Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble erläutert in einem ZDF-Berlin direkt-Interview vom 18. Mai 2014 die „Rente mit 63“ und die Mütterrente.
ZDF: „Der tiefste Griff in die Rentenkasse, den wir jemals gesehen haben“ (BDA-Präs. Kramer), diese Kritik … gilt ja auch Ihnen. Die Sozialkassen werden geplündert zulasten der jungen Leute. Warum machen Sie das mit?
Wolfgang Schäuble: So ist es ja nicht. Wir haben eine Rentenformel, danach wird etwa die Rente zu jeweils einem Drittel finanziert: ein Drittel durch die Arbeitnehmer, ein Drittel durch die Arbeitgeber, ein Drittel durch die Steuerzahler. Wir haben einen Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, der bewegt sich Richtung 100 Milliarden. Das ist mit weitem Abstand der größte Einzelposten im Haushalt. Und die Rentenformel sagt eben, das ist ein Generationenvertrag. Und zur Generationengerechtigkeit
gehören Kinder. Und früher waren die Frauen nicht erwerbstätig. Und deswegen ist es auch richtig, dass diese Generation in ihrer Alterssicherung jetzt auch eine angemessene Rente bekommt. Das muss aus der Rente finanziert werden.
ZDF: Das ist der Punkt der Mütterrente… Aber man hat schon insgesamt das Gefühl, dass jetzt viele Abgeordnete irgendwie mit schlechtem Gewissen rumlaufen, so ein bisschen nach dem Motto: das haben wir uns versprochen, das muss jetzt auch durchgezogen werden, koste es, was es wolle. Mit wie vielen Abweichlern rechnen Sie denn bei der Abstimmung (über das Rentenpaket) nächsten Freitag?
Schäuble: Das weiß ich nicht. Die Mütterrente ist ja nun eine Forderung der CDU/CSU im Wahlkampf gewesen. Wir haben das über viele Jahre immer wieder auf Parteitagen intensiv diskutiert. Es gab welche, die waren starke Befürworter; andere waren eher zögerlicher. Aber wir haben es gemeinsam entschieden, wir haben es im Wahlkampf versprochen.
ZDF: Sie ist teuer für die Rentenkasse.
Schäuble: Es ist ja mehr eine Übergangsregelung. Wir müssen ja sehen, unser großes Problem langfristig ist die demographische Entwicklung, dass wir weniger Kinder haben bei steigender Lebenserwartung. Dafür müssen wir Vorsorge treffen. Deswegen wird ja auch die Lebensarbeitszeit erhöht. Das ist ja ausdrücklich im Koalitionsvertrag bestätigt worden, dass wir später in Rente gehen. Und das ist das Entscheidende in der Rente.
ZDF: Und ist da nicht die Rente mit 63 dann in der Tat genau das falsche psychologische Signal?
Schäuble: Auch da sind wir in einer Übergangsphase. Früher gab es das noch: Aus meinem Jahrgang sind viele unmittelbar, wenn sie 14 Jahre alt waren, ins Erwerbsleben eingetreten. Und da gibt es viele, die sind nach 45 Jahren, je nach dem, was für eine Tätigkeit sie haben, so, dass sie gerne in Rente gehen möchten, dass auch ihr Gesundheitszustand (so) ist. Durch die längeren Ausbildungszeiten wird es in der Zukunft weniger der Fall sein. Die Regelung ist übrigens so: Es ist nicht die Rente mit 63, der Begriff ist falsch, sondern es ist das, was wir schon vor Jahren, als wir die Rente mit 67, die ja erst allmählich eingeführt wird, jedes Jahr einen Monat später, da haben wir damals schon gesagt, wenn die Rente mit 67 ist, kann man nach 45 Jahren mit 65, also zwei Jahre früher, ohne Abschläge in Rente gehen. Und das ziehen wir jetzt einfach vor. Man kann immer zwei Jahre früher in Rente gehen nach 45 Beitragsjahren.
ZDF: Und dann auch ging es um die Botschaft… Die EU-Kommission soll jetzt sogar erwägen, Deutschland offiziell zu rügen, weil man sich eben nicht an die Verabredungen halte, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anzupassen.
Schäuble: Da bin ich ganz gespannt.
ZDF: Deutschland predigt den anderen Wasser und trinkt selber Wein?
Schäuble: Da bin ich ganz gespannt. Im Augenblick haben wir ja erst gerade eine Diskussion hinter uns, dass wir wegen unserer Überschüsse nicht kritisiert werden. Denn wir haben ja hohe Überschüsse. Wir haben mit Abstand die beste wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Also, man muss die Kirche auch ein bisschen im Dorf lassen. Ich habe gesagt, als wir den Bundeshaushalt in erster Lesung behandelt haben, das, was wir jetzt hier im Koalitionsvertrag verabredet haben, das haben wir sorgfältig geprüft, das können wir uns leisten. Es entspricht auch unseren internationalen Verpflichtungen. Aber mehr ist es auch nicht. Und deswegen müssen wir uns darauf konzentrieren, dass, wenn wir diesen hohen Stand sozialer Sicherheit, gerade auch angesichts der demographischen Entwicklung für die Zukunft, zukunftsfest halten wollen, dann müssen wir weiter wettbewerbsfähig bleiben. Deswegen investieren wir vor allen Dingen in Forschung, Bildung, Ausbildung….
Das Interview führte Bettina Schausten.