Bundesinnenminister Schäuble zum Gesetzentwurf zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt



Bericht von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in der Befragung der Bundesregierung in der 165. Sitzung des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (Protokollauszug)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Das Kabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt beschlossen. Wir setzen damit als Gesetzentwurf um, was wir als Verfassungsgesetzgeber in der Föderalismusreform I im Jahre 2006 in das Grundgesetz eingefügt haben. Abweichend von der bisherigen Ordnung unseres föderalen Sicherheitssystems, in dem die Polizeien der Länder ausschließlich für die präventive polizeiliche Gefahrenabwehr zuständig sind . eine kleine Ausnahme ist die Bundespolizei mit ihrem engen Bereich der Grenzkontrolle und der bahnpolizeilichen Aufgaben, soll in Zukunft auch das Bundeskriminalamt eine  Gefahrenabwehrbefugnis zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus bekommen. Das war die Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers angesichts der schwerwiegenden Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus. Diese Entscheidung setzen wir mit diesem Gesetzentwurf um. Wir haben bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes natürlich die Landespolizeigesetze, in denen bisher die Aufgabe polizeilicher Gefahrenabwehr ausschließlich geregelt wurden, zum Vorbild genommen und haben das, was sich in den Gesetzen aller Bundesländer an gesetzlichen Instrumenten zur polizeilichen Gefahrenabwehr bewährt hat, in diesen Gesetzentwurf eingefügt. Wir haben dabei neuere technische Entwicklungen und Entwicklungen in der Verfassungsdebatte berücksichtigt.

Aber wir haben das Rad nicht neu erfunden. Manche haben in der öffentlichen Debatte um den Gesetzentwurf nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Bund bisher keine polizeiliche Gefahrenabwehrbefugnis hatte. Deswegen gab es auch keine entsprechenden Verfahren. Ich will daher zu einigen Punkten, die in der Debatte eine Rolle gespielt haben, einige wenige Bemerkungen machen.

Wir haben in der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizeien bzw. Landeskriminalämtern mit der Formulierung des § 4 a des Gesetzentwurfes sichergestellt, dass den Landeskriminalämtern bzw. Landespolizeien keinerlei Befugnisse genommen werden, sondern dass die Gefahrenabwehrbefugnis des Bundeskriminalamtes additiv hinzukommt, sodass die Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizeien. die im Alltag, etwa im GTAZ, reibungslos funktioniert. samt einer ständigen Unterrichtung gewährleistet ist.

All die polizeilichen Ermittlungsinstrumente, die die Polizeien zur Gefahrenabwehr brauchen, etwa die Befragung von Personen oder Platzverweise sowie alle anderen Instrumente, die man zur polizeilichen Gefahrenabwehr auch braucht, haben wir in den Gesetzentwurf gemäß den Auflagen unseres Grundgesetzes aufgenommen, wonach Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Bereiche nur unter strengen gesetzlichen Voraussetzungen und durch richterliche Entscheidungen im Einzelfall erlaubt sind. Dieser Grundsatz wurde in diesem Gesetzentwurf umfassend berücksichtigt.

Ein Teil der Öffentlichkeit hat in diesem Zusammenhang überhaupt erst zur Kenntnis genommen, dass unser Grundgesetz in Art. 13 die polizeiliche Gefahrenabwehr höher bewertet als die repressive Strafverfolgung und das Bundeskriminalamt bisher nur nach den Regeln der Strafprozessordnung tätig werden konnte. Der Gesetzentwurf sieht dementsprechend vor, dass die Wohnraumüberwachung nach Art. 13 des Grundgesetzes zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden kann. In den Landespolizeigesetzen ist das bereits entsprechend geregelt. Infolgedessen haben wir diese Regelung in den Gesetzentwurf aufgenommen. Das entspricht der Erfahrung, die wir mit den Landespolizeigesetzen gemacht haben. Das ist nichts Überraschendes, sondern entspricht Art. 13 des Grundgesetzes. Überraschend war nur, dass man in der öffentlichen Debatte feststellen konnte, dass manch einer, der sich in der Debatte zu Wort gemeldet hat, diesen Artikel nicht kannte.

Wir haben klargestellt, dass die TKÜ . das betrifft etwa die neue Kommunikationstechnologie Voice over IP . den Regeln der Telekommunikation und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Das ist kein neues Ermittlungsinstrument, sondern eine Klarstellung.

Wir schaffen erstmals eine gesetzliche Grundlage für Onlinedurchsuchungen. Dafür werden enge Voraussetzungen gelten. Diese Regelung ist notwendig geworden, weil die von der früheren Bundesregierung eingeführte Praxis einer analogen Anwendung der bestehenden gesetzlichen Regelungen vom Bundesgerichtshof als nicht zureichend erklärt worden ist. Deswegen müssen wir eine eigene gesetzliche Grundlage dafür schaffen. Das ist unter engen Voraussetzungen möglich. Wir schützen den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, wie es der Verfassung entspricht.

Bei der akustischen Überwachung, bei der Telekommunikationsüberwachung, schützen wir den Kernbereich folgendermaßen: Das Band darf weiterlaufen, wenn der Kernbereich berührt sein könnte. Der anordnende Richter muss entscheiden, ob der Kernbereich berührt ist. Bejaht er dies, muss das Material unter Protokollierung vernichtet werden.

Bei der Onlinedurchsuchung haben wir dasselbe System. Die Onlinedurchsuchung muss durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes oder seinen Stellvertreter beantragt werden, das zuständige Amtsgericht entscheidet. Wenn die Maßnahme angeordnet ist, wird das aufgekommene Material durch zwei beamtete Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, von denen mindestens einer die Befähigung zum Richteramt haben muss, gesichtet. Wenn bei der ersten Sichtung der Eindruck entsteht, dass kernbereichrelevantes Material enthalten sein könnte, muss das Material dem anordnenden Gericht genau wie bei der Telekommunikationsüberwachung vorgelegt werden. Das entspricht unserem Grundgesetz. Diese Regelung ist deswegen ohne jeden Zweifel verfassungsrechtlich richtig und sachlich notwendig.

Eine letzte Bemerkung: Zur polizeilichen Gefahrenabwehr brauchen wir natürlich. wie immer . auch eine Eilbefugnis. Deshalb kann bei Gefahr in Verzug der Präsident des Bundeskriminalamts die Maßnahme anordnen. Er muss unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeiführen. Erhält er nicht innerhalb von drei Tagen eine richterliche Genehmigung, muss die Maßnahme beendet werden. Auch das entspricht den Regelungen zur polizeilichen Gefahrenabwehr in allen Landesgesetzen.

Dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein unserer Sicherheitsarchitektur. Er versetzt unsere Sicherheitsbehörden insgesamt verstärkt in die Lage, die Einhaltung von Verfassung und Gesetz in diesem Land zu gewährleisten. Gesetze allein reichen nicht. Sie müssen auch eingehalten werden. Der Staat muss garantieren, dass sie eingehalten werden. In anderem Zusammenhang erleben wir, wie notwendig es ist, dass staatliche Organe auf der Grundlage von Verfassung und Gesetz die Einhaltung von Gesetzen garantieren.

Herzlichen Dank.

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