Chance für einen Neuanfang



Stenografisches Protokoll der Regierungserklärung in der Debatte über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: „Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefaszilität zu gewähren sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)“, am 19. August 2015 im Deutschen Bundestag

„Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht. Die Debatten zu den Hilfen für Griechenland waren und sind aus guten Gründen streitig. Es gibt beachtliche Gründe dafür und es gibt beachtliche Gründe dagegen – ökonomische und politische; das ist unbestritten. Das liegt an der unvollständigen Konstruktion der Währungsunion, der eben eine gemeinsame Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik fehlt. So konnten einzelne Euro-Länder Entscheidungen auf Kosten der Gemeinschaft treffen, weil Verantwortung und Haftung immer wieder auseinanderzufallen drohten.

Im Zuge der Euro-Krise haben wir die Währungsunion seit 2010 stabiler gemacht: mit den neu eingeführten Regeln für den Stabilitäts- und Wachstumspakt, mit dem sogenannten Sixpack, und mit dem Fiskalpakt. So ist es gelungen, Verantwortung und Haftung näher zusammenzuführen. Mit der Bankenunion haben wir den Teufelskreis zwischen Staatsschulden und Bankenkrisen durchbrochen. Mit gezielten Reformprogrammen haben wir die Wachstumskräfte in der Währungsunion gestärkt. Das war erfolgreich: in Irland, in Portugal, in Spanien und in Zypern. Es hat bis zum letzten Jahr auch in Griechenland funktioniert. Dabei war Griechenland von Anfang an ein außergewöhnlich schwieriger Fall.

Vor dem ersten Programm hatte Griechenland 2009 ein Haushaltsdefizit und ein Leistungsbilanzdefizit von jeweils 15 Prozent – vor der Euro-Krise. Dazu kamen und kommen die schwierigen institutionellen Rahmenbedingungen, schwache Strukturen der Verwaltung und der Justiz, hohe Sozialleistungen und ein überdimensionierter Beamtenapparat. Trotzdem war Griechenland bis Ende vergangenen Jahres auf gutem Weg. Griechenland hatte Wachstum; es hatte im vergangenen Jahr eine höhere Wachstumsrate als die meisten anderen Länder der Euro-Zone. Griechenland hatte einen Handelsbilanzüberschuss, einen Primärüberschuss, und auch die Arbeitslosigkeit begann zu sinken.

(Klaus Ernst (DIE LINKE): 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit!)

– Sie ging zurück. Sie war vorher so hoch, Herr Kollege. Das ist in Krisen so. Ich kann Ihnen einmal die Zahlen aus anderen Ländern sagen. Griechenland war auf einem guten Weg, auf einem besseren, als viele zu hoffen gewagt haben.

Nun ist auch wahr: Die Wiedergewinnung tragfähiger öffentlicher Finanzen als Voraussetzung für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und Arbeitsplätze erfordert von der Bevölkerung in jedem Fall erhebliche Anpassungsleistungen. Je länger die Anpassungsleistungen dauern, umso schwieriger ist es auch für eine Bevölkerung, dafür den politischen Konsens und den sozialen Konsens aufrechtzuerhalten. Aber sie sind unverzichtbar, insbesondere wenn man Mitglied in einer Währungsunion ist. Die Entscheidung, ob man solche Anpassungsleistungen zu tragen bereit und in der Lage ist, liegt ausschließlich im jeweiligen Land. Aber für die Mitgliedschaft in der Währungsunion sind sie unverzichtbar.

Das Problem des griechischen Ministerpräsidenten war, dass er vor und nach der letzten Wahl versprochen hatte, genau diese Entscheidung zu vermeiden. Er hatte versprochen: Griechenland bleibt in der Euro-Zone, ohne Reformen, ohne Programm. Dies hat sich als ein nicht haltbares Versprechen herausgestellt. Jetzt muss er das Gegenteil von dem machen, was er versprochen hatte. Darüber ist die Einheit seiner Partei ganz offensichtlich schweren Belastungen ausgesetzt.

Erst als die Unausweichlichkeit der Entscheidung klar war, haben sich die Verantwortlichen in Griechenland für einen neuen Anfang entschieden. Wenn der Ministerpräsident im Parlament und öffentlich gesagt hat – ich zitiere , dass Griechenland jetzt all das umstürzen müsse, was Griechenland in diese Krise geführt habe, um dauerhaft zu Wachstum und Beschäftigung zu kommen, dann ist das von seiner Seite die Bestätigung, dass es richtig war, Griechenland die Notwendigkeit, diese Wahl zu treffen, deutlich vor Augen zu führen. Dazu hat die Euro-Gruppe, dazu hat Deutschland beigetragen. Das ist im Interesse Griechenlands und im Interesse Europas.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Die Vereinbarung der Staats- und Regierungschefs vom 12. Juli 2015 enthält die Rahmenbedingungen. Danach haben die Institutionen die Vereinbarungen mit der griechischen Regierung erarbeitet. Die Institutionen sind die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds. Früher haben wir diese Einrichtungen Troika genannt, jetzt nennen wir sie Institutionen. Sie haben die Vereinbarungen mit der griechischen Regierung erarbeitet, das sogenannte Memorandum of Understanding, und abgeschlossen. Auf dieser Grundlage hat die Euro-Gruppe am vergangenen Freitag völlig einmütig einen Beschluss vorbereitet, für den ich im Deutschen Bundestag um Zustimmung ersuche.

Das Programm für die nächsten drei Jahre sieht Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro vor. Die erste Tranche soll 26 Milliarden Euro betragen. Sie dienen der Ablösung der schon im Juli beschlossenen Brückenfinanzierung zur Bedienung der fällig gewordenen auswärtigen Verbindlichkeiten – mit über 12 Milliarden Euro -; etwas mehr als 3 Milliarden Euro werden für die Erfüllung aufgelaufener Zahlungsverpflichtungen in Griechenland zur Verfügung gestellt, damit die griechische Wirtschaft wieder in Schwung kommen kann. Denn wenn Rechnungen nicht bezahlt werden, dann kommt die Wirtschaft nicht in Schwung.

Darüber hinaus werden Griechenland 10 Milliarden Euro auf einem gesonderten Konto beim ESM für die Bankenrekapitalisierung bereitgestellt; denn die zügige Rekapitalisierung der Banken in Griechenland ist wiederum notwendig, damit die Kapitalverkehrskontrollen schrittweise aufgehoben werden können. Auch das ist wichtig, damit die griechische Wirtschaft wieder Fuß fasst.

Die weiteren im Programm vorgesehenen Tranchen werden Zug um Zug mit erfolgreichen Programmüberprüfungen in den kommenden Jahren gezahlt. Diese Konditionalität mit Überprüfungen ist Bestandteil und Bedingung eines jeden europäischen Stabilisierungsprogramms. Die Institutionen werden die Umsetzung der Auflagen alle drei Monate überprüfen. Auf der Grundlage dieser Überprüfungen wird in der Euro-Gruppe bzw. im Board des Europäischen Stabilitätsmechanismus über die jeweiligen Auszahlungen beschlossen, wobei der Deutsche Bundestag jeweils im Rahmen des ESM-Finanzierungsgesetzes über die Entscheidungen informiert oder daran beteiligt wird – so wie das in unserer Gesetzgebung beschlossen und geregelt ist. Die erste Überprüfung soll im Oktober 2015 stattfinden.

Ziel der Reformmaßnahmen ist, dass Griechenland wirtschaftlich möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Deshalb ist es erforderlich, dass Griechenland ab 2016 wieder Primärüberschüsse erwirtschaftet. Ich will daran erinnern: Griechenland hatte im vergangenen Jahr einen Primärüberschuss. Wir hatten die Aussicht, dass in diesem Jahr ein ansteigender Primärüberschuss entstehen würde. Das ist leider durch die Entwicklungen der letzten acht Monate unmöglich geworden. Aber ab dem kommenden Jahr soll wieder ein kleiner und dann ansteigender Primärüberschuss erwirtschaftet werden: 0,5 Prozent im kommenden Jahr, 1,75 Prozent in 2017, und ab 2018 ein Primärüberschuss von 3,5 Prozent.

Die Reformmaßnahmen betreffen insbesondere eine verbesserte Haushaltsplanung, eine größere Steuergerechtigkeit, eine Modernisierung der Arbeits- und Produktmärkte und der öffentlichen Verwaltung, eine Privatisierungsstrategie und eine Rentenreform. Insgesamt sieht das Programm zahlreiche und umfangreiche Einzelmaßnahmen vor, von denen ein Großteil – das ist das Neue – bereits vorab im griechischen Parlament verabschiedet worden ist. Wichtige konkrete Reformmaßnahmen umfassen unter anderem die Liberalisierung des Energiemarkts, die Abschaffung von Steuerbegünstigungen, die Bekämpfung von Korruption in der Verwaltung, den Umbau des Renten- und Gesundheitswesens, die Wiederherstellung von Liquidität und Kapitalausstattung angeschlagener Banken, den Umgang mit notleidenden Krediten und die Einrichtung eines Privatisierungsfonds.

Bei den Bankenrekapitalisierungsmaßnahmen, die sich in dem Programm, im Rahmen der 86 Milliarden Euro, auf bis zu 25 Milliarden Euro belaufen können – je nachdem, was durch die europäische Bankenaufsicht als Notwendigkeit ermittelt wird -, ist sichergestellt, dass über die ersten 10 Milliarden Euro hinaus zunächst der tatsächliche Bedarf durch einen Stresstest der europäischen Bankenaufsicht ermittelt wird. Darüber hinaus ist Voraussetzung, dass die Programmüberprüfung im Oktober 2015 erfolgreich abgeschlossen wird. Darüber hinaus wird das Bail-in-Instrument für Anleihegläubiger erstrangiger Schuldtitel gelten. Die Beteiligung von Einlegern bleibt vor Inkrafttreten der Bankenrestrukturierungsrichtlinie ausgeschlossen.

Für das den Banken zur Verfügung zu stellende Kapital, also bis zu 25 Milliarden Euro, sollen entsprechende Anteile an den unabhängigen Privatisierungsfonds übertragen werden. Dieser Privatisierungsfonds soll bis Ende 2015 unter der Aufsicht der relevanten europäischen Institutionen seine Arbeit aufnehmen. Den ersten Entwurf dafür muss Griechenland schon im Oktober 2015 vorlegen. In diesen Fonds sollen während der Laufzeit des Programms – über die im MoU vereinbarten Privatisierungen hinaus – werthaltige Vermögenswerte transferiert werden, die sich im Wert entwickeln sollen, damit sie nach Abschließen der Privatisierung zusätzlich zur Schuldenreduzierung und zur Förderung von Investitionen in Griechenland beitragen können.

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das klappt doch nie!)

Für die Bundesregierung ist unabdingbar, dass der Internationale Währungsfonds mit seiner besonderen Expertise bezüglich Staatsschuldenkrisen weiter an Bord bleibt. Die Euro-Gruppe teilt diese Auffassung, und sie hat dies in ihrer Erklärung vom Freitag ausdrücklich niedergelegt. Der Internationale Währungsfonds wird seinerseits über eine weitere Beteiligung nach einer Überprüfung des Programms im Herbst entscheiden.

Man muss daran erinnern: Das eigentliche Programm des Internationalen Währungsfonds hatte eine Laufzeit bis Ende März kommenden Jahres. Durch die Nichtbedienung einer Zahlung Ende Juni, Anfang Juli dieses Jahres an den IWF ist das Programm außer Kraft getreten. Deswegen hat der IWF schon bei den Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs am 12. Juli 2015 erklärt, dass ein neues Programm für den IWF notwendig ist und dass der IWF darüber erst im Oktober 2015, nach einer ersten Programmübersicht im Lichte der eingetretenen Verzögerungen bei der Bedienung von IWF-Verbindlichkeiten nach IWF-Regeln entscheiden wird. Aber seine grundsätzliche Bereitschaft zu einer weiteren Beteiligung hat der IWF erklärt, und er hat Maßnahmen spezifiziert, die jetzt auf den Weg gebracht werden müssen.

(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Frau Göring-Eckardt, die Konditionalität, die wir im MoU vereinbart haben, ist mit dem IWF zu 100 Prozent gemeinsam festgelegt.

Der IWF hat zwei zusätzliche Punkte hinsichtlich der Rentenreform und der Banken-Governance genannt, die bis Oktober 2015 geklärt werden müssen auch das ist einvernehmlich und die dann auch in das europäische Programm übernommen werden sollen, damit wir eine völlige Identität der Konditionalität von ESM-Programm und IWF-Programm haben werden.

Des Weiteren gehört zu diesen Maßnahmen natürlich auch die gemeinsame Beurteilung, dass die Schuldentragfähigkeit gegeben ist. Da haben wir im Augenblick die Situation, dass die europäischen Institutionen Kommission und EZB zu der Einschätzung gekommen sind, dass die Schuldentragfähigkeit bei konsequenter Umsetzung der Programmvereinbarungen und durch Maßnahmen zur Schuldenerleichterung ohne einen Schuldenschnitt erreicht werden kann.

Zwar werden die bisher vereinbarten Zielwerte für die Schuldenstandsquote aufgrund der Verwerfungen der vergangenen Monate erst deutlich später erreicht werden können das ist unbestreitbar , aber in jedem Fall wird die Schuldenstandsquote schon während der Programmlaufzeit bis 2018 ihren Kulminationspunkt überschreiten, ab dem sie dann wieder zurückgeht. Denn die Schuldenstandsquote geht in dem Augenblick zurück, in dem der Überschuss höher ist, und deswegen hängt das davon ab, wie sich das Wachstum entwickelt und die Reduzierung der Haushaltsdefizite erfolgt. Der Kulminationspunkt muss also noch vor 2018 erreicht werden, sodass die Schuldenstandsquote dann wieder rückläufig ist.

Der Verschuldungsgrad ist im internationalen Vergleich extrem hoch, obwohl es Länder gibt ich nenne nur Japan , die eine viel höhere Schuldenstandsquote haben. Deswegen hat man in den vergangenen Jahren international mehr und mehr darauf abgehoben, dass die entscheidende Größe für die Schuldentragfähigkeit eigentlich nicht der Schuldenstand ist, sondern die Frage: Liegt der jährlich zu leistende Dienst für Zins und Tilgung, die sogenannte Bruttofinanzierungsbelastung pro Jahr, unterhalb von 15 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft oder nicht? Diese Beurteilung wird gemeinsam von Internationalem Währungsfonds und europäischen Institutionen mit zugrunde gelegt. Diese 15 Prozent werden jedenfalls nach den heutigen, noch vorläufigen Zahlen bis weit in die 2020er-Jahre hinein eingehalten werden können. Ob das für die gesamte Programmlaufzeit der Fall sein wird, muss man im Oktober 2015 im Lichte der dann zu aktualisierenden Zahlen beurteilen. Deswegen bin ich ganz zuversichtlich, dass wir im Oktober 2015 zu einer gemeinsamen Beurteilung der Schuldentragfähigkeit kommen werden.

Dementsprechend werden wir, wenn es dann notwendig ist, noch einen begrenzten Spielraum in der Frage der Laufzeit der Kredite haben, vielleicht auch in der Frage von tilgungsfreien Perioden. Aber auch da sind ja die bisherigen Laufzeiten und die tilgungsfreien Perioden schon so umfangreich, dass der Spielraum für weitere Schuldenerleichterungen ein begrenzter ist; das muss man immer wieder sehr klar sagen. Wiederum ist auch klar, dass ein Schuldenschnitt nicht möglich ist. Er ist nach den europäischen Verträgen, nach übereinstimmender Beurteilung aller Fachleute und nach der Erklärung der Staats- und Regierungschefs für die Mitglieder der Europäischen Währungsunion nicht zulässig.

Es war bereits in der Erklärung vom Juli dieses Jahres enthalten, dass der IWF erst im Oktober 2015 über seine Beteiligung an einem neuen Programm entscheiden wird. Aber unter der Voraussetzung der entsprechenden Änderungen im Rentensystem und der Banken-Governance und unter der Voraussetzung, dass eine Einigung über die Schuldentragfähigkeit erzielt wird, hat die Generaldirektorin des IWF am vergangenen Freitag zugesagt, sich im Oktober 2015 in den IWF-Gremien für eine weitere finanzielle Beteiligung des Internationalen Währungsfonds einzusetzen. Genau in dieser Form wurde bei allen bisherigen europäischen Programmen die Beteiligung des IWF vereinbart; denn der IWF entscheidet unabhängig.

Die Zusage seiner Generaldirektorin, dass man sich für eine weitere Beteiligung einsetzen wird, ist von den Gremien des IWF in der Vergangenheit, wenn die Voraussetzungen erfüllt waren, immer honoriert worden. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass das auch in diesem Jahr der Fall sein wird. Die Euro-Gruppe ihrerseits hat entsprechend der Position der Bundesregierung klar gesagt, dass eine weitere Beteiligung des Internationalen Währungsfonds an diesem Programm auch finanziell unverzichtbar ist.

Mit all den Vereinbarungen im MoU und mit den Erklärungen der Euro-Gruppe sind also die Beschlüsse des Europäischen Gipfels vom 12. Juli 2015 umgesetzt. Alle Beteiligten waren sich einig, dass in den letzten Wochen ein grundsätzlicher Wandel in Griechenland zu verzeichnen ist. Dass das zu Auseinandersetzungen innerhalb der die dortige Regierung tragenden Kräfte führt, spricht für die Ernsthaftigkeit des Wandels; wenn es ohne Auseinandersetzung ginge, dann wäre das irgendwie überraschend. Aber weil dieser Wandel wirklich offensichtlich ist und mit Händen zu greifen war viele haben gesagt, man glaubt fast, dass man in einer anderen Welt lebt; wie gesagt, die meisten „prior actions“ sind inzwischen vom griechischen Parlament beschlossen worden , waren wir uns unter den Finanzministern am Freitag völlig einig, dass wir auf dieser Grundlage den Abschluss eines Hilfsprogramms empfehlen können und empfehlen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich gibt es nach den Erfahrungen der zurückliegenden Monate und Jahre keine Garantien, dass das alles funktionieren wird, und Zweifel sind immer erlaubt. Aber angesichts der Tatsache, dass das griechische Parlament einen Großteil der Maßnahmen bereits beschlossen hat, wäre es unverantwortlich, die Chance für einen neuen Anfang in Griechenland jetzt nicht zu nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wenn Griechenland zu seinen Vereinbarungen steht und wenn das Programm entschlossen und vollständig umgesetzt wird, dann kann die griechische Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder wachsen. Die Chance ist gegeben. Ob sie genutzt wird, entscheiden allein die Griechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen oft Entscheidungen treffen, bei denen es gute Gründe dafür und gute Gründe dagegen gibt; das ist Politik. Es ist nicht so, dass immer alle Argumente nur dafür sprechen.

(Christine Lambrecht (SPD): Leider!)

Bei den meisten Entscheidungen ist es übrigens so, dass man zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ganz sicher sein kann, wie sich das in der Rückschau in einigen Jahren darstellen wird; wir können zukünftige Entwicklungen nicht antizipieren. Deswegen müssen wir die Argumente sorgfältig abwägen. Insofern sage ich mit allem Ernst: Wir haben uns alle Mühe gemacht, unserer Verantwortung für Europa, für europäische Solidarität gegenüber Griechenland, aber natürlich auch gegenüber dem Souverän in jedem anderen Mitgliedstaat und gegenüber den Steuerzahlern in allen Ländern der europäischen Währungsunion gerecht zu werden.

Wir wissen – darin sind wir uns alle einig -, wir brauchen aus vielen, vielen Gründen ein starkes, ein handlungsfähiges Europa, und das geht nicht ohne Verlässlichkeit, ohne Vertrauen, und das erfordert Solidarität. Ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich nicht weniger als irgendjemand sonst um diese Entscheidung gerungen habe. Weil das so ist, kann ich Sie alle mit voller Überzeugung bitten: Stimmen Sie dem Antrag des Bundesfinanzministeriums zu.“

(Anhaltender Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)