Redigierte Transkription der Rede anlässlich der 3. Lesung des Haushaltsgesetzes 2015 am 28. November 2014 im Deutschen Bundestag.
„Gegen Ende dieser Haushaltsdebatte möchte ich mich zunächst bei allen Kolleginnen und Kollegen der Koalition und der Opposition für die intensive Debatte und für die Arbeit am Haushalt bedanken. An diesem Ergebnis haben viele ihren Anteil. Ich will mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haushaltsausschuss, in den Fraktionen und auch im Finanzministerium herzlich bedanken. Es war viel Arbeit.
Heute geht es um mehr als nur ein mehr oder minder bedeutsames Ereignis; es geht um eine Verpflichtung, eine Benchmark, eine Selbstverpflichtung für die Zukunft. Wir sollten uns überhaupt keine Illusionen machen: Was wir heute beschließen, der Erfolg, den wir heute erzielen, ist die Verpflichtung für morgen. Daran werden wir alle und auch unsere Nachfolger gemessen werden. Das ist gut so und gewollt. Ein entscheidender Anker ist, dass wir das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhalten.
Der Kollege Brinkhaus hat, wie ich finde, ganz zu Recht darauf hingewiesen, dass eine unserer großen Herausforderungen die Veränderungen sind, die sich schneller, als viele glauben, durch die demografische Entwicklung ergeben global wie in unserem eigenen Land. Es ist wichtig, dass wir uns darauf einstellen, und darum ist es so entscheidend, dass wir keine neuen Schulden machen; denn wenn wir unsere Verantwortung für künftige Generationen ernst nehmen, dann müssen wir damit anfangen, nicht immer weitere Schulden zulasten der nächsten Generationen aufzubauen. Das ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
Übrigens, Frau Kollegin Hajduk: Wenn wir, wie Sie gesagt haben, so furchtbar in die Sozialkassen gegriffen hätten, dann wäre es schwer zu erklären, dass wir entsprechend der gesetzlichen Formel zur Rentenberechnung die Rentenversicherungsbeiträge zum 1. Januar 2015 absenken können und die Renten gleichzeitig stärker steigen als in den letzten Jahren.
Wenn Sie die Finanzen des Bundes, der Länder, der Kommunen und der gesetzlichen Sozialversicherungen zusammen betrachten, dann sehen Sie, dass wir gesamtstaatlich einen Überschuss haben, weil die gesetzlichen Sozialversicherungen über deutliche Reserven verfügen. Auch das kann man nicht völlig ignorieren.
Zudem haben Sie in den letzten Tagen den Eindruck erweckt Sie wissen das aber besser , die Investitionsausgaben im Bundeshaushalt 2015 würden gegenüber 2014 und 2013 in absoluten Beträgen sinken. Ich verweise jetzt gar nicht auf die neue Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, sondern möchte nur darum bitten, dass so sachkundige Kolleginnen und Kollegen wie Sie Herr Kollege Kindler, Sie fallen vielleicht nicht darunter; aber Frau Hajduk fällt darunter nichts Falsches sagen. Frau Hajduk, Sie wissen, dass das Absinken der nominalen Investitionsausgaben ausschließlich damit zu tun hat, dass wir in den Jahren 2012 und 2013 jeweils 8,5 Milliarden Euro und im Jahre 2014 4,25 Milliarden Euro in den ESM eingestellt haben. Diese Zahlungen gelten als Investitionen. Wenn Sie diese Zahlen herausrechnen, dann sehen Sie, dass wir keinen Rückgang, sondern eine leichte Zunahme der Investitionen zu verzeichnen haben. Da aber die Ausgaben insgesamt nicht steigen, ist das auch angemessen. Deswegen erfolgt diese öffentliche Darstellung wider besseres Wissen, und das sollte man nicht tun.
Frau Kollegin Hajduk, was Ihre Frage zur Finanzierung der Mütterrente angeht, bin ich der Meinung, dass die Mütterrente eigentlich Aufgabe des Ausgleichs innerhalb der Generationen ist: Diejenigen, die keine Kinder großgezogen haben, haben im Zweifel höhere Rentenansprüche als diejenigen, die Kinder großgezogen haben. Es ist daher richtig, dass diese Rente aus dem System finanziert wird und nicht ausschließlich aus Mitteln des Bundeszuschusses. Zweitens: In der Finanzplanung, die Sie gerade, am Ende der zweiten Lesung, einstimmig zur Kenntnis genommen haben, ist eine Erhöhung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 2018 bereits enthalten. Insofern ist dem, was Sie sagen, Rechnung getragen worden.
Ich möchte gerne noch auf zwei Bemerkungen, die Sie gemacht haben, eingehen. Es ist richtig – darüber streiten wir gar nicht -: Wir müssen im Rahmen der finanzpolitischen Möglichkeiten nachhaltiges Wachstum erzielen. Wir glauben, dass wir das besser ohne Steuererhöhungen erreichen, weil Steuererhöhungen das Wachstum dämpfen würden. Wenn wir aber darin übereinstimmen, dass wir dieses Wachstum ohne neue Schulden finanzieren wollen, dann ist der Spielraum ein begrenzter. In diesem begrenzten Spielraum wollen wir alles, was irgend möglich ist, zur Verstärkung der Investitionen tun. Deswegen habe ich – das habe ich im Haushaltsausschuss auch so erläutert – die Präsentation der Ergebnisse der Steuerschätzung, in der keine schwache Entwicklung vorausgesagt wurde dennoch sind die Zahlen ein bisschen schlechter als vor einem halben Jahr; daraus wäre wieder eine schlechte Nachricht geworden, was zu einer wirtschaftspolitisch komplizierten Situation geführt hätte -, mit der Botschaft verbunden: Wir können, wenn wir uns anstrengen und diese Finanzpolitik fortsetzen, auch bei einer leicht revidierten Steuerschätzung mehr für Investitionen tun.
Darüber müssen wir übrigens auch mit den Ländern reden. Natürlich unterstütze ich sehr, dass wir über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen in einem größeren und aufgabenbezogenen Zusammenhang intensiv diskutieren. Bis jetzt ist die Diskussion im Wesentlichen von den Ministerpräsidenten der Länder geführt worden. Die Vertreter der Länder – das letzte Treffen war am Vortag – sind sich immer nur in einem einig – normalerweise können sie sich auf nichts einigen; beim Thema Länderfinanzausgleich klagen immer einige in Karlsruhe -, nämlich dass der Bund bezahlen soll. Das können sie mit 16 : 0 Stimmen beschließen. Das ist aber ein bisschen einfach. Auch Herr Kretschmann ist da nicht besser.
Diese Debatte müssen wir vertiefen. Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, darüber nachzudenken: Wie können wir den Föderalismus stärken? Als die Bundesbank vorgeschlagen hat, die Länder könnten ein Zuschlagsrecht erhalten, um ihre Steuereinnahmen selber zu gestalten, machte sich sofort Entsetzen breit. So viel Verantwortung wollten sie nicht. Den Ländern ist es lieber, mehr Geld vom Bund zu fordern, als selber für solche Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen.
Wir müssen auch über die Zuordnung von Aufgaben vernünftiger reden. Diese Diskussionen werden wir intensiver und offensiver führen müssen, weil es von zentraler Bedeutung ist, dass unser gesamtstaatliches System trotz begrenzter finanzieller Mittel auch in der Zukunft funktionsfähig bleibt. Insgesamt haben wir im weltweiten Vergleich ein Steuersystem, das die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ermöglicht. In diesem Rahmen müssen wir für nachhaltiges Wachstum sorgen. Zu diesem Zweck müssen wir darauf achten, dass wir Vertrauen nicht zerstören; wir müssen es immer wieder aufbauen. Das tun wir mit diesem Haushalt in Deutschland.
Das tun wir auch in Europa, indem wir die Initiative des neuen Präsidenten der Europäischen Kommission für mehr Investitionen in Europa unterstützen. Das, was jetzt angekündigt worden ist, muss aber um die von uns in Auftrag gegebene Liste der Projekte, in die investiert werden kann, ergänzt werden. Ich habe es satt, dass wir in Europa immer Schaufensterdiskussionen über große Summen führen, und wenn man später nachfragt, was von den Vorhaben verwirklicht worden ist, dann ist das Ergebnis immer beklagenswert. Entscheidend ist, dass das auch umgesetzt wird.
Noch entscheidender ist: Wenn wir in Europa die Digitale Agenda und die Energieunion als zentrale Anliegen wollen, dann muss auch in Europa die entsprechende Regulierung vorgenommen werden, damit beides verwirklicht werden kann.
Das sind die Voraussetzungen, und ich hoffe, dass im Dezember mit der Abrundung der Initiative der große Schwung auch in die europäische Politik kommt. Das werden mein Kollege Gabriel und ich übrigens nächsten Dienstag mit unseren französischen Kollegen im Deutsch-Französischen Finanz- und Wirtschaftsrat intensiv besprechen.
Man sollte übrigens wissenschaftliche Gutachten zunächst einmal ernst nehmen, und die höchste Instanz, die wir in Deutschland haben, ist der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Frau Kollegin Lötzsch, Sie haben früher im Sozialismus immerhin noch versucht, wissenschaftliche Erkenntnisse in Ihre Diskussionen einzubeziehen. Wie Sie sich aber heute verhalten haben, war unter jedem Niveau.
Wir müssen das doch ernst nehmen. Wir haben in Deutschland nicht die behauptete Investitionslücke. Wir sind in den Ausgaben für Forschungsinvestitionen spitze. Wir tun mehr für die Bildung, als es in früheren Legislaturperioden je der Fall war. Wir haben die Länder durch die Übernahme des BAföG von diesen Kosten entlastet, damit sie mehr für die Schulen und Hochschulen tun können. Das ist der Weg, den wir Schritt für Schritt gehen. Das bringt uns voran, und das wird uns auch in Europa gelingen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in keiner einfachen Zeit. Die geopolitischen Risiken sind anders, als wir es vor diesem Gedenkjahr 2014 erwartet haben. Die Herausforderungen sind groß. Wir sind in Deutschland in keiner schlechten Lage. Das ist wahr; das lässt sich nicht bestreiten, und das ist gut. Wir haben in Europa die Chance – wenn wir uns alle zu Solidarität, Disziplin und zum Einhalten dessen, was wir uns gegenseitig versprochen haben, verpflichten -, dass wir auch Europa voranbringen und dass Europa seinen Beitrag leistet, in einer Welt, die nicht einfacher wird, in der die Zusammenhänge durch die Globalisierung komplizierter werden, unserer Verantwortung gerecht zu werden, für unsere Werte von Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und soziale und ökologische Nachhaltigkeit einzutreten. Das ist unsere Herausforderung. Dazu leistet dieser Haushalt einen wichtigen Beitrag.
Deswegen bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.“