Der Bundesfinanzminister erläutert in einem ARD-Tagesthemen-Interview seine Ansicht, dass „eine Politik für Wachstum durch strukturelle Reformen, durch eine effizientere Nutzung der europäischen Programme kein Gegensatz zu der Politik (ist), die wir verabredet haben“. Außerdem geht er davon aus, dass „auch Frankreich die Verpflichtung, die jedes Land eingegangen ist zur Reduzierung seiner Defizite, einhalten“ werde. Schließlich gelten „die eingegangenen Verpflichtungen unabhängig vom Ausgang der jeweiligen Wahlen in den Mitgliedstaaten“
ARD: Hat Francois Holland nicht verstanden, wie wichtig Sparen ist?
Schäuble: Das glaube ich schon, dass er das verstanden hat. Der Präsident Frankreichs und der oder die Bundeskanzlerin Deutschlands müssen gut zusammenarbeiten. Das war in der Vergangenheit so, und das wird ganz sicher jetzt auch funktionieren.
ARD: Sind Sie bereit, neue Schulden zu machen für zusätzliche Konjunkturpakete?
Schäuble: Nein, ich glaube, wir werden das intensiv diskutieren, aber wir haben ja immer gesagt, wir brauchen eine wachstumsfreundliche Politik der Defizitreduzierung. Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Eine Politik für Wachstum durch strukturelle Reformen, durch eine effizientere Nutzung der europäischen Programme ist kein Gegensatz zu der Politik, die wir verabredet haben.
ARD: Strukturreformen, Hollande redet aber von Konjunkturpaketen. Meinen Sie, Sie können einen frisch gekürten Präsidenten mit alten Maßnahmen abspeisen?
Schäuble: Wir wollen ihn überhaupt nicht abspeisen, sondern wir wollen vernünftig mit ihm zusammenarbeiten. Aber die Verpflichtung, die jedes Land eingegangen ist zur Reduzierung seiner Defizite, wird Frankreich auch einhalten. Wie Frankreich dann seinen eigenen Haushalt[Glossar] gestaltet im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verpflichtungen, ist seine Sache.
ARD: Francois Hollande hat zudem gesagt, er weigere sich, eine Schuldenbremse [Glossar]in die Europäische Verfassung schreiben zu lassen. Ist also der Fiskalpakt doch noch nachverhandelbar?
Schäuble: Ich glaube, wir sind in Europa gut damit gefahren, dass wir nicht nach jeder Wahl geschlossene Verträge wieder neu verhandeln. Und deswegen denke ich, wir werden auch den neuen französischen Präsidenten, die neue französische Regierung davon überzeugen. Pacta sunt servanda, die eingegangenen Verpflichtungen gelten unabhängig vom Ausgang der jeweiligen Wahlen in den Mitgliedstaaten.
ARD: Viel gravierender haben die Menschen den strikten Sparkurs in Griechenland abgewählt. Was passiert, wenn eine neue Regierung die Sparvorgaben nicht einhält?
Schäuble: Ich weiß gar nicht, ob es richtig ist, dass die Menschen die Sparpolitik abgewählt haben. In Griechenland sind die Menschen unzufrieden über die Lage des Landes.
ARD: Dennoch reihenweise werden wegen des hartes Sparkurses in Europa Regierungen abgestraft, auch bei engen Verbündeten, die vergleichsweise solide wirtschaften. Sind Sie einer der letzten Gallier, der Widerstand leistet?
Schäuble: Nein, überhaupt nicht. In Irland und in Portugal gab es Neuwahlen. Da gab es neue Regierungen, die haben die vorher vereinbarten Sparprogramme konsequenter durchgesetzt als ihre Vorgängerregierungen. Bei beiden funktioniert es sehr gut. Ähnlich ist es in Spanien, ähnlich ist es in Italien, wo wir große Fortschritte haben. Die gemeinsame europäische Politik ist in den Grundzügen gemeinsam vereinbart, und sie ist auch richtig. Und sie ist gerade dabei, Erfolge zu zeigen, auch, dort wird es länger dauern, aber auch in Griechenland.
Das Interview führte Norbert Carius.
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