Bundesminister Dr. Wolfgang Schäu8ble im Interview mit der Welt am Sonntag
Welt am Sonntag: Herr Minister Schäuble, US-Präsident Barack Obama will die Banken enger an die Kandare nehmen. Er will sie nicht nur stärker besteuern. Er will sogar den Eigenhandel weitgehend verbieten. Ziehen Sie bei all dem mit?
Wolfgang Schäuble: Ich finde es eine erfreuliche Entwicklung, dass sich auch in den USA auf diesem Feld etwas bewegt. Bislang haben viele bezweifelt, dass die Amerikaner bei strengeren internationalen Regeln mitmachen würden. Jetzt haben sie sich dazu bekannt. Damit ist die Chance, dass wir eine gemeinsame Lösung finden, deutlich größer geworden. Sie wissen, dass wir mit einem Alleingang die Branche aus Deutschland heraustreiben würden. Aus New York und den US-Märkten dagegen können sich die Banker nicht so leicht zurückziehen. Die Bundesregierung strebt international abgestimmte Maßnahmen an. Wir werden in diese Debatte auch eigene Ideen einbringen. Bis zum Frühjahr wird mein Haus in enger Abstimmung mit dem Kanzleramt einen Vorschlag formulieren.
Obamas Vorhaben passen aber nicht mit den europäischen zusammen. Sie sind viel härter.
Schäuble: Entscheidend ist, wir haben dieselben Ziele. Ich bin sehr dafür, dass wir schauen, ob wir gemeinsame Konzepte formulieren können. Ich habe auch im Kreis meiner EU-Kollegen sehr für eine notwendige weltweite Abstimmung geworben, um zu einer Regulierung der Finanzmärkte zu kommen. Wichtig ist, dass wir international jetzt nicht in unserem Bemühen für eine bessere Regulierung nachlassen. Um diesen Prozess zu unterstützen, werde ich im Vorfeld des nächsten G-20 Gipfels zu einer hochrangigen, internationalen Konferenz nach Berlin einladen.
Laufen die Gespräche über eine Bankenabgabe denn unter dem Oberbegriff Finanztransaktionssteuer, so wie es Angela Merkel gefordert hat?
Schäuble: Es geht nicht um die Frage nach dem passenden Etikett, sondern darum, wie wir gemeinsam unsere Ziele erreichen. Deshalb haben die G 20 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) den Auftrag erteilt, alle möglichen Optionen zu prüfen. Was Präsident Obama vorgeschlagen hat, kommt unseren Vorstellungen durchaus nahe. Auch wir wollen, dass der Finanzsektor angemessen an den Kosten der aktuellen Krise und auch künftiger Finanzkrisen beteiligt wird.
Was geschieht, wenn eine Einigung auf neue Regulierungsvorschriften und Standards an den Asiaten scheitert? Bleibt dann alles beim Alten?
Schäuble: Warum sollten die Asiaten nicht mitmachen? Schauen Sie sich doch die Lage an. Die Chinesen zum Beispiel haben mit strukturierten Finanzmarktprodukten in der vergangenen Krise wenig verloren – ganz anders übrigens als die vermeintlich so leistungsfähigen deutschen Banken.
Noch einmal: Was passiert, wenn sich die G-20-Länder nicht einigen?
Schäuble: Notfalls müssen wir als Europäer – wo immer wir können vorangehen. Der Westen hat eine gewaltige Verantwortung. Schließlich haben wir die Dynamik der Globalisierung maßgeblich mitgeprägt.
Im Jahr zwei der Finanzkrise zahlen viele Banken wieder hohe Boni. Wie denken Sie darüber?
Schäuble: Die Banker müssen aus der Krise Lehren ziehen. Sie sollten wissen, dass sie Fehler gemacht haben. Aber, und auch das dürfen wir nicht vergessen, die großen deutschen Kreditinstitute haben auf meinen Rat hin freiwillig eine Erklärung unterschrieben. Darin haben sie sich verpflichtet, schon für 2009 die Empfehlungen des Financial Stability Boards einzuhalten. Die sehen vor, dass es keine garantierten Bonuszahlungen mehr gibt. Außerdem sollen Boni nur noch bei langfristigen Erfolgen gezahlt werden. Wir werden die Umsetzung der Vergütungsstandards auch im Rahmen eines Gesetzes sicherstellen.
Aber einige Banken im Ausland zahlen doch wieder garantierte Boni.
Schäuble: Wir sollten aber auch solche Meldungen wahrnehmen, dass zum Beispiel die Deutsche Bank in der Vergütung ihrer Vorstandsmitglieder den ertragsabhängigen Teil stark reduziert. Das ist eine Lehre aus der Finanzkrise. Einige führende Banker denken schon darüber nach, was schiefgelaufen ist.
Finden Sie es nicht irritierend, dass die Commerzbank, die Staatshilfe braucht, zwar die Boni für den Vorstand reduzieren, dafür aber die Festgehälter um 50 Prozent erhöhen wollte?
Schäuble: Die Regelung, wonach Vorstandsmitglieder, deren Banken Staatshilfe beziehen, 500 000 Euro und nicht mehr verdienen dürfen, war auf zwei Jahre begrenzt. Sie lief jetzt aus. Daher wäre es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Commerzbank mehr wollte – auch mit Blick auf das Umfeld im Sektor. Sie kennen ja das Problem der Bundesliga. Sie müssen den Spielern bieten, was die Konkurrenz zahlt. Sonst laufen die ihnen weg. Bei der Commerzbank haben sie aber die Hinweise verstanden, dass Erhöhungen der Vorstandsgehälter unangemessen sind, solange die Commerzbank keine Zinsen auf die stillen Einlagen des Bundes leistet.
Hand aufs Herz: So richtig Bundesliga ist die Commerzbank ja auch nicht…
Schäuble: (lacht) Ich weiß zwar nicht, was Sie unter Bundesliga im Bankenwesen verstehen. Aber es ist einfach so, wer Staatshilfe in Ansprach nimmt, der muss Begrenzungen akzeptieren. Einige US-Banken waren bereits in der Lage, ihre Staatshilfen samt Zinsen zurückzuzahlen. Die Commerzbank ist noch nicht so weit. Deshalb ist es klug, dass der Aufsichtsrat entschieden hat, dass es in diesem Jahr nicht mehr Geld für den Vorstand gibt.
Lassen Sie uns das Thema wechseln: Gerade sind die drei ersten Monate der Regierung um.
Schäuble: Die Zeit verging wie im Fluge. Das zeigt, wie viel Freude es macht.
Glaubt man den Umfragen, geht es der Bevölkerung anders.
Schäuble: Im Gegensatz zum öffentlichen Eindruck – zu dem wir einen Beitrag geleistet haben – ist der Start in der Sache gut gelungen. Kaum jemand in meinem Haus hat geglaubt, dass man einen Etat so schnell aufstellen kann. Doch alle in der Regierung, auch die neuen Mitglieder, haben den Entwurf des alten Kabinetts als Grundlage unserer Planungen akzeptiert. Wir haben ihn durch die Absprachen des Koalitionsvertrags ergänzt. Strittige Punkte im Jahreswirtschaftsbericht haben Kollege Rainer Brüderle und ich in fünf Minuten am Telefongeklärt.
Wenn man sich den Streit mit den Ministerpräsidenten ansieht, kann man wohl kaum von einem guten Start reden.
Schäuble: Bund, Länder und Kommunen sind selbstständige Ebenen. Die Ministerpräsidenten sind nicht die Erfüllungsgehilfen des Bundes. Bei den Entscheidungen, die wir im Mai und Juni zu treffen haben, wird man auf gesamtstaatliche Lösungen achten müssen. Schließlich verfolgen Bund und Länder doch gemeinsame Ziele.
Für viele in der FDP-Fraktion sind Sie der Hemmschuh für eine Steuerreform. Wo haben Sie mehr Freunde -in der FDP oderin der SPD?
Schäuble: In der CDU. Und in der Bevölkerung. In der FDP habe ich viel Vertrauen. Die FDP ist keine unsolide Partei. Sie hält sich an die Schuldenbremse, und ich habe die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie es kann.
Die FDP wittert bei der CDU eine Störung des gesamtparteilichen Gleichgewichts. Sie sieht die CDU nach links rücken.
Schäuble: Die Union präsentiert sich in einem sehr ausgeglichenen Zustand. Als Volkspartei tragen wir Verantwortung für die gesamte Breite der Gesellschaft. Wir rücken nicht nach links, nur weil wir gesellschaftliche Veränderungen aufnehmen.
Könnte die Union den Status als Volkspartei verlieren?
Schäuble: Der Status hängt nicht in erster Linie von der Prozentzahl der Wähler ab…
… aber auch. Mit 20 Prozent ist man es nicht mehr.
Schäuble: Erstens sind wir von dieser Marke weiter entfernt als jede andere im Bundestag vertretene Partei. Zweitens beinhaltet der Begriff „Volkspartei“ für mich den Anspruch, Lösungen zu erarbeiten, die für alle Teile der Bevölkerung akzeptabel sind. Das ist ein anderes Politikverständnis, als es die FDP traditionell hatte. Wenn sie Ergebnisse über 15 Prozent anstrebt, muss sie sich stärker in diese Richtung bewegen.
In der „Berliner Erklärung“ öffnet die CDU sich weiter in Richtung großstädtisch-linksliberale Milieus. Das könnte der Union Stammwählerkosten.
Schäuble: Die Gesellschaft wird heterogener. Die Klage über Stammwähler stammt von Leuten, die den 50er-Jahren nachtrauern, aber zu jung sind, um zu wissen, wie das damals gewesen ist.
Was sind heute CDU-Ziele?
Schäuble: Eine christlich-konservative Volkspartei muss zukunftsbezogen denken. Ich zum Beispiel lege Wert darauf, dass wir mit Menschen muslimischen Glaubens in unserer aufgeklärten Gesellschaft tolerant zusammenleben und sie heimisch werden lassen wollen. Ursula von der Leyen hat zu Recht gesagt, in unserer Gesellschaft ist die Entscheidung für Kinder eine ganz andere als in früheren Jahren. In der Globalisierung müssen wir ein starkes Europa bauen.
In Augsburg steht jetzt Karlheinz Schreiber vor Gericht Befürchten Sie für sich persönlich nachteilige Aussagen?
Schäuble: Nein. Was habe ich mit dem Prozess zu tun? Das ist jemand, der sich zehn Jahre der deutschen Strafverfolgung entzogen hat und jetzt endlich vor seinem gesetzlichen Richter steht.
Das Gespräch mit Wolfgang Schauble führten Jan Dams, Torsten Krauel und Thomas Schmid