„Das ist gut so“



DIE WELT: Lange hat sich die Kanzlerin geweigert, einen konkreten Notfallplan für die Griechen zu beschließen. Das Landhabe derzeit ja keinen Notfall. Gestern nun gibt sie einem Hilfspaket ihren Segen. Warum ist sie eingeknickt?

Wolfgang Schäuble: Ich glaube nicht, dass die Bundeskanzlerin eingeknickt ist. Es ist in Europa immer wichtig, dass man sich am Ende aufeinander zubewegt. Die Europäer haben mit der jetzt gefunden Lösung ein Instrument als Ultima Ratio geschaffen, mit dem sie auf die aktuelle Krise reagieren können und zwar in einer vorher genau festgelegten Art und Weise. Das ist gut so. Und im Übrigen hat sich die deutsch-französische Achse wieder einmal als ganz wichtig für Europa erwiesen.

Was könnte uns die Griechenland-Rettung schlimmstenfalls kosten?

Schäuble: Wenn ein Land der Euro-Zone zahlungsunfähig würde, wären die Schäden völlig unabsehbar. Daher ist es eine richtige und wichtige Erklärung, die der Europäische Rat jetzt abgegeben hat. Sie sichert die Stabilität des Euro. Deutschland hat daran ein außerordentlich hohes Interesse. Die Zahlungsunfähigkeit eines Euro-Landes käme uns allemal viel teurer zu stehen.

Die Bundesbürger sind laut Umfragen gegen die Hilfe. Wie erklären Sie es ihm, wenn Sie am Ende mit fünf Milliarden Euro an Steuergeldern für die Griechen einstehen müssen?

Schäuble: Als wir die Deutschen von der gemeinsamen europäischen Währung überzeugt haben, versprachen wir ihnen auch, dass der Euro so stabil sein wird, wie die D-Mark es war. Diese Aufgabe hat weiterhin eine sehr hohe Priorität für die Bevölkerung. Und deshalb kann man den Bundesbürgern erklären, warum wir im schlimmsten Fall Griechenland helfen würden. Denn das gehört dazu, wenn man die Stabilität des Euro sichern will.

Sie waren dagegen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) in der Euro-Zone Kredite vergibt. Nun haben sich die Europäer mit Billigung von Angela Merkel darauf verständigt, im schlimmsten Fall den IWF um Finanzhilfe zu bitten. Wurden Sie im Stich gelassen?

Schäuble: Hilfe durch den IWF darf es nur im Ausnahmefall geben. Auf Dauer muss Europa in der Lage sein, solche Krisen allein zu bewältigen. Diese Meinung vertrete ich weiterhin. Aber wenn man in Europa für eine konkrete Krisensituation eine gemeinsame Entscheidung finden will, dann muss man sich aufeinander zubewegen.

Bleiben Sie bei Ihrer Forderung, dass Europa einen eigenen Währungsfonds braucht?

Schäuble: So verkürzt habe ich das ja nie gesagt. Sie müssen meinen Vorschlag im Ganzen bewerten. Wir fordern zuvorderst schärfere Instrumente, um die Stabilität des Euro zu schützen. Erst am Ende gehört dazu ein Mechanismus, der den Umgang mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedslandes regelt.

Haben Sie und Frau Merkel ein generell unterschiedliches Verständnis über den Zusammenhalt innerhalb der EU?

Schäuble: Da trügt Sie wohl Ihr Gefühl. Die Bundeskanzlerin und ich sind beide überzeugte Europäer. Wir beide wollen einen starken Zusammenhalt innerhalb der EU. Dass Angela Merkel und ich manchmal in Nuancen unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wie dieses Ziel erreicht werden kann, und dies auch öffentlich äußern, ist nichts Verwerfliches. Angela „Merkels Stärke beruht darin, dass sie diese Unterschiede zu schätzen weiß. Deshalb hat sie mir das Amt des Bundesfinanzministers auch angetragen.

Hat es sich für Deutschland gelohnt, mit seiner harten außenpolitischen Linie europäisches Porzellan zu zerschlagen und nun doch mit Geld einstehen zu müssen?

Schäuble: Das ist eine zu oberflächliche Sicht der Dinge. Unser Einsatz für die Stabilität des Euro ist notwendig, auch wenn er manchmal unbequem ist. Wir müssen unserer Bevölkerung wieder und wieder erklären, dass die europäische Einigung und die gemeinsame Währung im deutschen Interesse sind. Das ist richtig und notwendig und ist auch die Aufgabe politischer Führung.

Was geschieht, wenn es anderen EU-Ländern demnächst ähnlich wie den Griechen geht? Gilt die Griechenland-Hilfe dann als Masterplan?

Schäuble: Europa hat erreicht, dass Griechenland ein außergewöhnlich hartes Sanierungsprogramm in Kraft gesetzt hat. Das verdient all unseren Respekt. Alle Sachverständigen sagen, dieses Programm ist geeignet, das Problem des Landes zu lösen. Allerdings müssen auch die Märkte überzeugt werden. Dafür brauchen wir ein anderes Instrument. Das jetzt beschlossene Hilfspaket hat nicht den Zweck, die notwendige Sanierung in Griechenland zu ersetzen. Ganz im Gegenteil: Das Hilfspaket soll sicherstellen, dass die Sanierung nicht durch spekulative Entwicklungen an den Finanzmärkten zerstört wird.

Wenn alle EU-Länder^ Sparpakete auflegen, kippt die wackelige Konjunktur wieder in die Rezession?

Schäuble: Über diese Frage haben wir wieder und wieder national, in Europa und weltweit diskutiert. Die richtige Exit-Strategie zu finden, also einerseits die Auftriebskräfte zu stärken, andererseits die zu hohe Neuverschuldung zurückzuführen, ist eine ungeheuer ehrgeizige Aufgabe. Wir fahren daher auf Sicht.

Sie haben am Donnerstag die Fraktionen über Ihre Pläne für eine Bankenabgabe informiert, mit der der Finanzstandort Deutschland vor der nächsten Krise stabiler gemacht werden soll. Müssen Versicherer und Finanzdienstleister auch in den Fonds einzählen?

Schäuble: Ich habe die Eckpunkte vergangenen Donnerstag mit Experten der Koalitionsfraktionen abgestimmt. Wir gehen davon aus, dass sich diese Abgabe und das gesamte Restrukturierungsgesetz auf Kreditinstitute konzentrieren wird.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Banken die Kosten der Abgabe über höhere Gebühren und Kreditzinsen auf die Kunden umlegen?

Schäuble: Ob man das zu 100 Prozent verhindern kann, ist eine gute Frage. Am Ende werden die Preise durch den Wettbewerb auf dem Markt bestimmt. Da wir die Abgabe aber nach Größe und Risikoklasse der Banken staffeln wollen, wird es für die Geldhäuser schwer, die Kosten vollständig auf die Kunden zu überwälzen. Denn die würden dann zur günstigeren Konkurrenz abwandern.

Soll der deutsche Bankenrettungsfonds auf die EU erweitert werden?

Schäuble: Insbesondere die französische Kollegin Christine Lagarde und ich haben besprochen, dass wir eine solche Lösung in eine europäische Struktur einpassen wollen. Deshalb werden wir im Kabinett in Anwesenheit von Frau Lagarde am Mittwoch zwei Papiere behandeln, einmal die nationalen Eckpunkte zur Bankenabgabe und dann die deutsch-französischen Vorschläge dazu. Die Chancen, eine europäische Struktur zu schaffen, sind daher ziemlich gut.

Herr Schäuble, Ihre Ministerkollegen haben einen Mahnbrief aus Ihrem Haus bekommen, in dem sie zur Sparsamkeit ermahnt werden. Hat es schon etwas gefruchtet?

Schäuble: Die Anmeldungen der Ressorts haben uns den Eindruck vermittelt, dass man die Vorgaben des Aufstellungsrundschreibens nicht voll umfänglich umgesetzt hat. Da muss man eben noch einmal daran erinnern. Im Kabinett haben wir in dieser Woche darüber gesprochen. Sehr eindringlich sogar. Ich glaube, alle haben inzwischen verstanden, dass wir zur Einhaltung der Schuldenbremse unsere Ausgaben sehr viel stärker begrenzen müssen.

Sie haben mit der Schweiz das Doppelbesteuerungsabkommen ausgehandelt. Es sieht vor, dass die Schweizer beim begründeten Verdacht der Steuerhinterziehung künftig Daten liefern, allerdings nur für Neufälle. Was wird aus den Milliarden an Altvermögen?

Schäuble: Es stimmt, die Revision des Doppelbesteuerungsabkommens bezieht sich in der Tat auf Neufalle. Das ist ein wichtiger Schritt in einer für beide Länder schwierigen Zeit. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Lösungen finden soll, damit es in Zukunft nicht wieder zu schwierigen Diskussionen über die Verwertbarkeit von Daten kommt. Die Entschlossenheit, diese Probleme zu regeln, ist unübersehbar.

Das Gespräch führte Jan Dams

(c) Axel-Springer AG, Berlin