Bundesinnenminister Dr. Schäuble kritisiert Richterbund wegen Bedenken gegen das BKA-Gesetz



Interview mit Dr. Wolfgang Schäuble mit dem SWR2

SWR2: Der Widerstand gegen die Online-Passagen im geplanten BKA-Gesetz hat so sehr zugenommen in den letzten Tagen, dass der Streit wohl auch ausstrahlen wird auf die Konferenz Ihrer Länder-Kollegen heute in Potsdam. Ihr Parteifreund Bosbach aus der Unionsfraktion hat schon angekündigt, Sie würden in Potsdam noch mal genau darlegen, dass die Regelungen in der jetzigen Form unverzichtbar seien. Warum haben Sie es offensichtlich so schwer zu vermitteln, dass es zwingend und gut ist, was Sie da planen?

Dr. Wolfgang Schäuble: Na ja gut, ich habs gar nicht schwer. Ich meine, es ist ja so: der Verfassungsgesetzgeber hat ja vor Jahren, übrigens auf Initiative der Rot-Grünen Bundesregierung, gesagt, die Gefahren durch den internationalen Terrorismus sind so groß und sie sind in aller Regel länderübergreifend, dass es notwendig ist, dass zusätzlich zu den Ländern auch das Bundeskriminalamt die Aufgabe der polizeilichen Gefahrenabwehr übertragen bekommen soll. Wenn das Bundeskriminalamt diese Aufgabe übernehmen soll, braucht es natürlich auch die notwendigen gesetzlichen Instrumente. Das war eigentlich völlig unbestritten. Da ist jetzt innerhalb der SPD, aber die streiten ja in den eigenen Reihen zur Zeit über alles, eine Diskussion entstanden. Das lässt mich relativ gelassen. Solange das Bundeskriminalamt die Aufgabe nicht hat, tragen die Länder die Verantwortung.

SWR2: Der Unmut ist nicht nur in den Reihen der SPD und den Landesregierungen, an denen sie mitregiert. Das ist ja das Auffällige, dass der Widerspruch eben nicht auf die Politik beschränkt ist. Der Deutsche Richterbund etwa sagt, es sei bedenklich, wenn bei einem so schweren Eingriff wie der Online-Durchsuchung nicht immer und zwingend ein Richter vorgeschaltet ist. Sehen Sie hinter solchen Einwänden nur juristische Eitelkeit oder warum sonst kann sie das nicht überzeugen?

Dr. Schäuble: Ja natürlich, das ist dann natürlich ein Mangel aus Kenntnis, was im Gesetz geregelt ist. Es ist auch ein bisschen Eitelkeit dabei. Da sprechen dann auch Funktionäre, die glauben, sie müssten ihren Verband repräsentieren. Das ist nicht die Mehrheit der Richter…

SWR2: Nur die Polizeigewerkschaft…

Dr. Schäuble: Moment. Wir haben bei jeder polizeilichen Regelung in jedem Landespolizeigesetz immer auch eine Eilfallregelung. Grundsätzlich muss der Richter entscheiden, das ist völlig unbestritten, das ist in dem BKA-Gesetz nicht anders. Aber im Eilfall gibt es immer eine Eilkompetenz und dann muss die Entscheidung des Richters nachgeholt werden. So wie übrigens die Polizei, das weiß auch der juristische Laie, jemand verhaften kann ohne Haftbefehl, aber innerhalb von 24 Stunden muss er dem Richter vorgeführt werden. Das ist eine ganz alte Tradition und es ist die Regel. Die Polizei muss ja im Notfall handeln können und da darf sie ja nicht erst zum Gericht laufen müssen, wenn die Lage da ist. Das ist die Ausnahme, aber diese Ausnahme muss eben auch geregelt sein. Die ist nicht anders geregelt im BKA-Gesetz als in allen vergleichbaren Fällen, in allen vergleichbaren Gesetzen, auch in der Strafprozessordnung. Das muss doch der Richterbund wissen.

SWR2: Selbst wenn eine solche Eilfallregelung weit verbreitet sein sollte, das glaube ich Ihnen durchaus: Tatsache ist, dass dieser Punkt in diesem Gesetz der Knackpunkt zu sein scheint, an dem die Novelle im Bundesrat scheitern könnte…

Dr. Schäuble: Nein, das ist der Vorwand, verzeihen Sie. Ich mach die Diskussion nun drei Jahre mit. Das ist ein reiner Vorwand.

SWR2: Aber das kann man ja vielleicht überprüfen, indem man die Eilfallregelung streicht. Ist die denn wirklich verzichtbar?

Dr. Schäuble: Ja selbstverständlich. Wissen Sie, wir haben doch in der Verfassung, ist das alles geregelt. Deswegen bin ich ganz entspannt und dieses ganze viele Gerede, auch in den Medien nervt mich eher ein wenig. Der Bundestag hat das Gesetz beschlossen. Die Sozialdemokraten haben gesagt, das ist ein gutes Gesetz. Wir auch. Die Opposition ist dagegen. Das ist ihr gutes Recht. Jetzt geht’s in den Bundesrat, wenn der Bundesrat nicht zustimmt, kann das Gesetz nicht zustande kommen. Dann gibt es das Vermittlungsverfahren, das ist im Grundgesetz vorgesehen und dann werden wir vernünftig darüber reden und wenn am Rande der Innenministerkonferenz jemand zusätzlichen Aufklärungsbedarf hat, werde ich das gerne erklären, warum das so ist. Aber es ist zum Beispiel auch so: man sagt, man wirft dem Gesetz vor, es regle den Zeugenschutz von Berufsgruppen nicht angemessen. Es regelt ihn aber genauso wie es die Strafprozessordnung seit vielen Jahrzehnten tut und wie es kein Richterbund und kein Anwaltstag jemals kritisiert hat…

SWR2: Aber darf ich noch mal bei der Eilfallregelung nachfragen…

Dr. Schäuble: Aber die Eilfallregelung ist nun auch das, was wir bei allen, ich habe es gerade erklärt…

SWR2: Ich weiß schon, aber ich habe noch eine Nachfrage. Ich würde Sie gerne fragen, ob es nicht möglich ist – um das zu umgehen – dass ein Richter 24 Stunden rufbereit ist und eingeschaltet werden kann oder halten Sie das für ausgeschlossen?

Dr. Schäuble:  Da werden die Länder sagen, soviel Mittel hätten sie bei der Justiz nicht. Aber wissen Sie, wir führen ja solche Verhandlungen in den Institutionen unserer Verfassung. Wir haben über das Gesetz gründlich beraten. Es ist im Bundestag dargelegt worden und wir werden jetzt im Bundesrat beraten und dann werden wir in den Vermittlungsausschuss gehen. In diesen Kaskaden von Interviewäußerungen wird soviel Unsinn erzählt, dass die Öffentlichkeit nur verwirrt wird und daraus entsteht dann in Wahrheit der Eindruck, als plane man hier etwas, was völlig neu sei, was ein neuer Eingriff sei. Das ist alles völlig falsch. Es geht im Kern nur darum, dem Bundeskriminalamt eine Aufgabe zu übertragen, die bisher ausschließlich die Länder haben und dem Bundeskriminalamt dazu die Befugnisse zu geben, die es in allen Ländergesetzen gibt, einschließlich von Eilfallregelungen.

SWR2: Ich würde noch mal ganz gerne ein anderes Thema ganz kurz ansprechen, das auch mit Gefahren zu tun hat, allerdings anderer Art. Die UNO bittet um die Aufnahme von verfolgten irakischen Christen in Deutschland. Sie selbst hatten sich dafür eingesetzt. Aber die Frage war, kommt es zu einem europäischen Aufnahmeprogramm. Können Sie ganz kurz sagen, ob Sie schon Signale aus Brüssel haben?

Dr.Schäuble: Ja, wir hatten eine Erkundungsmission, die hat jetzt stattgefunden. Die war in Jordanien und im Libanon. Darüber wird im Europäischen Rat der Innenminister in der kommenden Woche berichtet. Wir werden heute abend, morgen, übermorgen in der Innenministerkonferenz der Länder den Stand der Dinge besprechen. Ich werde meinen Kollegen vorschlagen, dass wir für den Fall, dass ein europäischer Beschluss zustande kommt, uns als Deutschland daran beteiligen. Das ist der Stand der Dinge.