Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Gespräch mit der Rheinischen Post
Dr. Schäuble: Die Vorkommnisse sind nicht in Ordnung, deshalb handeln wir. Wir werden künftig den Adresshandel, also den wichtigsten Teil des Datenhandels, von der Zustimmung der Betroffenen abhängig machen. Damit fällt das Listenprivileg weg, das die Weitergabe von Adressdaten grundsätzlich erlaubt, wenn kein Widerspruch der Betroffenen vorliegt.
Rheinische Post (RP): Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, spricht davon, dass mittlerweile jeder befürchten muss, betroffen zu sein.
Dr. Schäuble: Unbestreitbar hat es gravierende Verstöße gegeben. Unser Gesetzentwurf zielt gerade darauf, den Umgang mit Daten für Werbung, Markt- und Meinungsforschung transparenter und damit auch besser kontrollierbar zu machen.
RP: Wie kann man unseriösen Callcenter-Betreibern, die mit Daten offenbar illegal handeln, das Handwerk legen?
Dr. Schäuble: Das ist eine Frage an die Staatsanwaltschaft, die in dem von Ihnen angesprochenen Fall ja schon ermittelt. Zudem sind die Aufsichtsbehörden in den Ländern zuständig. Unser Gesetzentwurf wird dabei helfen, ähnliche Taten zu erschweren. Denn wer mit Daten handelt, der wird im Einzelfall nachweisen müssen, dass er dafür die Einwilligung hat. Das macht den Datenhandel nachvollziehbar und schreckt Datendiebe ab.
RP: Das aber drosselt einen wichtigen Jobmotor: die Werbe- und Druckwirtschaft. Hier hängen hunderttausende Arbeitsplätze von der Weitergabe von Adressdaten ab.
Dr. Schäuble: Das ist richtig. Deshalb machen wir Ausnahmen. Für Hilfsorganisationen, karitative Einrichtungen und andere gemeinnützige Organisationen, die sich für Menschen in Not und Elend einsetzen, für die Förderung von Kunst, Wissenschaft und Sport, gilt das Listenprivileg weiterhin.
RP: Gilt das auch für Branchen, die gewinnorientiert arbeiten?
Dr. Schäuble: Wenn es um Ausnahmen geht, gibt es immer viele Wünsche. Wenn jemand dem eigenen Katalog, den er einem Kunden schickt, noch etwas an Werbung beilegen möchte, von dem er meint, das interessiere seinen Kunden, dann haben wir nichts dagegen. Denn der Werbetreibende muss selbst beurteilen, was in dem Vertrauensverhältnis mit seinem Kunden geht und was nicht.
RP: Härtere Strafen bei Missbrauch könnten die Sünder auch zur Raison bringen, ohne eine gesamte Branchen unter Generalverdacht zu stellen.
Dr. Schäuble: Der Verstoß gegen Datenschutzgesetze ist kein Kavaliersdelikt. Wir werden deshalb den Strafrahmen und den Bußgeldkatalog verschärfen.
RP: Datenschützer fordern auch eine Auskunftspflicht über die Herkunft der Daten.
Dr. Schäuble: Wir dürfen die Auskunftspflicht nicht überstrapazieren. Ein lückenloser Herkunftsnachweis ist unmöglich. Deswegen haben wir davon Abstand genommen. Das würde tatsächlich die Wirtschaft schädigen.
RP: Kritiker halten das Gesetz deswegen für weitgehend wirkungslos.
Dr. Schäuble: Dann haben sie das Gesetz nicht gelesen. Mit der starken Eingrenzung des Listenprivilegs und den höheren Strafen leisten wir einen wichtigen Beitrag zu mehr Datenschutz. Dazu kommt das Verbot für marktbeherrschende Unternehmen, die Herausgabe von Daten zu erzwingen. Außerdem wird es eine Informationspflicht der Unternehmen bei einem Datenverlust geben. Schließlich stärken wir die Rechte der betrieblichen Beauftragen für den Datenschutz. Das ist ein ausgewogenes Paket, das auch die Branchen, die vom Datenhandel leben, nicht stranguliert.
Martin Kessler und Michael Bröcker führten das Gespräch.