Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Bild-Zeitung



Interview in der Bild-Zeitung

BILD: Anders als bislang versprochen soll Deutschland schon wieder mit mehr Geld für Euro[Glossar]-Schuldensünder haften. Haben Sie Ihr Wort gebrochen?

Schäuble: Nein. Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone [Glossar] haben Ende 2011 vereinbart, im März über die Größe des Schirms abschließend zu beraten. Genau das tun wir jetzt in Kopenhagen.

BILD: Moment! Noch im Herbst hieß es auch von Ihnen, Deutschland werde mit maximal 211 Milliarden Euro haften. Nun werden es fast 300!

Schäuble: Da darf man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Richtig ist: Am bisherigen Rettungsschirm EFSF beträgt der deutsche Haftungsanteil maximal 211 Milliarden Euro.

Da der Schirm aber bei Weiten nicht ausgeschöpft ist, liegt die deutsche Haftung knapp unter 100 Milliarden. Der neue Rettungsschirm ESM ist völlig anders konstruiert. Alle Eurozonenländer müssen Kapital einzahlen, Deutschland 22,5 Milliarden Euro.

Nur bei Verlusten entsteht eine Nachschusspflicht, die sich theoretisch im Extremfall bis zu 168 Milliarden belaufen könnte.

BILD: Also steht fest: Weil beide Schirme künftig parallel laufen, könnten Deutschlands Verpflichtungen über 211 Milliarden Euro steigen! Oder werden die Schirme sogar bis auf eine Billion Euro ausgeweitet so wie Frankreich fordert?

Schäuble: Ich halte gar nichts davon, die Märkte mit immer neuen Beträgen zu verunsichern.

BILD: Wetten, dass in den nächsten Monaten erneut über eine Ausweitung der Rettungsschirme verhandelt wird?

Schäuble: Jetzt tun Sie genau das, was man nicht machen sollte: Sie verunsichern die Mensehen. Da mache ich nicht mit.

BILD: Warum kriegen Pleitestaaten problemlos Milliarden-Bürgschaften – aber die Schlecker-Mitarbeiter nicht mal eine 70-Millionen-Bürgschaft?

Schäuble: Die Entscheidungen der Bundesländer, an denen ich nicht beteiligt bin, kommentiere ich nicht. Die Bundesregierung hat über die KfW-Bankengruppe den Ländern aber technische Hilfe angeboten.

BILD: Die Konjunktur [Glossar] läuft, die Krankenkassen schwimmen im Geld – warum wird die Praxisgebühr nicht abgeschafft?

Schäuble: Ich sage es Ihnen auf Süddeutsch: Was nix kostet, ist auch nix wert! Die Praxisgebühr ist richtig, weil sie für Sparsamkeit im Gesundheitssystem sorgt.

Sie ist notwendig, damit wir den hohen Standard unserer Gesundheitsversorgung auf Dauer erhalten können. Dieses Instrument abzuschaffen wäre verkehrt, sodass wir darüber gar nicht erst nachdenken sollten.

BILD: Dann entlasten Sie doch die Autofahrer, indem Sie die Pendlerpauschale anheben, dieÖkosteuer [Glossar] senken!

Schäuble: Nein. Es wäre grundfalsch, wenn der Gesetzgeber durch Subventionen [Glossar]versuchen würde, den Benzinpreisanstieg zu mindern oder gar auszugleichen.

Die Verknappung, die sich in den steigenden Preisen ausdrückt, sorgt für einen sparsameren Umgang mit Energie. Die Menschen in Deutschland wollen Energie sparen. Dafür steht auch die Energiewende.

BILD: Es gab Kritik, weil Sie Sudoko auf der Regierungsbank gespielt haben…

Schäuble: Sudoku ist ein schönes Denksportspiel. Ich mache es gern zur Entspannung und um fit zu bleiben. Vor allem wenn ich müde werde in Sitzungen, die sehr lange dauern.

Ich weiß aber, dass es eine Unsitte ist, im Bundestag Sudoku zu spielen. Und ich werde es auch nicht mehr machen. Übrigens: Wenn Sie einen finden, der im Bundestag noch nie Zeitung gelesen hat, sagen Sie mir Bescheid…

Das Interview führte S. Haselberger und J.W. Schäfer.

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