Dienstrechtsreform im Bund ? ein Signal mit föderaler Wirkung



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich des 10. Schöneberger Forums des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 13. November 2007 in Berlin

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie diese Veranstaltung, die etwa zeitgleich mit der Regierung 1998 nach Berlin umgezogen ist, begonnen hat. 1991, als ich schon einmal Bundesinnenminister war und das Schöneberger Forum noch ?Beamtenpolitisches Forum? hieß, hat sich die erste Veranstaltung mit dem Thema ?Verhandeln statt verordnen? beschäftigt. Damals haben wir miteinander die Frage diskutiert, wie weit die Beteiligungsrechte der Gewerkschaften an den dienstrechtlichen Vorhaben reichen sollen. Hierbei waren und sind wir bis heute nicht einer Meinung. Aber das ist nun einmal bei unterschiedlichen Interessenlagen so und zeichnet unsere demokratische Gesellschaft aus. Der Tagungsort heute, der John- F. Kennedy- Platz und die Freiheitsglocke über dem Schöneberger Rathaus dokumentieren dieses
als Symbol für Freiheit und für die Freiheit der Meinungen. Außerdem: Wenn
zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, taugen beide nichts. Das hat
schon Konrad Adenauer gesagt.

Am Ende entscheidet das Ergebnis. Auch wenn im Beamtenrecht nicht mit den Gewerkschaften verhandelt wird, vom bloßen ?verordnen? haben wir uns inzwischen ein gutes Stück weit entfernt. Das zeigt nicht zuletzt die im Oktober dieses Jahres gemeinsam mit dem DGB und dem dbb unterzeichnete Modernisierungs- und Fortbildungsvereinbarung ?Für Innovationen, Fortbildung und Führungskräfteentwicklung in der Bundesverwaltung?. Die Bundesregierung und die Gewerkschaften haben sich darin auf Grundsätze, Ziele und Maßnahmen zur Verwaltungsmodernisierung verständigt. Diese Themen sind die Themen der Zukunft, die wir nur gemeinsam und im Dialog mit den Beschäftigten lösen wollen.

Die Modernisierung der Bundesverwaltung ist ein stetiger Prozess und es gibt nicht die eine Reform, die auf einen Schlag alle Probleme für alle Zukunft löst. Das hat es nie gegeben und das wird es nie geben.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Anforderungen an die Verwaltung und den öffentlichen Dienst, ja an uns alle, ständig ändern. Auch die Verwaltung und auch das öffentliche Dienstrecht sind damit regelmäßig der Frage ausgesetzt, was es zu bewahren gilt, weil es sich bewährt hat und was zu reformieren ist, weil sich die Grundlagen verändert haben.

Leistungsfähigkeit, Qualität und Kosten der öffentlichen Verwaltung sind und bleiben auch in Zukunft die wesentlichen Maßeinheiten. Sie sind Standortfaktoren für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand. Die öffentliche Verwaltung gewährleistet die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, entwickelt und betreibt Infrastrukturen, offeriert Kultur- und Bildungsangebote, bietet Rechtsschutz und Rechtssicherheit. Diese Faktoren sind für Investitionen von Unternehmen in Deutschland ausschlaggebend.

Die Welt der Wirtschaft mit ihren eigenen Begrifflichkeiten wie ?Dienstleistung? und ?Kundenorientierung? kann dabei durchaus beim Blick über den Tellerrand eine Orientierungshilfe bieten. Wir müssen aber aufpassen, dass wir Sinn und Zweck staatlichen Handelns nicht nur durch die ökonomische Brille sehen ? und so letztlich aus den Augen verlören. Es reicht nicht, Verwaltung und Beamtenschaft ausschließlich unter Kostengesichtspunkten zu beurteilen.

Der Reichtum menschlichen Lebens und die Vielfalt menschlicher Gesellschaften
vertragen sich grundsätzlich nicht mit dem Versuch, alle Bereiche nur über einen
Leisten zu schlagen. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche wäre fatal. Es gibt ein Jenseits von Angebot und Nachfrage, wie wir gerade von liberalen Ökonomen wissen, und der Rechtsstaat, die rule of law, ist Voraussetzung und nicht Ergebnis von wirtschaftlichem Wettbewerb.

Es wäre auch unsinnig, den Beamtenstatus als solches nur wegen der Versorgungslasten in Frage zu stellen. Aber wir können auch nicht unkritisch nur so weiter machen wie bisher, denn dann würden wir die Folgen der demographischen Entwicklung ignorieren. Die dauerhaft niedrige Geburtenrate in Deutschland und die weiter steigende Lebenserwartung fordern jetzt Maßnahmen, die sich auf diese Entwicklung einstellen. Das ist aber kein speziell beamtenrechtliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem.

In der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger geht oft unter, dass unser öffentlicher Dienst gut funktioniert. Wir haben uns an das hohe Niveau öffentlicher Aufgabenerfüllung gewöhnt. Vielleicht wissen wir deshalb diesen Standard nicht mehr richtig zu schätzen. Bürgerinnen und Bürger haben oft widersprüchliche Anforderungen an den Staat. Er soll auf der einen Seite ?schlank? sein und nichts kosten. Alle sind für den Abbau von Bürokratie und der Beamtenapparat sei viel zu groß. Fragen Sie aber die gleichen Leute, für welche Aufgaben der Staat in ihren Augen zuständig sein sollte, so zeigt sich ein ganz anderes Bild. Ein starker Staat, der umfassend für seine Bürger sorgt und alle Probleme löst, ist die Wunschvorstellung vieler.

Ich räume ein, dass sich Begriffe wie z. B. ?Berufsbeamtentum? und ?Treuepflicht? schon sehr von dem durch Anglizismen geprägten ?Wirtschaftsdeutsch? unterscheiden. Sie lassen den öffentlichen Dienst schnell in den Verdacht geraten, nicht mehr zeitgemäß zu sein. Wir sind aufgerufen, diesem Eindruck entgegen zu treten.

Ich widerspreche ausdrücklich denen, die den öffentlichen Dienst pauschal schlecht reden. Pauschale Urteile oder Vorurteile und das Negativklischee des ?mürrischen? Beamten basieren häufig nicht auf konkreten negativen Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern. Das zeigen gerade wieder die Ergebnisse einer vom dbb in Auftrag gegebenen Bürgerbefragung des Forsa-Instituts zum öffentlichen Dienst. Grund für das hier festgestellte überwiegend negative Ansehen der Beamten bei den befragten Bürgern sind Voreingenommenheiten, die sich über Jahre verfestigt und inzwischen verselbständigt haben.

Der öffentliche Dienst stellt seine Leistungsfähigkeit Tag für Tag unter Beweis. Beamtinnen und Beamten in Deutschland sind Garant für eine Verwaltung, in der ausschließlich nach Recht und Gesetz gehandelt wird und in der Willkür und Korruption keinen Platz haben dürfen. Als ?Staatsdiener? sind sie dem Gemeinwohl verantwortlich. Das beinhaltet für sie zahlreiche Pflichten, zum Beispiel das Amt unparteiisch, gerecht und auch parteipolitisch neutral zu führen. Verletzt eine Beamtin oder ein Beamter diese Pflichten, hat dieses Verhalten disziplinarische und strafrechtliche Konsequenzen zur Folge. Darüber hinaus schulden Beamtinnen und Beamte ihrem Dienstherrn den vollen persönlichen Einsatz für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Ein Streikrecht ist mit dem Berufsbeamtentum nicht zu vereinbaren. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gesichert. So kann der öffentliche Dienst auch nicht wie große Teile des Regionalverkehrs der Deutschen Bahn durch den Lokführerstreik lahm gelegt werden.

Die durch die besondere Verfassungsbindung geprägte und allein am Gemeinwohl orientierte Beamtenschaft ist unverzichtbar und Stütze unseres Gemeinwesens. Das von der Verfassung vorgegebene System der zwei Statusgruppen im öffentlichen Dienst hat sich bewährt. Deshalb halten wir daran fest und erteilen allen Vorschlägen zur Schaffung eines ?einheitlichen Beschäftigtenstatus auf privatrechtlicher Grundlage? eine klare Absage. Unser Ziel ist es, das Berufsbeamtentum zu stärken und das Dienstrecht für die Zukunft fortzuentwickeln.

Auch insoweit gilt übrigens meine Überzeugung, dass wir nicht alles immer nur über einen Leisten schlagen sollten. Diversität ist in der Natur, in der Ökologie und in der Kultur als Voraussetzung für Nachhaltigkeit und Stabilität und grundsätzlich als Bereicherung bekannt.

Die Bewertung des öffentlichen Dienstes hängt oft mit der Ausgangssituation zusammen, in der sich Bürger und Beamter begegnen. Ein Berliner Geschichtsprofessor hat diese Situation kürzlich einmal zutreffend so geschildert: ?Der Bürger sitzt dem personifizierten Staat gegenüber und will etwas, das gelingt oder eben nicht?.1
Dieses Gefühl der ?Ohnmächtigkeit? wird in bestimmten Bereichen bleiben, da kann der öffentliche Dienst noch so freundlich und kundenorientiert sein.

 

 

 

 

Der Finanzbeamte wird niemals vom Steuerzahler geliebt. Aber der Steuerbeamte ist für den Staat unverzichtbar, ohne seine Tätigkeit geht es nicht. Der Staat ist kein beliebiger Anbieter von Leistungen. Deshalb ist es wichtig, die öffentliche Verwaltung so zu gestalten, dass sie eine verlässliche staatliche Leistung erbringt.

In den letzten Jahren hat sich der öffentliche Dienst nachhaltig verändert. Verglichen mit 1997 stehen wir heute einer anderen öffentlichen Verwaltung gegenüber. Wir haben modernisiert, verwaltungsinterne Abläufe standardisiert und gebündelt und Behörden umorganisiert. Der Einsatz der IT- Technik hat die Abläufe vernetzt und schneller gemacht. Im Dienstrecht sind zahlreiche Reformen erfolgt, um den öffentlichen Dienst an die jeweiligen Notwendigkeiten und Herausforderungen anzupassen oder wie das Bundesverfassungsgericht sagt, ?in die Zeit zu stellen?:2

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland und die Aufgabe, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, setzen auch für die öffentliche Verwaltung und die Beschäftigten den Rahmen. Deshalb sind die Beamtinnen und Beamten des Bundes nicht verschont geblieben und haben ihren Beitrag geleistet. Ich will dafür als Beispiele nennen: Das Weihnachtsgeld ist in zwei Schritten gekürzt worden. Die Wochenarbeitszeit ist von 38,5 Stunden auf 41 Stunden heraufgesetzt worden. Dieser Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushalts war wichtig und ist nicht vergessen.

Auch hat es in den letzten Jahren Korrekturen bei der Versorgung geben müssen, da wir das System der Beamtenversorgung als Ganzes erhalten wollen. Dafür war es notwendig, die Beamtenversorgung auf eine sichere finanzielle Grundlage zu stellen und sie an die veränderten demographischen Rahmenbedingungen anzupassen.Diese Nachhaltigkeit ist auch im Interesse der Beamtinnen und Beamten.

Dazu sind die Entwicklungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nachvollzogen worden. Das hängt vorrangig damit zusammen, dass sich die demographischen Wirkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nur unwesentlich von denen in der Beamtenversorgung unterscheiden. Eine wirkungsgleiche Übertragung ist daher auch ein Gebot der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung.

Entscheidend ist jedoch, dass mit diesen Reformen die Weichen dafür gestellt werden, die Altersversorgung zukunftsfest zu halten, denn die Kosten der Beamtenversorgung insgesamt werden ? wenn auch bei den Ländern weitaus stärker als beim Bund ? erheblich ansteigen.

Die Ausgangssituation sah 1997 noch so aus, dass zu viele Beamtinnen und Beamte wegen Dienstunfähigkeit aus dem Dienst ausgeschieden sind. Für den Bundesbereich haben wir diese Zahlen erfreulicherweise zurückführen können. Im Jahr 2006 sind in der Bundesverwaltung nur noch 366 Personen vorzeitig ausgeschieden, während diese Zahl im Jahr 1997 noch mehr als dreimal so hoch bei rund 1.200 lag. Eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen räumt der Rehabilitation Vorrang vor der Versorgung ein, so dass ein vorzeitiges Ausscheiden vermieden werden kann. Aber auch die Einführung der Versorgungsabschläge hat zum Umdenken geführt und zeigt Wirkung.

Parallel dazu haben wir in den letzten Jahren im Bund begonnen, die Finanzierung der Beamtenversorgung im Interesse einer stärkeren Generationengerechtigkeit schrittweise auf eine vollständige Kapitaldeckung umzustellen. Ergänzend zu der bereits seit 1999 bestehenden Versorgungsrücklage des Bundes, die derzeit einen Bestand von rund 2 Mrd. Euro hat, haben wir Anfang dieses Jahres beim Bund einen Versorgungsfonds errichtet. Über regelmäßige Zuweisungen an den Versorgungsfonds
wollen wir sicherstellen, dass die Versorgungsausgaben für die seit 2007 neu
eingestellten Beamtinnen und Beamten ab dem Jahr 2020 vollständig daraus gezahlt werden können.

Gleichzeitig besteht daneben seit einigen Jahren auch für Beamtinnen und Beamte die Möglichkeit der ergänzenden privaten Vorsorge.

Der Nachhaltigkeitsgedanke wirkte sich in den vergangenen Jahren auch auf die
Beihilfe aus. Leistungsveränderungen durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurden 2004 wirkungsgleich auf die Beihilfevorschriften des Bundes übertragen. Beihilfeberechtigte tragen inzwischen grundsätzlich die gleichen Belastungen wie gesetzlich Krankenversicherte.

Diese Maßnahmen waren nötig. Sanieren und reformieren ist ?Handeln für die Zukunft?. Die nachfolgenden Generationen haben Anspruch darauf.

Im Jahr 1997 wurde die Gewährung von Leistungselementen zusätzlich zur Besoldung ermöglicht. Leistungsprämie, Leistungszulage und Leistungsstufe können bei herausragenden Leistungen gewährt werden. Hierbei war der Bund Vorreiter. Inzwischen werden jedes Jahr rund 42.000 Leistungselemente an Beamte des Bundes und Soldaten vergeben.

Im Vergleich mit den Ländern steht der Bund bis heute an der Spitze der Bewegung. Auch die Anwender beurteilen die Leistungselemente als Personalführungsinstrument überwiegend positiv.

Parallel dazu haben die Beamtinnen und Beamten ? im Gleichklang mit den Tarifbeschäftigten – in der Vergangenheit an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilgenommen. Die prozentualen Erhöhungen sind dabei grundsätzlich inhaltsgleich übernommen worden. Um Veränderungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen im Arbeitnehmerbereich zu berücksichtigen, sind lediglich die Erhöhungszeitpunkte um einzelne Monate teilweise hinausgeschoben worden.

Auch das letzte Tarifergebnis für den Bund mit Einmalzahlungen für die Jahre 2005 bis 2007 von jeweils 300 Euro ist inhaltsgleich für die aktiven Beamtinnen und Beamten des Bundes übertragen worden. Sie haben also in der Vergangenheit an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilgenommen und wurden weder ausgeschlossen noch abgekoppelt. Man darf die ?gefühlte? und die tatsächliche Entwicklung nicht v erwechseln. Dabei sind mir die Wirkungen der bereits angesprochenen Kürzungen bei der Sonderzahlung durchaus bewusst.

Bei dem Vergleich von Einkommensentwicklungen kann ich nur für eine ausgewogene Gesamtschau aller Beschäftigungsbedingungen werben, die einen längeren Zeitraum betrachtet. Eine nur punktuelle Gegenüberstellung einzelner Elemente ergibt ein schiefes Bild, zumal der Aussage- und Erkenntniswert auf Grund der grundsätzlichen Systemunterschiede eher begrenzt ist.

Bei einer solchen Gesamtschau darf beispielsweise die langfristige Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge im Arbeitnehmerbereich nicht außen vor bleiben. Aus meiner Sicht gehören die strukturellen Verbesserungen, etwa durch die Stellenhebungsprogramme, aber auch Beförderungen sowie der regelmäßige Aufstieg in den Grundgehaltsstufen auf die ?Haben-Seite?. Es mag sein, dass nicht jede Beamtin und jeder Beamte in gleicher Weise hiervon profitiert hat, da Beförderungen von dem Stellenhaushalt abhängig sind. Das Gesamteinkommen der Beamtinnen und Beamten ist aber insgesamt gestiegen.

Viele andere Maßnahmen wie mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung durch Teilzeit und Telearbeit zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Ermöglichung von Teilzeitbeschäftigung ohne besondere Voraussetzungen, die Einführung der gleitenden Arbeitszeit oder des Sabbatjahres haben die Beschäftigungsbedingungen in der öffentlichen Verwaltung verändert. Damit entspricht der öffentliche Dienst den Anforderungen, die die Mitarbeiter an ihren Dienstherrn und einen modernen und attraktiven Arbeitsplatz haben. Das sind nur einige Stichworte, die ich an dieser Stelle nennen möchte, um das Ausmaß der Veränderungen zu beschreiben.

Mit der Föderalismusreform I, die vor gut einem Jahr in Kraft getreten ist, erfolgte die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen für das öffentliche Dienstrecht in Bund und Ländern. Besoldung und Versorgung und das Laufbahnrecht liegen nun in den Händen der jeweiligen Dienstherren. Für den Bund war der Handlungsauftrag klar. Bereits der Koalitionsvertrag vom November 2005 hat festgelegt, für den Bundesbereich einen modernen öffentlichen Dienst zu schaffen, im Interesse effizienter Dienstleistung
für den Bürger. Mit dem Entwurf des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes, den
das Kabinett am 17. Oktober 2007 beschlossen hat, werden die erforderlichen Reformschritte auf den Weg gebracht.

Der Gesetzentwurf besteht aus einer ganzen Reihe von Einzelbausteinen, die insgesamt gesehen die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und das Leistungsprinzip stärken werden. Damit werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Chancen und Perspektiven eröffnet und Motivation gefördert.

Die Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts im Bund ist eingebettet in die übergreifende Gesamtstrategie der Bundesregierung für die Modernisierung der Bundesverwaltung. Das am 13. September 2006 dazu beschlossene Programm ?Zukunftsorientierte Verwaltung durch Innovationen? enthält eine Fülle von Handlungsfeldern und Modellprojekten mit den Bereichen Personal, Steuerung, Organisation und E-Government. Das Dienstrecht ist bewusst Teil dieser Modernisierungsstrategie, denn ohne gleichzeitige Anpassung der rechtlichen Grundlagen würden wir nicht weit kommen.

Ein wichtiger Teil der Dienstrechtsreform im Bund ist die Neufassung des Bundesbeamtengesetzes. Schwerpunkt ist die Reform des Laufbahnrechts. Wir wollen deutliche Akzente setzen, um das Laufbahnsystem zu vereinfachen. Derzeit haben wir auf Bundesebene rund 125 Laufbahnen. Hier können wir vereinfachen und unnötige Bürokratie abbauen. Verwandte und gleichwertige Ausbildungen sollen künftig in einer Laufbahn zusammengefasst werden. Dieses wird die Anzahl von Laufbahnwechseln reduzieren und in der Praxis mehr Flexibilität bei dem Personaleinsatz schaffen.

Berufserfahrungen in der Wirtschaft und verwaltungsinterne Ausbildungen werden bei der Bewerbung gleichgestellt. Gleichwertige berufliche Erfahrungen in der Wirtschaft oder bei internationalen Organisationen können künftig bei der für alle Laufbahnen gleichen Probezeit von drei Jahren berücksichtigt werden. Zum Beispiel müssen junge Wissenschaftler mit einer Habilitation nicht mehr zwingend im Eingangsamt beginnen, sondern können in einem höheren Amt in das Beamtenverhältnis übernommen werden. So eröffnen wir jungen qualifizierten Menschen bessere Berufschancen.

Mit diesen Maßnahmen wollen wir den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber angesichts der demographischen Entwicklung auch in Zukunft attraktiv erhalten. Denn in absehbarer Zeit wird das Erwerbspersonenpotenzial zurückgehen. Die Bevölkerung in Deutschland wird wahrscheinlich bis zum Jahr 2030 um jährlich 1,7 Prozent zurückgehen. Deswegen haben wir jetzt die Strukturen im Dienstrecht so gestaltet, dass die Bundesverwaltung im Wettbewerb mit der Wirtschaft um qualifizierte Mitarbeiter mithalten kann.

Die Förderung der Mobilität zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft und internationalen Organisationen erhält einen neuen Schub, denn die Voraussetzungen werden im Interesse einer leichteren Anwendbarkeit vereinfacht.

Schwerpunkt der besoldungsrechtlichen Änderungen ist die Neugestaltung der
Grundgehaltstabellen, wobei das Anfangs- und das Endgrundgehalt der neuen Tabellen den bisherigen Werten entsprechen. Entscheidend ist aber, dass auch im Besoldungsrecht das Leistungsprinzip gestärkt wird, indem das Lebensalter für den Gehaltseinstieg und den weiteren Aufstieg in den Gehaltsstufen durch das Kriterium der dienstlichen Erfahrungszeit abgelöst wird. Damit stehen Entwicklung und Leistung des Einzelnen im Vordergrund. Zeiten der Beurlaubung wegen Kindererziehung oder Pflege dürfen in diesem neuen System nicht zu einem beruflichen Nachteil werden. Deshalb werden diese Zeiten berücksichtigt.

Eine Stärkung des Leistungsprinzips muss in beide Richtungen erfolgen. Nicht anforderungsgerechte Leistungen führen zu einem Verbleiben in der bis dahin erreichten Stufe des Grundgehaltes. Die nächsthöhere Stufe wird erreicht, wenn wieder anforderungsgerechte Leistungen vorliegen. Bei einer erheblichen positiven Leistungsentwicklung besteht aber die Möglichkeit, das vorübergehende Leistungstief ausgleichen und wieder zu der Stufe aufschließen, die ohne das vorherige Verbleiben erreicht worden wäre.

Die Frage der Weiterentwicklung der Leistungsbezahlung hängt eng mit den Möglichkeiten ihrer Finanzierung zusammen, da Spielräume für eine on-Top-
Finanzierung nicht bestehen. Die Konzeption des Gesetzentwurfs verzichtet auf eine Umfinanzierung zum Aufbau einer Leistungsbezahlung. Diese Entscheidung ist bewusst mit Rücksicht auf den zur Haushaltskonsolidierung 2006 erbrachten Sparbeitrag der Beamtinnen und Beamten des Bundes und mit Blick auf die Gehaltsentwicklung der letzten Jahre getroffen worden.

Wenn bei dieser Ausgangslage dennoch von einer Ungleichbehandlung zwischen Beamten und Tarifangestellten gesprochen wird, wird zumeist übersehen, dass die Leistungsbezahlung im Tarifbereich innerhalb des Systems finanziert worden ist.

Die noch offene Frage, ob das im TVöD vereinbarte Verfahren der Leistungsbezahlung für den Beamtenbereich übernommen werden soll, ist bewusst jetzt nicht entschieden worden. Verwertbare Erfahrungen mit dem Tarifverfahren liegen noch nicht vor. Der erste Leistungsbemessungszeitraum hat erst im Juli 2007 begonnen. Deshalb ist es konsequent, nicht bereits im Dienstrechtsneuordnungsgesetz eine verbindliche Systementscheidung für den Beamtenbereich herbeizuführen. Wenn der weitere Ausbau der Leistungsbezahlung ohne zusätzliche Einsparungen erfolgen kann, etwa im Zusammenhang mit der kommenden Besoldungsrunde, werden wir diese Frage erneut diskutieren.

Hierzu gehört dann auch die kritische Betrachtung der unterschiedlichen Verfahren. Es wird darauf zu achten sein, dass die Vorteile des bisherigen Verfahrens im Beamtenbereich erhalten bleiben und wir nicht zu einem ?Gießkannen-Prinzip? kommen. Die bürokratiearme Gestaltung des aktuellen Verfahrens bei der Vergabe von Leistungselementen an Beamtinnen und Beamte und die Rolle, die es den Führungskräften bei der Entscheidung wer Leistungsträger ist, zuweist und die Offenheit für dezentrale Verfahren trägt der Vielfalt der Aufgaben im Bundesbereich und den unterschiedlichen
Behördenstrukturen Rechnung. Die Leistungsbezogenheit des Besoldungsrechts wird durch dieses schrittweise Vorgehen nicht geschmälert.

In der Versorgung halten wir an dem beschriebenen stabilisierenden Kurs fest. Im Wesentlichen werden die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung wirkungsgleich nachvollzogen. Schul- und Hochschulzeiten werden nicht mehr wie bisher bis zu drei Jahren bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berücksichtigt, sondern wirkungsgleich wie in der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt.

Das Pensionseintrittsalter für die Beamtinnen und Beamten wird schrittweise wie bei der Rente vom 65. auf das 67. Lebensjahr angehoben. Das ist angesichts der sich erfreulicherweise beständig erhöhenden Lebenserwartung nur konsequent. Für die Polizeivollzugsbeamten werden die Altersgrenzen ebenfalls um zwei Jahre angehoben. Für Soldaten gilt dieses im Prinzip auch, auf die Besonderheiten des soldatischen Dienstes und der Einsatzfähigkeit wird Rücksicht genommen.

Die versorgungsrechtlichen Regelungen für die Anhebung der Altersgrenzen werden ebenfalls wirkungsgleich umgesetzt. Daher wird auch wie in der gesetzlichen Rente ein abschlagsfreier Ruhestand nach 45 Dienstjahren ermöglicht.

Entgegen früheren Überlegungen wollen wir gegenwärtig auf eine Nachzeichnung des Nachhaltigkeitsfaktors aus der Rentenreform 2004 verzichten. In der gesetzlichen Rentenversicherung ist der Nachhaltigkeitsfaktor bisher weitgehend wirkungslos geblieben. Bei den Versorgungsempfängern des Bundes hat die Halbierung der Sonderzahlung im letzten Jahr zu einer Kürzung ihrer Versorgungsbezüge geführt. Diese Vorleistung wird jetzt berücksichtigt. ?Wirkungsgleichheit? ist ein Leitziel, das wir ernst nehmen und umsetzen.

Durch Einführung einer Evaluierungsklausel wird dieses festgeschrieben, das heißt, zum Stichtag 31. Dezember 2011 soll die Wirkung von Rente und Beamtenversorgung verglichen werden, um die Systeme im Gleichklang zu entwickeln.

Diese Maßnahmen im Dienstrechtsneuordnungsgesetz beschreiten den Weg eines zukunftsorientierten Berufsbeamtentums.

Die Länder werden ihre Beamtengesetze über kurz oder lang auch verändern. Dieser Prozess ist nichts Besonderes. In einem Bundesstaat sollte es ohnehin normal sein, dass die Länder die Besoldung und Versorgung selbst regeln, denn sie finanzieren die Beamtinnen und Beamten auch aus ihren Haushaltsaufkommen. Dabei werden Unterschiede, die den regionalen Besonderheiten geschuldet sind, nicht zu vermeiden sein.

Diese werden aber wohl weniger dramatisch ausfallen, als von manchen befürchtet. Bis jetzt haben alle Dienstherren bewiesen, dass sie mit dem Beamtenrecht und ihren neuen Möglichkeiten durch die Kompetenzneuordnung sorgsam umgehen. Gerade die Länder haben nicht alles zerschlagen und neu geregelt. Sie prüfen nach meiner Auffassung sehr sorgfältig, wo sie Änderungen und Reformen brauchen, um ihre Verwaltungen und Beschäftigten für die künftigen Anforderungen vorzubereiten. Ich halte es daher für richtig, dass es weder eine Pflicht zu regionalen noch zu einheitlichen Lösungen gibt. Beides ist vom Grundgesetz gleichermaßen erlaubt.

Seit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform haben zahlreiche Symposien und
Fachforen stattgefunden, auf denen das Dienstrecht Thema war. Die Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg- Vorpommern, Schleswig?Holstein und Niedersachsen zum Beispiel haben sich zusammen getan und ein Musterlandesbeamtengesetz erarbeitet. Das zeigt, dass weitgehend Einigkeit besteht, die neu gewonnene Kompetenz für das Laufbahnrecht nicht zum Mobilitätshemmnis für die Beamtinnen und Beamten werden zu lassen. Abschottungstendenzen kann sich eigentlich kein Land erlauben, wenn es für möglichst viele Bewerberinnen und Bewerber attraktiv bleiben will. Deshalb bin ich sicher, dass Bund und Länder Wege und Verfahren finden
werden, die Mobilität weiterhin zu gewährleisten.

Wir wollen das öffentliche Dienstrecht ?fortentwickeln? und damit zukunftsfähig gestalten. Das war Konsens der Föderalismusreform, sonst wäre Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes nicht in der Form geändert worden. Das heißt aber auch, dass das Berufsbeamtentum in seinen bewährten Grundstrukturen und Kernprinzipien erhalten bleibt, denn an die verfassungsrechtlichen Vorgaben sind alle Dienstherren gleichermaßen gebunden. Im Besoldungs- und Versorgungsrecht gibt es damit eine ganz klare Sicherung gegen einen befürchteten ?Wettlauf nach unten?.

Außerdem sorgt ein Bundesgesetz mit Regeln zu den Grundstrukturen des Beamtenstatus künftig für die Einheitlichkeit und Mobilität. Der Entwurf des Beamtenstatusgesetzes befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Richtigerweise muss man wohl sagen, dass die Föderalismusreform die Bundeskompetenz in diesem Bereich eher gestärkt hat um der Einheitlichkeit willen. Bisher konnte der Bund lediglich den Rahmen für die Länder vorgeben. Jetzt kann er die Strukturen des Beamtenstatus weitgehend abschließend regeln und tut das auch. Dass der Bund sein eigenes Bundesbeamtengesetz
bei der Neuordnung des Dienstrechts an dem Beamtenstatusgesetz
für die Länder ausrichtet, ist selbstverständlich.

Die Befürchtungen, das Beamtenrecht werde in 17 ganz unterschiedliche Rechtsordnungen zersplittert, sind meines Erachtens daher überzogen. Die Bestrebung zu einer Einheit in der Vielheit mag Gegner der Föderalismusreform zu Widerspruch reizen, denn die Rechtslage vor der Reform war der Gleichklang des Beamtenrechts in Bund und Ländern.

Es gibt aber einen ganz gravierenden Unterschied. Der Gleichklang ist nicht mehr durch den Bund vorgegeben. Damit erkennen wir an, dass die Länder eigene Verantwortung tragen. Dazu gehört nun einmal die Verantwortung für die eigenen Beschäftigten. Das wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Personalausgaben im Durchschnitt mehr als 40 Prozent der Länderhaushalte binden. Oft wird auch einfach vergessen, dass die Länder den größten Personalkörper haben. Die Föderalismusreform bedeutet für die Länder, dass sie nun das dürfen, was ihr originäres Recht sein sollte, nämlich die Beschäftigungsbedingungen ihrer Beamtinnen und Beamten regeln. Dieses Recht billigt man jedem Arbeitgeber in der Privatwirtschaft zu, warum nicht auch den öffentlichen Arbeitgebern?

Es bleibt spannend, wie sich jedes Land auf dem Spektrum von gebotener Einheitlichkeit bis zur notwendigen Vielfalt positionieren wird. Vielleicht wird das ja dann Thema des 11. Schöneberger Forums im nächsten Jahr.

 

 

1 Prof. Dr. Paul Nolte, Neuere Geschichte/Zeitgeschichte, Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin in
der Berliner Zeitung v. 12. 9. 2007
2 BVerfG Urteil des 2. Senats vom 6. März 2007- 2 BvR 556/04, Umdruck S. 27
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