BILD-Interview mit Finanzminister Wolfgang Schäuble von Nikolaus Blome
BILD: Griechenland und Irland gerettet, aber Ruhe kehrt nicht ein. Woran zweifeln die Märkte?
Schäuble: Die Finanzmärkte [Glossar] testen, ob die Konstruktion des gemeinsamen Wänrungsraumes hält. Ob es funktioniert, mit dem Euro [Glossar] eine gemeinsame Währung zu haben – aber die Finanzpolitik [Glossar] national zu lassen.
BILD: Warum nicht die Euro-Zone teilen, in einen stabilen Teil und einen, der Stabilität lernen muss?
Schäuble: Das würde unendlich viel teurer werden als alles, was wir jetzt für den Euro tun. Die Wirtschaft würde leiden mit unabsehbaren Folgen und damit würden viele Arbeitsplätze gefährdet. Auch Banken stünden dann vor massiven Problemen.
BILD: Nicht nur die Märkte zweifeln am Euro, auch immer mehr Deutsche.
Schäuble: Solche Zweifel halte ich für nicht gerechtfertigt. Ohne den Euro wäre jeder Deutsche ärmer. Ohne den Euro sähe es auf dem Arbeitsmarkt [Glossar] viel schlimmer aus. Der Euro hat uns gut durch die Krise gebracht.
BILD: Das kann man nicht beweisen, weil niemand sagen kann, wie es ohne Euro gelaufen wäre.
Schäuble: Fast alle Experten sehen es aber so. Es kommt allerdings etwas anderes hinzu: Alles, was die Menschen schon erreicht haben, nehmen sie nicht mehr so wichtig. Auch große Erfolge werden schnell für selbstverständlich genommen. Das ist das Problem des Euro.
BILD: Öffnet das die Tür für eine Anti-Euro-Partei?
Schäuble: Die Gefahr einer Anti-Euro-Partei muss man ernst nehmen. Umso mehr müssen wir den Menschen erklären, was sie am Euro haben. Dass der Euro sie vor Turbulenzen derGlobalisierung [Glossar] besser schützt als es eine nationale deutsche Währung je könnte.
BILD: Es gibt zugleich scharfe Auslandskritik am Auftreten Deutschlands in Europa – zu großkotzig.
Schäuble: Für diese Kritik gibt es keinen Anlass, so treten wir nicht auf. Aber klar ist auch: Wenn Länder Probleme haben, sucht manch einer gern außerhalb der eigenen Grenzen nach einem Schuldigen.
BILD: Sparen und Reformen als Auflagen für Hilfe: Wird die EU deutscher?
Schäuble: So würde ich es nicht sehen. Aber Tatsache ist: Unsere Spar- und Wirtschaftspolitik in der sozialen Marktwirtschaft führt zu gutem Wachstum und sozialer Stabilität. Natürlich sind Musterschüler nie besonders beliebt, erst recht nicht, wenn sie auch noch sagen: Macht es so wie wir! Aber es hilft ja nichts – es wurde niemand gezwungen, der Währungsunion beizutreten.
BILD: Scharfe Kritik auch von Banken: Die Regierung hätte öffentlich zu viel über die Beteiligung privater Gläubiger an Krisenkosten geredet.
Schäuble: Wann sollen wir, bitte schön, denn sonst darüber reden? Die Finanzwirtschaft muss lernen, dass der Steuerzahler nicht immer allein die Zeche zählt. Wer das zulässt, zerstört die Demokratie. Jetzt ist der Rettungsmechanismus praktisch beschlossen und jeder weiß, woran er ist.
BILD: Erst in der zweiten Stufe werden u. a. die Banken an den Kosten einer Rettung garantiert beteiligt. Wie wäre es bei Griechenland gewesen?
Schäuble: Zwingend beteiligt werden sollen die privaten Gläubiger nur, wenn der betreffende Staat insolvent ist. Das war Griechenland nicht, also wäre es kein Fall der zweiten Stufe gewesen.
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