Interview mit SWR2
SWR 2: Die Krise der Währungsunion geht ins dritte Jahr. Die Lage hat sich offensichtlich nicht entspannt. Der Chef des Euro [Glossar]-Rettungsfonds EFSF weist darauf hin, dass selbst die weiter aufgespannten Rettungsschirme oder der weiter aufgespannte Rettungsschirm nicht genügend Investoren anlockt. Was bedeutet das für das Schicksal des Euro?
Schäuble: Ja gut, Herr Regling hat gesagt, dass bei der Suche nach privaten Investoren die Schwierigkeiten verstärkt worden sind, weil die privaten Investoren höhere Garantien fordern bei der Marktaufklärung, die er durchführt.
Das heißt nicht, dass der Europäische Rettungsfonds keine Mittel mehr hat. Er hat ja auch in der vergangenen Woche eine Anleihe ganz erfolgreich platziert. Aber es zeigt eben die Unsicherheit bei den Finanzinvestoren in der Welt wie das mit den Anlagen in Euro ist, und deswegen ist es so entscheidend, dass das jetzt umgesetzt wird, was wir verabredet haben.
Die Länder, die die Probleme haben mit zu hohen Defiziten, müssen ihre Defizite glaubhaft zurückführen. Die Wettbewerbsfähigkeit aller Volkswirtschaften muss gestärkt werden. Die Europäische Währung braucht eine Fiskalunion, damit alle Länder sich garantiert an die vereinbarten Regeln halten. Und wenn das geschieht, dann reichen auch die Rettungsschirme, die wir vereinbart haben, aus.
SWR 2: Solide Finanzen und abgestimmte Haushaltspolitik gelten als Königswege um Investoren zu beruhigen. Das ist ein Thema, das Frankreichs Präsident Sarkozy und Bundeskanzlerin Merkel heute diskutieren könnten bei dem Treffen in Berlin.
Nur, wenn das stimmt, was der griechische Premierminister Papademos sagt, dass seinem Land jetzt doch die ungeordnete Staatspleite droht, das zweite Rettungspaket nicht ausreicht im bisher gedachten Umfang, ist dann überhaupt Zeit für Vertragsverhandlungen oder muss nicht wieder, um die Eurozone [Glossar] zusammenzuhalten, die schnelle Hilfe jetzt Vorrang haben?
Schäuble: Das entscheidende ist, jedes Land muss die Ursachen, die zu der Krise führen, glaubwürdig bekämpfen. Da führt kein Weg vorbei, und das gilt natürlich besonders für Griechenland.
Griechenland muss das, was vereinbart worden ist, auch umsetzen. Da helfen alle Rettungsschirme der Welt nicht, wenn nicht die Ursachen glaubwürdig beseitigt werden. Daran arbeitet Griechenland, da sind wir in den Verhandlungen. Aber das könnte auch schneller gehen. Wir drängen sehr darauf.
Im Übrigen, die Tatarennachrichten helfen uns am Ende auch nicht weiter. Die gewinnen auch das Vertrauen der Investoren nicht zurück. Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung der Maßnahmen zur Reduzierung der Defizite und die Strukturreformen, um die Wettbewerbsfähigkeit, also die Wachstumsperspektiven der griechischen Wirtschaft zu verbessern.
SWR 2: Zu den Tatarennachrichten gehört allerdings auch, dass der Internationale Währungsfonds Zweifel hat, ob Griechenland überhaupt noch sanierungsfähig ist, selbst wenn die Hälfte der Schulden gestrichen würde. Zu dieser Skepsis passt, dass in der letzten Woche in Athen über die Rückkehr zu Drachme gesprochen wurde.
Ist das rhetorische Druckkulisse in Ihren Augen, oder ist Griechenlands Ausstieg aus der Währungsunion heute wahrscheinlicher als früher?
Schäuble: Nein, ich habe das so verstanden, dass die griechische Regierung ihrem Parlament gesagt hat: wir müssen diese Maßnahmen, die ja in der Öffentlichkeit sehr umstritten sind, jetzt beschließen und in Kraft setzen, sonst wird es kein zweites Hilfspaket für Griechenland geben können.
Und dann würden in der Tat für Griechenland die Konsequenzen drohen. Das war ja vor einigen Monaten schon so, als die frühere griechische Regierung ein Referendum durchführen wollte. Wir haben immer gesagt, Griechenland muss selber entscheiden, muss das Notwendige tun. Denn ohne dass Griechenland die Reformen durchsetzt, sind die Probleme nicht zu lösen.
SWR 2: Ihre bayrische Schwesterpartei scheint wild entschlossen zu sein, einen Ausschluss aus der Währungsunion, der ja bisher so nicht möglich ist, als Variante festschreiben zu wollen in europäischen Verträgen. Für wie sinnvoll halten Sie das?
Schäuble: Wir sind der Überzeugung, dass es besser ist, wir können die Probleme in der Währungsunion lösen. Aber es ist völlig klar, jedes Land muss die übernommenen Verpflichtungen erfüllen. Wir können die Probleme der Europäischen Währung in den einzelnen Ländern nicht ohne das Mitwirken der betroffenen Länder lösen.
SWR 2: Auch die Deutschen, so hat Ihr früherer Staatssekretär Asmussen am Wochenende gesagt, auch die Deutschen werden sich in der vor uns liegenden Zeit der Eurokrise anstrengen müssen. Was meinen Sie, sind die Deutschen hinreichend sich bewusst, dass das auch Einschränkungen bedeuten wird?
Schäuble: Na gut, ich meine, wir in Deutschland müssen auf der einen Seite sehen, die wirtschaftliche Entwicklung wird durch die Unsicherheit an den Märkten ein stückweit eingetrübt. Wir sind in der realen Wirtschaft in einer außergewöhnlich guten Situation. DerArbeitsmarkt [Glossar] ist sehr gut aufgestellt. Und im Übrigen, wir müssen natürlich auch unsere Politik der maßvollen Reduzierung unsere zu hohen Defizite, wie wir das in den letzen zwei Jahren gemacht haben, konsequent fortsetzen.
Wir brauchen also nicht nur auf andere zu schauen, wir müssen auch unsere Pflicht erfüllen, aber wir tun das bisher, und wir werden das auch weiterhin tun.
SWR 2: In schwierigen Zeiten wie dieser Eurokrise – lassen Sie mich das noch fragen – kann idealerweise auch ein Bundespräsident seine Autorität einsetzen, um auf solche Pflichten hinzuweisen. Ist im aktuellen Fall von Christan Wulff, nach Ihrem Empfinden, die Autorität für eine solche Aufgabe noch intakt oder beeinträchtigt?
Schäuble: Also, ich glaube nicht, dass die Debatte, die wir derzeit haben, die mir auch viel zu lange dauert, irgendetwas mit der Eurokrise oder mit den Möglichkeiten, die Gefahren aus der Staatschuldenkrise einiger europäischer Länder zu bekämpfen, zu tun hat.
SWR 2: Erwarten Sie auch nicht, dass er sich da einmischt in diese Debatte?
Schäuble: Er hat ja vor einigen Monaten schon sehr klar dazu Stellung genommen.
Das Interview führte Rudolf Geissler.
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