslose ein Arbeitsloser zu viel. Die Wahrheit ist aber, dass wir den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung haben. Die Wahrheit ist auch, dass wir den höchsten Beschäftigungsstand in Deutschland überhaupt erreicht haben. Das ist ein Erfolg für die Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Mit Niedriglöhnen, befristeten Arbeitsverhältnissen und Leiharbeit!)

Wenn Sie die Sorgen und Nöte von Menschen nicht missbrauchen wollen, dann müssen Sie auch sagen, dass die Arbeitslosigkeit vor allem in den neuen Ländern signifikant zurückgegangen ist und dass vor allen Dingen auch die Langzeitarbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern zurückgeht. Das ist ein Erfolg und Ergebnis einer insgesamt guten Entwicklung, die wir in den letzten Jahren vorangebracht haben.

(Johannes Kahrs [SPD]: Das hat mit Ihrer Regierung aber überhaupt nichts zu tun! Eher mit Gerhard Schröder!)

Herr Kollege Hagemann, ich habe schon zu Beginn der Haushaltsdebatte gesagt, dass der erste Haushaltsentwurf dieser Legislaturperiode eine Neuverschuldung im Jahr 2010 von 86 Milliarden Euro vorsah. Dieser erste Entwurf ist von Peer Steinbrück unterschrieben worden und der zweite von mir als Finanzminister. Diese Neuverschuldung war die Folge davon, dass wir die starken Auswirkungen der Krise in den Jahren 2008 und 2009 im Haushalt 2010 bekämpfen mussten.

Herr Kollege Hagemann, weil dies so ist, sollten Sie nicht sagen, wir hätten in dieser Legislaturperiode die Nettokreditaufnahme auf – ich habe es mir aufgeschrieben – insgesamt 117 Milliarden Euro erhöht. 86 Milliarden Euro davon waren schon für das Jahr 2010 vorgesehen. Sie erkennen daran, wie widersprüchlich Ihre eigene Argumentation ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wahr ist, wir haben gemeinsam eine Krise gut überwunden. Wahr ist, dass wir kontinuierlich die damals notwendige, aber dauerhaft zu hohe Verschuldung zurückgeführt haben. Wahr ist, dass wir diesen Weg konsequent fortsetzen. Wir bewegen uns deutlich im Bereich der Einhaltung der Schuldenbremse des Grundgesetzes, und das ist der richtige Weg.

Zudem führen wir diese Haushaltsberatungen heute in einer Lage, in der wir alle miteinander mit einem Ohr mehr in Brüssel als im Deutschen Bundestag sind; denn die Verhandlungen über die mittelfristige Finanzplanung sind für die Europäische Union von großer Bedeutung. Dadurch wird natürlich wie in einem Brennglas deutlich, wie schwierig die Lage in Europa insgesamt ist. Am Montag wird die Euro-Gruppe wieder tagen. Am Mittwoch hatte ich die Freude, alle Fraktionen des Deutschen Bundestages kurz über den erreichten vorläufigen Stand der Beratungen in der Euro-Gruppe zu informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil dies so wichtig ist, müssen wir unsere Haushaltspolitik einbinden in das – ich sage es erneut –, was wir europäisch und international miteinander besprochen haben. Auf europäischer und internationaler Ebene gibt es die klare Verabredung, dass wir alle unsere viel zu hoch verschuldeten Haushalte konsolidieren und die Verschuldung zurückführen. Wir führen die Verschuldung aber so zurück, dass wir gleichzeitig unserer Verantwortung für nachhaltiges Wachstum in jedem Land und in Europa insgesamt gerecht werden. Bei der Zurückführung der Verschuldung achten wir darauf, dass die Ungleichgewichte innerhalb des gemeinsamen Währungsraums nicht größer, sondern kleiner werden. Deshalb erfüllen wir mit unserer Finanz- und
Wirtschaftspolitik unsere europäischen Verpflichtungen.

Sie können doch nicht in einer Rede zunächst sagen, wir sollten viel mehr für Europa tun, und anschließend kritisieren, dass wir Ihrer Meinung nach viel zu viel für Europa tun würden. Das macht doch keinen Sinn.

Unsere nationale Finanz-, Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik bindet sich ein in unsere europäischen und globalen Verpflichtungen. Das wird uns im Übrigen von allen internationalen Institutionen und auch von der Europäischen Kommission bestätigt. Das ist ein wichtiges Argument gegen den Vorwurf, wir hätten die Defizite schneller reduzieren können. Dann wären wir aber auf der anderen Seite unserer Verantwortung, die wir in Europa haben und übernommen haben, nicht gerecht geworden.

Nun zu einem anderen Punkt, den Beratungen in Europa. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen diesen Weg gehen, wie ihn die Bundeskanzlerin am Mittwoch in der Haushaltsdebatte beschrieben hat, dass wir nämlich Schritt für Schritt die Probleme lösen, weil wir nicht in dem einen großen Schritt die europäischen Probleme gelöst bekommen. Das ist so hoffnungslos wie nur irgendetwas. Wir müssen die Dinge Schritt für Schritt voranbringen. Wir müssen die Ursachen der Krise, der Vertrauenskrise in unsere gemeinsame Währung, dadurch beseitigen, dass alle Länder ihre Aufgaben machen. Und das tun sie auch Schritt für Schritt. Sie tun es im Übrigen auch nur, wenn die Solidarität jeweils mit Auflagen verbunden ist und das Ganze im entsprechenden Zeitraum überprüft wird.

Wir wissen doch alle, dass Parlamente immer dazu neigen, die weniger schwierigen Entscheidungen leichter zu treffen als die, die unbedingt notwendig sind. Deswegen ist der Weg der schrittweisen Lösungen dieser Krise der richtige. Wir sind auf diesem Weg gut vorangekommen. Die Defizite in der Euro-Zone sind in den letzten drei Jahren halbiert worden.

Wir haben einen Fiskalvertrag erreicht. Jeder im Deutschen Bundestag hätte gelacht, wenn man vor zwei Jahren vorhergesagt hätte, dass auch die anderen Länder sich verpflichten, eine Regelung einzuführen, die der Schuldenbremse unseres Grundgesetzes entspricht. Nur so kann es gehen. Deswegen ist es falsch, wenn es immer heißt: Jetzt muss endlich einmal gesagt werden, was das Ganze am Ende insgesamt kostet. Diese Argumentationsweise ist unrichtig.

Der Kollege Brüderle hat in dieser Woche sehr klar gesagt, dass sich niemand darin täuschen soll: Wir müssen in unsere gemeinsame europäische Zukunft investieren. Das tun wir auch. Aber wir tun es natürlich nicht, um anderen einfach das Geld zu geben, sondern wir tun es, weil wir wissen, es ist zum Besten für die deutschen Interessen. Wir haben nur dann eine gute Zukunft, wenn wir unsere Möglichkeiten in dieser enger zusammenwachsenden Welt gemeinsam wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen ist Europa nur dann stark, wenn wir insgesamt stark sind. Wenn ein Teil schwach ist, dann werden wir alle den Schaden davontragen. Diejenigen, denen es am besten geht – das sind zurzeit unter anderem wir –, haben übrigens auch mehr zu verlieren. Deswegen ist eine europäische Verantwortung so wichtig, und deswegen wäre es falsch, anderen nicht wieder und wieder zu sagen: Wir tun unseren Teil, aber erfüllt ihr bitte eure Verpflichtungen ebenfalls. – Wir erfüllen mit diesem Haushalt unsere europäischen Verpflichtungen – nicht mehr und nicht weniger.

Wir haben mit dieser Politik – zu der die Finanzpolitik beiträgt, wenn auch nicht alleine – erreicht, dass wir viel weiter sind, als wir es am Anfang dieser Legislaturperiode für möglich gehalten hatten. Damals haben wir gesagt: Wenn wir am Ende der Legislaturperiode wieder so weit sind, wie wir vor der Lehman-Brothers-Krise waren, dann wäre es gut. Heute sind wir viel weiter.

(Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])

Damals haben Sie gesagt, eine Marke von 3 Millionen Arbeitslosen sei gar nicht zu schaffen. Wir liegen inzwischen deutlich darunter.

Ich sage es noch einmal: Es sind nicht alle Probleme gelöst. Wir werden auch in den kommenden Jahren Anstrengungen unternehmen müssen. Es wird noch Auseinandersetzungen im Konkreten und über die Details geben. Das Allgemeine ist immer schön; das Ganze dann aber konkret in Zahlen umzusetzen, ist schwierig. Ich glaube aber, dass wir insgesamt mit den Entscheidungen hinsichtlich dieses Bundeshaushalts die richtigen Maßnahmen getroffen haben.

Niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, was uns in den nächsten Monaten noch erwarten wird. Niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, was in Europa noch möglich ist. Wenn Sie also immer erwarten, es müsse jetzt für alle Zukunft gesagt werden, wo es langgeht, damit man die spätere Entwicklung mit dem vergleichen kann, was wir beispielsweise drei Jahre zuvor gesagt haben, dann ist das falsch.

Die Wahrheit ist: Wir fahren ein Stück weit auf Sicht. Die Wahrheit ist: Wir werden unserer Verantwortung gerecht. Die Wahrheit ist: Wir haben damit bisher für die Deutschen, für unser Land und für die Menschen in unserem Land das Beste erreicht. Das kann jeder überprüfen. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Bundeshaushalt. Herzlichen Dank.