Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble äußert sich zu Rechtsextremismus und Datenschutz



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im Bericht aus Berlin

ARD: Haben die Sicherheitsbehörden in Deutschland den Rechtsextremismus und auch den Rechtsterrorismus in den letzten Monaten eigentlich unterschätzt?

Schäuble: Das glaube ich nicht. Aber man sieht ja, die Gewalttaten nehmen zu. Und deswegen müssen die Polizei und auch die Verfassungsschutzbehörden der Länder ihre Anstrengungen verstärken. Das ist gar keine Frage. Ich glaube, wir sind in der Gefahr, zu sehr politisch nur über das NPD-Verbot zu diskutieren. Wir müssen uns stärker auf diese gewalttätigen Organisationen konzentrieren. Und die müssen wirklich mit allen Mitteln polizeilich bekämpft werden.

ARD: Aber Seehofer und auch Steinmeier fordern jetzt wieder ein NPD-Verbot. Ist es nicht doch wert, noch mal einen Anlauf zu nehmen?

Schäuble: Aber natürlich. Ich habe unmittelbar nach Bekanntwerden des Attentats sofort gesagt, wir müssen das genau auswerten, beobachten. Aber im Augenblick dauern ja die Ermittlungen noch an. Man kann ja nicht auf Grund von Spekulationen Schlüsse ziehen. Wenn man eine klare, beweiskräftige Verbindung zwischen der Partei und diesen gewalttätigen Organisationen und den Gewalttaten ziehen kann, dann kann sich die Sache auch neu darstellen. Das Problem mit den V-Leuten bleibt. Wahr ist, wie die Kanzlerin gesagt hat: Wenn wir ein Verbotsverfahren betreiben, dann darf es nicht scheitern.

ARD: Sie haben gesagt, man muss die NPD mit anderen Mitteln bekämpfen. Das klingt gut, aber wie soll das geschehen?…

Schäuble: … (Ein Beispiel sind) Entscheidungen über die Genehmigung von Demonstrationen… Die Anforderungen an ein Verbot von solchen Veranstaltungen sind sehr hoch. Und da muss man auch einmal überlegen, wenn regelmäßig Gewalttaten daraus verübt werden, dann kann das ja auch zu anderen Entscheidungen führen.

ARD: Nun sind diese Organisationen an dem rechten Rand dabei, viele Aufmärsche zu machen und auch mit Gewalt zu arbeiten. Da hat man schon den Eindruck, dass die V-Leute entweder gar nicht mehr wissen, worum es eigentlich geht, oder sie haben vielleicht gar keinen Kontakt mehr.

Schäuble: Sie werden nicht erwarten, dass ich jetzt zu dem, was die V-Leute machen, hier irgendeine Aussage mache. Aber Tatsache ist, dass man nicht alle diese Gewalttaten vorher weiß. Sonst würde sie natürlich die Polizei in jedem Bundesland verhindern. Das ist immer ein ganzes Stück weit schwierig, Niemand hat je behauptet, dass wir alle potenziellen Gewalttäter gewissermaßen unter Kontrolle hätten. Sonst gäbe es ja keine Straftaten mehr. Es zeigt sich, dass die Zunahme von Gewalt gerade bei jungen Menschen ein erschreckendes Phänomen ist. Und wir müssen mit aller Entschiedenheit dagegen vorgehen.

ARD: … Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts spricht von einem Supergau des Datenschutzes, wenn sich private Firmen Persönlichkeitsprofile von Privatleuten anlegten. Teilen Sie diese Einschätzung?

Schäuble: Wir wissen, dass der Datenschutz in der Tat das Problem im privaten Bereich ist… Da zeigt sich wieder, der Staat ist nicht derjenige, der die Freiheit bedroht. Sondern der Staat ist derjenige, der die Freiheitsrechte der Bürger schützen muss… Wir haben auch einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, in dem wir vorschlagen, dass man Firmen, die den Standard des Datenschutzes, einen hohen Standard einhalten, mit einem Datenschutzaudit zertifizieren kann, so dass wir bei dieser rasant schnellen Entwicklung ein Verfahren entwickeln, wo man gewissermaßen immer auf dem Stand der Technik ist und den bestmöglichen Datenschutz praktiziert. Und dann können die Verbraucher, die Kunden sagen, wir gehen nur zu solchen Firmen Geschäftsbeziehungen ein, die den höchsten Standard von Datenschutz einhalten.

Das Gespräch führte Ulrich Deppendorf

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