„Die Muslime sind in Deutschland willkommen“



Interview mit Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

 

Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Funktionäre zweier islamischer Verbände, der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands und Milli Görüs. Sie sollen Geld an islamistische Terror-Organisationen verschoben haben. Beide Verbände sind mittelbar an der Deutschen Islamkonferenz beteiligt. Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Dieser Verdacht macht uns natürlich Sorgen. Deswegen müssen die Vorwürfe durch die zuständigen Behörden aufgeklärt werden. Genauso gilt aber: Der Dialog, den wir im Rahmen der Islamkonferenz begonnen haben, bleibt notwendig und richtig.

Sollte einer der Beschuldigten, der Generalsekretär von Milli Görüs Oguz Ücüncü, seine Mitarbeit ruhen lassen, solange gegen ihn ermittelt wird?

Wir haben darum gebeten, dass Herr Ücüncü an dem Gesprächskreis, in dem er mitarbeitet,  nicht teilnimmt, bis der Verdacht geklärt ist. Natürlich gilt für die Beschuldigten die Unschuldsvermutung. Wir sehen aber, welcher Schaden für den Dialogprozess entstehen könnte. Herr Ücüncü hat am Donnerstag nicht am turnusmäßigen Treffen des Gesprächskreises „Islamismus und Sicherheit“ teilgenommen. Ich nehme an, dass er damit unserer Bitte gefolgt ist. Ich sehe das als eine hinreichend deutliche Aussage des betroffenen Verbandes, dass die Islamkonferenz keinen Schaden nehmen soll. Das haben Verbandsvertreter auch öffentlich gesagt.

Wird es denn keine weiteren Folgen für die Islamkonferenz geben?

Ich habe immer gesagt: Die Mitgliedschaft in einer der Organisationen, mit denen wir in der Islamkonferenz einen Dialog führen, ist kein Gütesiegel für die Teilnehmer. Niemand ist dadurch über jeden Zweifel erhaben, ganz gewiss nicht. Ich weise aber darauf hin: Weder die Islamische Gemeinschaft Deutschlands noch Milli Görüs sind in die Deutsche Islamkonferenz eingeladen worden.

Das ist aber ziemlich spitzfindig. Der Islamrat, der an der Islamkonferenz ist, wird doch von Milli Görüs dominiert.

Nein. Dass Milli Görüs die mitgliederstärkste Organisation im Islamrat ist, ist eine Sache. Dass wir überdies Milli Görüs vom Verfassungsschutz beobachten lassen, eine andere. Gerade in dem Sicherheitsgesprächskreis wollen wir uns aber auch mit solchen Gruppierungen auseinandersetzen. Das war ein Anliegen der Islamkonferenz von Anfang an. Am Plenum nehmen Vertreter der wichtigsten islamischen Verbände teil und genauso viele unorganisierte Muslime, die auch als Sprecher muslimischen Lebens in Deutschland wahrgenommen werden. Es geht darum, Vielfalt muslimischen Lebens deutlich zu machen.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün sagt: Durch die Konferenz macht Schäuble den radikalen Islam in Deutschland salonfähig.

Die Behauptung, die Islamkonferenz stärke den radikalen Islam in Deutschland, ist ein unsinniger Vorwurf. Frau Akgün steht damit allein. In der SPD-Fraktion im Bundestag teilt niemand ihre Meinung. Frau Akgün, die sich ja auch schon für die Bundespräsidentenwahl in fünf Jahren ins Gespräch gebracht hat, passt es anscheinend nicht, wenn auch andere als Vertreter der Muslime wahrgenommen werden. Sie ist aber nicht die einzige, die für Muslime in Deutschland spricht.

Es geht um den Vorwurf, dass Sie Islamisten durch die Teilnahme an der Konferenz mehr Gewicht geben, als ihnen zukommen sollte.

Ich finde den Vorwurf auch aus folgendem Grund falsch: Der Dialog in der Islamkonferenz dient dazu, dass Muslime verstehen, dass sie in unserem Land willkommen sind – natürlich unter der Voraussetzung, dass sie sich an unsere Verfassung und Rechtsordnung halten und dass sie hier heimisch werden wollen. Diese Integration ist der einzige Weg, um eine Radikalisierung von Muslimen zu verhindern. Genau darum geht es, wenn wir sagen: Wir müssen die Terrorismusgefahr präventiv eindämmen. Es gibt deshalb keine Alternative zu Gespräch und Dialog. Mit Naivität und Verharmlosung hat das nichts zu tun – ganz im Gegenteil.

Was hat die Islamkonferenz gebracht?

Wir haben eine gemeinsame Erklärung erarbeitet, unter welchen Voraussetzungen Islamunterricht an staatlichen Schulen erteilt werden kann. Wir haben uns gegen jede Form des Missbrauchs von Religion für Gewalt und Fundamentalismus ausgesprochen. Das Wichtigste aber ist: Wir haben mit der Islamkonferenz heute schon erreicht, dass ein großer Teil der Muslime die Hoffnung hat, dass sie hier in Deutschland nicht abgelehnt werden. Zugleich haben immer mehr Menschen in Deutschland, die keine Muslime sind, Verständnis dafür, dass der Islam Teil unseres Landes geworden ist. Heute führen in den Medien ganz verschiedene Angehörige des islamischen Kulturkreises kontroverse Debatten. Muslime gewöhnen sich daran, dass ein solcher Streit Teil der Normalität in unserem Land sind, dass man ihn ertragen muss und dass man nicht mit Demonstrationen oder gar der Androhung von Gewalt auf andere Meinungen reagiert.

Sollte die Islamkonferenz nach der Bundestagswahl fortgeführt werden?

Eine Fortsetzung der Islamkonferenz halte ich für absolut notwendig. Ich werde mich dafür einsetzen. Über die Zusammensetzung der Konferenz kann man dann reden. Wir arbeiten in der Islamkonferenz gerade mal drei Jahre zusammen. Wir haben mehr erreicht, als ich zu Beginn zu hoffen gewagt hätte. Es wäre aber absurd zu glauben, wir wären nach drei Jahren schon am Ende.

Das Interview führte Markus Weber

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