Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäubleim Rahmen des Festaktes aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der FH Bund
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Wir feiern dieses Jahr 60 Jahre Grundgesetz, und das bedeutet auch 60 Jahre Berufsbeamtentum in der Bundesrepublik. Das vom Parlamentarischen Rat 1949 verabschiedete Grundgesetz hielt im Artikel 33 fest, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu regeln sei. Damit war entschieden: Das Berufsbeamtentum in Deutschland würde nicht abgeschafft werden, trotz der Verstrickung der Verwaltungsapparate in die schrecklichen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes.
Mit Kanzler Adenauer und dem damaligen Innenminister Heinemann hatte das Beamtentum in der damaligen Diskussion starke Fürsprecher, während die Besatzungsmächte ursprünglich für eine Abschaffung des Beamtentums waren. Die Fürsprecher argumentierten, dass die junge Demokratie stabile Stützen brauche, damit sich das Scheitern von Weimar nicht wiederholen könne. Ohne Beamtentum könne es keine stabile demokratische Entwicklung geben.
Am Ende haben sich die Fürsprecher durchgesetzt, zum Glück: Die Beamten haben erheblich dazu beigetragen, dass in unserem Land wieder ein geordnetes Leben in Freiheit und Sicherheit möglich wurde. Die Beamten wirken bis heute in Schlüsselpositionen am Gelingen unseres demokratischen Gemeinwesens mit – eines Gemeinwesens, das heute vielen in der Welt als Vorbild für Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gilt.
Die Grundlagen des Beamtentums mussten über die Jahre immer wieder weiterentwickelt und an die Anforderungen der Gegenwart angepasst werden. Mit den Jahren stieg die Notwendigkeit, sich auf permanente Veränderungen und neue Herausforderungen einzustellen. Das setzt ein hohes Maß an Kompetenz und Wissen voraus, gut ausgebildete Mitarbeiter, die in der Lage sind, den Wandel zu gestalten.
Weil die Anforderungen an die Mitarbeiter stiegen und neue Fähigkeiten wichtig wurden, hat der Bund beschlossen, eine eigene Ausbildungsstätte für den gehobenen Dienst der Bundesverwaltung einzurichten. Das war gar nicht so einfach wegen der Zuständigkeit der Länder für die Bildung. Aber es ging doch.
Heute feiert die Fachhochschule des Bundes ihr 30-jähriges Jubiläum und sie hat einigen Grund zur Freude: Mittlerweile haben mehr als 60.000 Studierende ihr Studium an der FH Bund erfolgreich abgeschlossen. Dazu gratuliere ich herzlich.
Am 1. Oktober 1979 fand der feierliche Eröffnungsakt in der Bonner Beethovenhalle statt. Der erste Präsident der FH Bund, Professor Dr. Lepper, beschrieb in seiner Festansprache die Aufgabe der FH Bund weitsichtig als eine Aufgabe, den Wandel zu gestalten:
„Unsere Aufgabe ist es, den jungen Beamten in die Lage zu versetzen, die Probleme von morgen zu lösen. Und diese Probleme werden nicht gering sein – sie ranken sich um den Schutz unserer Umwelt, um Energie, um äußere und innere Sicherheit und nicht zuletzt um den Menschen und seine Freiheit, um ihn nicht zwischen Sachzwängen, Informationspotenzialen, zwischen Monopolen und Kollektiven zerreiben zu lassen.“
Es wäre gut, wenn wir uns angesichts der manchmal auch nur vorgeschobenen Sachzwänge und der Informationsflut, die uns ins Grenzenlose zu treiben droht, immer wieder eines vor Augen halten: Es geht um den Menschen und seine Freiheit.
Globalisierung und technologischer Fortschritt haben die Welt grundlegend verändert. Wir sind in einem Maße durch Ereignisse in aller Welt betroffen, wie wir uns das vor 30 Jahren nicht hätten vorstellen können. Wenn ich meine erste und meine zweite Amtszeit als Innenminister vergleiche – dazwischen liegen an die 20 Jahre -, dann unterscheiden sie sich vor allem dadurch, dass ich heute viel stärker mit europäischen und internationalen Fragen beschäftigt bin. Die Themen meines Hauses haben heute in praktisch allen Arbeitsbereichen einen internationalen Bezug – und das gilt auch für andere Ministerien. Hinzu kommt, dass immer mehr Entscheidungen in internationalen Organisationen und Einrichtungen vorbereitet und getroffen werden. Das muss nicht jedem gefallen, aber diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten.
Auch der rasante technologische Wandel hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, nachhaltig verändert. In den Gründungsjahren der FH Bund gab es noch kein Internet; die Entwicklung von PCs steckte in den Kinderschuhen. Weltweite Vernetzung, Behörden im Internet oder eine Online-Bewerbung waren 1979 noch Science Fiction. Ich habe in den frühen 70er Jahren beim Finanzamt Freiburg gearbeitet. Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass ich einmal meine Steuererklärung elektronisch mit einem System namens ELSTER erledigen würde.
Auf diesen Wandel muss sich die Verwaltung einstellen, um ihre Funktion angemessen wahrzunehmen: Sie ist ein Grundpfeiler des Rechtsstaats, der die Freiheit seiner Bürger garantiert und ihre Sicherheit gewährleistet. Ihre Aufgabe ist, die Staatsaufgaben sachlich, willkürfrei und unparteiisch zu erledigen. Es ist wichtig, dass die Beamtinnen und Beamten sich ihrer Aufgaben und der damit verbundenen Pflichten bewusst sind. Sie sind auch der Grund für die besonderen Rechte, die Beamte bis heute haben.
Beamte sind in einer schnelllebigen und globalisierten Gesellschaft Garanten für eine stabile und gesetzmäßige Verwaltung, die sich am Gemeinwohl orientiert. Zugleich sind sie selbst Träger von Modernisierungsprozessen. Dazu braucht es eine leistungsstarke, effiziente und bürgernahe Verwaltung. Sie steht als Leitbild hinter der laufenden Modernisierung des öffentlichen Dienstes.
Wir alle sollten dazu beitragen, dieses positive Bild des Beamten mit Leben zu füllen und in die Bevölkerung hinein zu vermitteln: eine handlungs- und entscheidungsorientierten Beamtenschaft, die für einheitlichen Gesetzesvollzug sorgt, ohne die Umstände des Einzelfalls zu ignorieren: gewissenhaft und unbestechlich nach Recht und Gesetz handelnd – ohne Obrigkeitsdenken, dem Bürgern und ihren Anliegen zugewandt.
Der Beamtenberuf ist verantwortungsvoll und vielfältig. Um ihn auszuüben, bedarf es einer Ausbildung, die jungen Beamten das Rüstzeug an die Hand gibt, damit sie auf ihre Aufgaben in einer Welt des Wandels gut vorbereitet sind. In diesem Prozess ist die FH Bund eine notwendige und lohnende Investition für die Bundesverwaltung.
Zu Beginn jedes Studienjahres – daran hat sich in den Jahren nichts geändert – kommen Studierende mit vielen Erwartungen hierher. Darauf müssen sich die Verantwortlichen einstellen. Ihre Aufgabe ist es, die Erwartungen der jungen Menschen ernst zu nehmen, ihren Wissensdrang zu fördern und sie auf ihre spätere Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen vorzubereiten.
Die Hauptaufgabe der FH Bund ist das Vermitteln von Wissen und Methodenkompetenz. Darüber hinaus sollte sie ein Stück weit auch Werte vermitteln: Verantwortungsbewusstsein, unbedingte Loyalität gegenüber dem Rechtsstaat, auch eine Eigenständigkeit des Denkens – diese Eigenschaften wünsche ich mir von unseren zukünftigen Staatsdienern. Dieser großen Aufgabe nehmen sich die Mitarbeiter der FH Bund, insbesondere die Dozenten, seit 30 Jahren mit Sachkunde und Engagement an. Dafür gilt Ihnen mein besonderer Dank.
Bereits bei der Gründung der FH Bund wurde erkannt, dass der Bund als Arbeitgeber sowohl mit den Ländern, als auch mit der freien Wirtschaft um qualifizierte Nachwuchskräfte konkurriert. Junge, hoch motivierte Menschen können heute – zum Beispiel als IT-Experten – in der freien Wirtschaft weit mehr Geld verdienen als beim Staat. Und da wir die demographische Entwicklung kennen, wissen wir, dass dieser Wettbewerb in den kommenden Jahren härter werden wird.
Mit einem Studium an der FH Bund können wir jungen Menschen ein attraktives Angebot machen. Die Studienbedingungen sind gut. Ein hoher Praxisbezug stellt sicher, dass die Anwärter über das theoretische und auch über das praktische Know-How verfügen, um erfolgreich ins Berufsleben zu starten. Und die Studierenden können den angestrebten Beruf bereits früh einem „Praxischeck“ unterziehen. Bei all dem sind die Übernahmeperspektiven vielversprechend für diejenigen, die die geforderten Leistungen erbringen.
Gemäß der Aufgabenvielfalt in der Bundesverwaltung sind auch die Studienangebote differenziert: Heute bildet die FH Bund in zehn Fachbereichen an verschiedenen Standorten aus. Das reicht vom Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei und im Bundeskriminalamt über den Auswärtigen Dienst, die Zoll- und Bundeswehrverwaltung, die allgemeine Innere Verwaltung bis hin zur Sozialversicherung und zum Wetterdienst. Auch die Beamten des gehobenen Dienstes im Bereich des Bundesnachrichtendienst und des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden hier ausgebildet.
In ihrer 30-jährigen Geschichte hat die FH Bund die Fähigkeit unter Beweis gestellt, notwendige Veränderungen strukturell wie inhaltlich angemessen aufzugreifen. Das war nicht immer einfach. Aber es hat sich gelohnt.
Mit der Wiedervereinigung stand Deutschland vor der Herausforderung, den öffentlichen Dienst in den neuen Bundesländern neu zu strukturieren und an rechtsstaatliche Grundlagen anzupassen. Die FH Bund hat die wichtige Aufgabe übernommen, Anpassungsfortbildungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der neuen Länder zu entwickeln und durchzuführen. Sie hat rund 10.000 Teilnehmern das Grundwissen über die rechtsstaatlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns vermittelt. Zusätzlich übernahm die FH Bund bis zum Jahr 1995 die Ausbildung von Studierenden aus Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Die 90er Jahre brachten außerdem eine große Privatisierungswelle. Sie führte bei der FH Bund zur Auflösung der Fachbereiche Post, Bahn und Flugsicherung und damit zu einem erheblichen Einbruch der Zahl der Studierenden. Mancher junger Wissenschaftler verließ die Fachhochschule nach kurzer Zeit wieder.
Auf den Rückgang der Studierendenzahl reagierte die FH Bund, indem sie das Fächerangebot ausweitete. Sie übernahm auch neue Aufgaben. So konzipierte sie gemeinsam mit der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung verschiedene Fortbildungsseminare. Und sie begleitete die demokratischen Reformen in den mittel- und osteuropäischen Ländern im Rahmen des Unterstützungsprogramms TRANSFORM. Die FH Bund pflegt seitdem Partnerschaften mit Hochschulen aus der ganzen Welt.
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben wir weltweit eine veränderte Sicherheitslage. Im Zuge dessen ist die Ausbildung der Fachbereiche „Kriminalpolizei“ und „Nachrichtendienste“ neu organisiert worden.
Die wachsende internationale Verknüpfung erfordert, dass Mitarbeiter des Bundes in der Europäischen Union und anderen internationalen Einrichtungen und Organisationen stärker präsent sind. Auch hier hat die FH Bund reagiert. Als Kooperationspartner der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin und der Technischen Fachhochschule Wildau bietet sie den Aufbaustudiengang Europäisches Verwaltungsmanagement an. Mit dem „Master of European Administrative Management“ können Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sich fit machen für eine Tätigkeit im internationalen Umfeld.
Die Hochschullandschaft hat sich seit 1999 durch den Bologna-Prozess stark verändert. Studiengänge sind neu konzipiert worden, das gestufte Studiensystem aus Bachelor und Master führt zu europaweiter Vergleichbarkeit und damit auch zu mehr Wettbewerb. Auch dieser Prozess hat die Fachhochschule des Bundes längst erreicht. Sie hat diese Gelegenheit genutzt, Bestehendes auf den Prüfstand zu stellen und weiter zu entwickeln.
Das Ausscheiden des Fachbereichs Arbeitsverwaltung zum 31.12.2008 brachte einen Rückgang der Studierendenzahl mit sich. Insgesamt standen die letzten Jahre aber im Zeichen zukunftsgerichteter Veränderung.
Der Fachbereich Kriminalpolizei ist der erste Fachbereich, der zum 1. Oktober 2009 einen Bachelor-Studiengang einführt und erfolgreich akkreditiert worden ist. Das war wichtig, damit unsere Kriminalbeamten auch im gehobenen Dienst einen international anerkannten Abschluss besitzen. So soll die internationale kriminalpolizeiliche Zusammenarbeit erleichtert werden. Entscheidend ist aber auch, dass mit der Akkreditierung dem Studium an der FH Bund eine ausgezeichnete Qualität attestiert wird.
An der FH Bund soll zudem ein neuer Masterstudiengang eingerichtet werden. Ziel ist, für den Verwaltungsdienst einen Aufstieg zu ermöglichen, der mit dem Erwerb eines anerkannten akademischen Grades verbunden ist, wie ihn auch Laufbahnbewerber für den höheren Dienst haben müssen. Dieser Studiengang wird berufsbegleitend durchgeführt werden. Das war uns ein besonderes Anliegen. Nicht jeder kann fern von der Familie ein Aufstiegsverfahren in der bekannten Form bewältigen.
Eine gute Ausbildung ist der erste Schritt in ein erfolgreiches Berufsleben. Sie werden sehen, dass die Bundesverwaltung als Arbeitgeber einiges zu bieten hat. Sie bietet ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, an gesellschaftlichen Veränderungen mitzuwirken. Sie bietet einen sicheren Arbeitsplatz mit verantwortungsvollen Aufgaben und einem verlässlichen Auskommen. Anders als in den meisten Berufen kann ein Beamter im Laufe seines Arbeitslebens ganz unterschiedliche Themen und Aufgaben kennen lernen, Auslandsverwendungen inbegriffen.
Wir unterstützen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nach Kräften bei der Fortbildung. Wer sich durch hervorragende Leistung auszeichnet, kann sich für den Aufstieg in den höheren Dienst qualifizieren. Wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, ist der Arbeitgeber Bund unschlagbar. Hier haben wir in den letzten Jahren Einiges geschafft.
Zusätzlich hat der Bund mit dem neuen Dienstrecht und der neuen Laufbahnverordnung das Leistungsprinzip durchgängig gestärkt – mit einem transparenten Beurteilungssystem, Beförderungen und Leistungsprämien, Leistungsstufen und Leistungszulagen. Auch bei der Besoldung gehen wir neue Wege: Es kommt nicht mehr auf das Lebensalter, sondern auf berufliche Erfahrung und anforderungsgerechte Leistungen an. Was wir hier machen, sind noch keine großen Schritte. Aber es sind Schritte in die richtige Richtung. Wir müssen innerhalb der begrenzten finanziellen Spielräume, die wir haben, eine aufgabengerechte und angemessene Bezahlung erhalten und Leistungsträger besonders belohnen.
Leistungsfähigkeit und Innovationsfreude bedürfen aber auch so genannter weicher Faktoren wie Wertschätzung und Respekt, Transparenz der Entscheidungen, eine offene Diskussionskultur und Unterstützung in der persönlichen Entwicklung. Auch Lernbereitschaft und die Fähigkeit, sich und andere zu motivieren, sind heute unerlässlich.
Hier sind gerade auch die Vorgesetzten gefragt. Meine Beobachtung ist, dass sich Schritt für Schritt eine neue Führungskultur entwickelt, die den einzelnen Mitarbeitern mehr zutraut und weniger auf Hierarchien fixiert ist. Leider gibt es auch das Gegenteil. Aber davon dürfen wir uns nicht zurückwerfen lassen.
Die FH Bund ist ein wichtiger Baustein im Ausbildungssystem des Bundes und auch in der Fort- und Weiterbildung. Ihre Aufgabe ist heute wie damals junge Beamtinnen und Beamte in die Lage zu versetzen, die Probleme von morgen zu lösen. Das ist Ihnen in den letzten 30 Jahren mit dem großen Engagement gelungen, und ich bin zuversichtlich, dass Sie dieser Aufgabe auch weiterhin gerecht werden.
Liebe Studierende, es ist Ihre Aufgabe, den Wandel mitzugestalten. Es liegt in Ihrer Verantwortung. Ich weiß, dass es im Jahr 2008 für die 1.000 Studienplätze 33.000 Bewerber gegeben hat. Wer einen Studienplatz an der FH Bund bekommen hat, kann sich glücklich schätzen. Mit dem Studienplatz und der Ernennung zu Beamten auf Widerruf ist aber auch die Erwartung des Bundes verbunden, dass Sie Ihr Bestes geben und so viel wie möglich aus diesen drei Jahren mitnehmen.
Wir brauchen einen Willen zur Veränderung in der Verwaltung, weil wir unsere Aufgaben anders gar nicht mehr erfüllen können. Die Veränderungen fordern uns heraus und sie fordern uns einige Anstrengungen ab. Als optimistisch gestimmter Mensch werbe ich dafür, dass wir den Wandel von seiner guten Seite sehen und unsere Chancen beherzt nutzen.