„Wir müssen pro Jahr zehn Milliarden Euro sparen“



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Süddeutschen Zeitung

SZ: Herr Schäuble, Sie sind derzeit gesundheitlich außer Gefecht gesetzt. Wie geht es Ihnen?

Schäuble: Danke, die Operation an sich ist gut verlaufen, aber der anschließende Heilungsprozess dauert etwas länger als ursprünglich erwartet. Ich habe mich aber im Krankenhaus soweit einrichten können, dass ich auch hier mit Telefon und Internet gut arbeiten kann.

SZ: An diesem Donnerstag verabschiedet der Haushaltsausschuss Ihren Etat für 2010 — mit einer Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro. Wann beginnen Sie eigentlich mit dem Sparen?

Schäuble: Um es zunächst einmal klarzustellen: Herr des Verfahrens ist jetzt der Deutsche Bundestag. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach Amtsantritt in kürzester Zeit einen aktualisierten Entwurf für den Haushalt 2 0 1 0 vorgelegt. Darin ist es gelungen, das Sofortprogramm der neuen Koalition umzusetzen und zugleich die Nettokreditaufnahme noch leicht abzusenken. Wenn es im parlamentarischen Verfahren jetzt gelingt, die Nettokreditaufnahme noch weiter zu senken, ist das ein großer Erfolg.

SZ: Welcher Erfolg? Sie sparen nicht, Sie kürzen lediglich ein paar Posten, die Sie zunächst zu hoch angesetzt hatten.

Schäuble: Wirtschaft und Bürger – die gesamte Öffentlichkeit – erwarten von uns ein deutliches Signal, dass wir die richtigen Lehren aus der Wirtschaftsund Finanzkrise ziehen. Wir können zwar 2010 wegen der andauernden Auswirkungen der Krise noch nicht auf einen konsequenten Konsolidierungskurs einschwenken. Aber wir müssen bereits jetzt deutlich machen: Die expansive Haushaltspolitik wird beendet. Und wir meinen es ernst mit der Schuldenbremse und den im Koalitionsvertrag genannten goldenen Regeln der Finanzpolitik. Das heißt auch: alle schon jetzt erkennbaren Einsparpotentiale zu nutzen. Wenn sich dabei erweist, dass die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit es ermöglichen, die Ansätze für die Arbeitsmarktausgaben abzusenken: um so besser!

SZ: Sie haben für die Zeit von 2011 an schmerzhafte Sparmaßnähmen angekündigt. Wie lange wollen Sie die Bürger eigentlich noch darüber im Unklaren lassen, was das konkret bedeutet?

Schäuble: Bitte eins nach dem anderen. In dieser Woche beraten wir den Haushalt 2010. Zu einer verantwortungsvollen Finanzpolitik gehört es auch, Entscheidungen erst auf der Basis belastbarer Informationen zu treffen. Deshalb hatten wir uns bei der Erarbeitung des neuen Regierungsentwurfs zum Haushalt 2010 auch gegen eine gleichzeitige Überarbeitung des mittelfristigen Finanzplans entschieden. Mit dem Haushalt 2011 und den folgenden Jahren werden wir uns in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen. Mit der Steuerschätzung im Mai werden wir über die nötigen Informationen verfügen, um die erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Eins ist jedoch klar, die Konsolidierungsanstrengungen müssen erheblich gesteigertwerden, weil ab 2011 die neue Schuldenregel einzuhalten ist. Sie verlangt von uns, das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt bis zum Jahr 2016 in gleichmäßigen Schritten auf dann nur noch 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung abzubauen. Im Durchschnitt bedeutet das jährliche Konsolidierungsschritte von zehn Milliarden Euro.

SZ: Selbst die Wirtschaft hält mittlerweile die Haushaltskonsolidierung für wichtiger als Steuersenkungen. Wann begreift das auch die Koalition?

Schäuble: Solide Staatsfinanzen und wachstumsorientierte Steuerpolitik sind kein Widerspruch. Eine wachstumsorientierte Steuerpolitik muss sowohl auf Steuervereinfachung als auch auf Steuerentlastung setzen. Wir können auf Dauer nur dann erfolgreich konsolidieren, wenn wir wieder robustes Wirtschaftswachstum erreichen. Und umgekehrt ist das Vertrauen der Wirtschaft in die Solidität und Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte unabdingbare Voraussetzung für anhaltendes Wachstum.

SZ: Sie haben im Etat 2010 keinerlei Vorkehrungen für Finanzhilfen an Griechenland getroffen. Bedeutet das, dass Deutschland den Griechen nicht hilft?

Schäuble: Griechenland hat keine finanzielle Unterstützung erbeten. Die Frage konkreter Hilfen stellt sich deshalb nicht. Griechenland steht in der Pflicht, seine Haushalts- und Finanzpolitik auf einen soliden Pfad zu bringen und niemand kann den Griechen diese Aufgäbe abnehmen. Die griechische Regierung hat nun bis zum 16. März Zeit, ihre zusätzlichen Anstrengungen überzeugend zu dokumentieren. Dann wird von Seiten der Europäischen Kommission und des Ministerrates über mögliche weitere Schritte im Defizitverfahren zu entscheiden sein.

Interview: Claus Hulverscheidt

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