Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im Gespräch mit ZEIT ONLINE (zweiter Teil)
ZEIT ONLINE: Herr Schäuble, bei den Olympischen Spielen in Peking gab es dreizehn Dopingfälle. Es wurden weniger Athleten überführt als bei früheren Spielen. Das heißt aber nicht, dass weniger gedopt wurde, da die Methoden immer ausgefeilter werden. Ist der Kampf gegen systematisches Doping im Profisport noch zu gewinnen?
Schäuble: Die Spiele in Peking bestätigen mir, dass wir in der internationalen Doping-Bekämpfung vorangekommen und nicht zurückgefallen sind. Sicher kann man argumentieren, dass es neue Methoden des Dopings gäbe, die wir jetzt noch nicht entdecken könnten. Aber was wir nicht wissen, können wir nicht behaupten. Immerhin können wir die Proben jetzt acht Jahre aufbewahren. Wer jetzt dopt, muss damit rechnen, dass sein Triumph in ein paar Jahren von Schande ereilt wird. Das wird hoffentlich auch diejenigen abschrecken, die nicht ohnehin vom sauberen Sport überzeugt sind.
ZEIT ONLINE: Das klingt jetzt sehr optimistisch. Aber es stimmt doch, dass Sie wegen des Dopings keine Tour de France mehr schauen?
Schäuble: Die interessiert mich überhaupt nicht mehr.
ZEIT ONLINE: Waren Sie nicht einmal ein Radsport-Fan? Außerdem sind Sie unser Sportminister.
Schäuble: Als Sportminister habe ich mit dem professionellen Radsport nichts zu tun, den fördern wir nicht. Die verdienen so auch genügend. Und jetzt sage ich Ihnen etwas als Mensch: Wir sind so oft angelogen worden: Das hat mich schwer enttäuscht! Ich könnte Ihnen noch erzählen von Federico Bahamontes aus Spanien und Charlie Gaul aus Luxemburg und, und, und … Aber nun sind wir immer und immer wieder angelogen worden. Inzwischen habe ich eingesehen, das es wahr ist: Alle dopen! Vermutlich hatte Jan Ulrich, als er gesagt hat “Ich habe niemanden betrogen“ subjektiv recht. Er hatte ja nur gesagt, er habe das gemacht, was alle gemacht und gewusst haben. Infolgedessen habe ich kein Interesse mehr. Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, wer in diesem Jahr die Tour gewonnen hat.
ZEIT ONLINE: Warum kann man Dopingsünder in Deutschland bis heute nicht strafrechtlich belangen?
Schäuble: Das wäre nur der Versuch, die Verantwortung auf den Staat zu schieben. Der Staat allein – die Staatsanwaltschaften, die Strafverfolgungsbehörden, der Gesetzgeber – kann und wird dieses Problem nicht lösen. Er braucht vielmehr die Unterstützung derjenigen, die im Sport Verantwortung tragen. Wer die Grenze überschritten hat, wird gesperrt, er verliert seine Karriere. Das ist viel wirksamer. Die Drohung mit dem Strafrecht würde den Kampf gegen Doping nicht stärken, sondern schwächen. Im Übrigen hat die Bundesregierung das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport im vergangenen Jahre verabschiedet, das beispielsweise Strafverschärfungen für banden- oder gewerbsmäßige Dopingstraftaten nach dem Arzneimittelgesetz und auch Strafvorschriften für den Besitz bestimmter, besonders gefährlicher Dopingsubstanzen in nicht geringer Menge enthält.
ZEIT ONLINE: Thema „Integration im Sport“: In Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Türken. Mehr als 800.000 haben sich einbürgern lassen. Im Kader der Fußball-Nationalmannschaft steht mit Serdar Tasci aber nur ein türkischstämmiger Spieler. Der DFBhat hier Nachholbedarf?
Schäuble: Der Sport hat eine starke Integrationskraft, und es gibt zahllose Beispiele, die diese Vielfalt abbilden. Gerade der DFB setzt sich besonders für die Förderung von jungen Talenten mit Migrationshintergrund ein.
ZEIT ONLINE: In anderen Ländern spielen viel mehr Immigranten in den Nationalmannschaften.
Schäuble: Dies hängt sicher ein Stück weit auch mit dem historischen Erbe von Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder England zusammen. Der Deutsche Fußballbund bemüht sich durchaus. Bei Fußballern mit türkischer Abstammung befinden wir uns ja in einem regelrechten Wettbewerb mit der Türkei um talentierte Spieler. Das ist auch in Ordnung so. Die Bundesregierung unterstützt den Sport insgesamt bei seinen Bemühungen in der Integration.
ZEIT ONLINE: Sie fahren selbst Hand-Bike. Findet ein Sportminister genug Zeit für seinen Sport?
Schäuble: Immer wenn ich es am Wochenende ermöglichen kann, geh’ ich raus. Manchmal muss ich mich auch zwingen. Auch, wenn ich müde bin. „Hilft jetzt nix, los!“, sage ich mir dann immer. Ich brauche das, um mich fit zu halten. Mit meinem Hand-Bike fahre ich dann zwei Stunden.
ZEIT ONLINE: Am Wochenende war in Berlin der Marathon, auch viele Hand-Biker haben teilgenommen. Ist das was für Sie?
Schäuble: Nein, einen Marathon fahre ich nicht mehr mit. Ich will mich nicht unter Druck setzen. Es ist sehr anstrengend, und wenn du Marathon fährst, willst du noch ein bisschen schneller fahren. Ich fahre viel, im Jahr etwa 3000 Kilometer. Die Ärzte sind auch zufrieden und loben mich. Aber den Wettbewerbsdruck im Sport, den brauche ich in meiner Lebenssituation und meinem Lebensalter nicht mehr.
Das Gespräch führten Elisa Simantke und Christoph Seils.
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