Jahresversammlung 2010 von IWF und Weltbank



Rede des Ministers bei der Jahresversammlung 2010 von IWF und Weltbank

Mr Chairman,

Governors,

Mr Zoellick,

Mr Strauss-Kahn,

Ladies and gentlemen,

 

I

Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei den Institutionen für ihre außerordentliche Gastfreundschaft und ausgezeichnete Organisation der diesjährigen Jahrestagung bedanken. Mein besonderer Gruß geht auch an das neueste Mitgliedsland im IWF, Tuvalu.

 

II

Die Jahrestagung findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem sich die Zeichen für eine Erholung der Weltwirtschaft mehren und für 2010 mit einer weltweiten Wachstumsrate von circa 4¾ % gerechnet werden kann. Diese positive Entwicklung ist in hohem Maße den entschlossenen und weit reichenden Unterstützungsmaßnahmen zu verdanken, die von den Entscheidungsträgern weltweit ergriffen wurden. Dennoch bleibt die Herausforderung, die Weltwirtschaft robuster und die Finanzmärkte krisenfester zu machen, groß:

Erstens ist das Tempo des Aufschwungs von Region zu Region unterschiedlich, wobei Asien derzeit die größte Dynamik aufweist. In vielen Industrieländern führen die hohe Arbeitslosigkeit und anhaltende Verbesserung der Bilanzen in bestimmten Sektoren zu einem lediglich mäßigen Wachstum. Für ein nachhaltiges Wachstum sind die Exit-Strategien zur Beendigung der außergewöhnlichen krisenbedingten Maßnahmen ein wichtiges Element. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Staatsverschuldung muss insbesondere das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gestärkt werden. Daher ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte im Einklang mit einer glaubwürdigen mittelfristigen Strategie ab 2011 eine zentrale politische Aufgabe.

Zweitens haben sich die Bedingungen auf den Finanzmärkten zwar verbessert, sind aber weiterhin fragil. Wir müssen die laufenden Bemühungen zur Instandsetzung des Finanzsektors und Schaffung eines stabilen Regulierungsrahmens erfolgreich zum Abschluss bringen. Es ist absolut entscheidend, dass der G20-Aktionsplan von Washington und die Beschlüsse der G20-Gipfel von London und Pittsburgh vollständig und unverzüglich umgesetzt werden. Die jüngste Einigung auf Basel III ist ein wichtiger Schritt, der den Bankensektor solider und stabiler machen wird.

Die deutsche Wirtschaft konnte in der ersten Jahreshälfte 2010 ein sehr starkes Wachstum verzeichnen, das nicht nur von hohen Exporten sondern auch von einer zunehmenden Binnennachfrage, insbesondere Privatkonsum und Ausrüstungsinvestitionen, getragen wurde. Ein starker Anstieg bei den Importen zeigt darüber hinaus, dass Deutschland seinen Beitrag zur weltweiten Erholung und ausgewogenen Neuausrichtung der Weltwirtschaft leistet.

 

III

Der IWF hat als Hauptinstitution einer globalen wirtschaftlichen Governance bei der Bewältigung der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise eine wesentliche Rolle gespielt. Umfassende Reformen der eigenen Governance werden diese gut funktionierende und effiziente Institution weiter stärken und die Legitimität des IWF erhöhen.

Bei der Überarbeitung des Mandats des IWF, einschließlich seiner Überwachungsfunktion und Kreditvergabe, wurden bereits beträchtliche Fortschritte erzielt. Deutschland steht voll und ganz zu dem übergreifenden Ziel der IWF-Quoten- und Governance-Reform. Eine gerechte Repräsentation und Gleichbehandlung aller Länder ist für die Legitimität des IWFentscheidend. Sämtliche Komponenten der Reform, auch die Überprüfung der Quoten, sollten im Paket und im selben Zeitrahmen behandelt werden. Es ist dringend notwendig, dass alle Mitgliedsländer zu Kompromissen bereit sind, damit der vereinbarte Zeitplan eingehalten werden kann.

Das Hauptziel der Quotenreform sollte eine Angleichung der tatsächlichen Quoten der Mitglieder an ihren kalkulierten Quotenanteil sein. Deutschland unterstützt eine Umverteilung von mindestens 5 % von den überrepräsentierten an die unterrepräsentierten Länder. Wir gehen davon aus, dass diese Umverteilung in erster Linie zugunsten der dynamischen Schwellen- und Entwicklungsländer erfolgen wird. Aber auch die derzeit unterrepräsentierten Industrieländer sollten von der Quotenreform profitieren. Sowohl die überrepräsentierten Industrieländer als auch die überrepräsentierten Schwellen- und Entwicklungsländer sollten zu dieser Angleichung beitragen. Deutschland ist bereit, zu einer Quotenangleichung unter fairen Bedingungen beizutragen.

Es ist nur gerecht zu erwarten, dass kein überrepräsentiertes Land als Folge der allgemeinen Quotenerhöhung unterrepräsentiert sein wird. Darüber hinaus sollte der Stimmenanteil der ärmsten IWF-Mitgliedsländer jeweils individuell geschützt werden. Die im Jahr 2008 verabschiedete Quotenformel sollte nicht erneut diskutiert werden, sondern als Grundlage für die Entscheidung dienen, ob ein Land über- oder unterrepräsentiert ist.

Deutschland unterstützt weitere Bemühungen zur Verbesserung der Effizienz und Legitimität des Exekutivdirektoriums sowie zur Stärkung der Rolle der Schwellen- und Entwicklungsländer. Bei der Diskussion um die Größe und Zusammensetzung des Exekutivdirektoriums müssen allerdings einige Grundprinzipien berücksichtigt werden, z. B. dass die Zusammensetzung von und die Teilnahme an Stimmrechtsgruppen freiwillig erfolgen und die Repräsentation eng mit Quoten und Finanzierungsbeiträgen verbunden sein muss. Da sowohl die derzeitige Größe als auch die Zusammensetzung des Exekutivdirektoriums die Repräsentation, Stimmrechte und Effizienz des Gremiums angemessen widerspiegeln, sind größere Veränderungen nicht gerechtfertigt. Zumal eine Reduzierung der Anzahl der Sitze das Ungleichgewicht zwischen einer steigenden Zahl an IWF-Mitgliedsländern und der Repräsentation der Mitgliedsländer im Exekutivdirektorium vergrößern würde, aber nicht notwendigerweise zu Effizienzsteigerungen in der Arbeit des Exekutivdirektoriums führen würde. Deutschland spricht sich daher für eine Änderung des IWF-Übereinkommens aus, um 24 Sitze zu schaffen.

Einige vorsichtige Anpassungen kämen der Struktur der IWF-Entscheidungsverfahren wahrscheinlich zu Gute, wohingegen die allgemeine Arbeitsaufteilung zwischen dem Exekutivdirektorium, der IWF-Geschäftsleitung und dem IMFC dem IWF gute Dienste zu leisten scheint. Deutschland unterstützt Überlegungen zur stärkeren Rolle der Minister und Zentralbankgouverneure im strategischen Entscheidungsprozess durch eine Stärkung der Rolle des IMFC bzw. durch Schaffung eines IMFB. Dies sollte jedoch nicht den Aufgabenbereich des Exekutivdirektoriums beschneiden, das weiterhin die Geschäfte des IWFführen sollte. Darüber hinaus sollte die Vorbereitung für die vom IMFC/IFMB zu treffenden Entscheidungen durch das Exekutivdirektorium erfolgen.

Der Vorschlag, die für besondere Stimmmehrheiten im IWF erforderlichen Schwellenwerte zu senken, sollte weiter verfolgt werden. Dies würde den Entscheidungsprozess innerhalb desIWF integrativer gestalten. Wir befürworten die Pläne für mehr Vielfalt in der Zusammensetzung des IWF-Stabs durch ein besseres Gleichgewicht zwischen geografischer Herkunft und akademischem sowie beruflichem Werdegang.

Mit dem Abklingen der Krise sollte der IWF sein Hauptaugenmerk erneut auf die Überwachung legen, die das wichtigste Instrument in seiner Krisenpräventionsfunktion bleibt. Deutschland begrüßt insbesondere die Arbeit des IWF zur Stärkung der Überwachung des Finanzsektors sowie zur Entwicklung eines umfassenden Rahmenwerks zur Analyse der makrofinanziellen Verflechtungen. Der IWF sollte seine Bemühungen in diesen Bereichen fortführen und seine analytischen Kapazitäten weiter ausbauen, um Anfälligkeiten im globalen Wirtschafts- und Finanzsystem aufzudecken und künftige Krisen zu verhindern. Es wird entscheidend sein, die multilaterale Dimension der Überwachung zu stärken ohne dabei die bilaterale Überwachung zu schwächen. Deutschland unterstützt daher die Initiative zu Berichten über Übertragungseffekte, so genannte Spillover Reports, die für die fünf führenden Wirtschaftsnationen versuchsweise erstellt werden sollen. Gleichzeitig könnte es ebenfalls eine Option sein, die Analyse von Übertragungseffekten in die bestehenden multilateralen Überwachungsaktivitäten und die regelmäßigen Artikel IV‑Berichte zu integrieren.

Als Reaktion auf die Finanzkrise hat der IWF im vergangenen Jahr seine Kreditvergabe umfassend reformiert und eine flexible Kreditlinie (FCL) geschaffen. Diese FCL wurde kürzlich weiterentwickelt und es wurde eine vorbeugende Kreditlinie (PCL) eingerichtet. Deutschland begrüßt die Bemühungen zur verbesserten Krisenprävention, wir warnen allerdings vor einer noch nie dagewesenen Ausweitung der Finanzierungsrolle des IWF, beispielsweise durch einen globalen Stabilisierungsmechanismus (Global Stabilization Mechanism), der negative Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Finanzlage des IWF selbst haben könnte. Sicherlich ist es vornehmlich die Aufgabe der Markteilnehmer, ihre eigene Krisenprävention durch angemessenes Risikomanagement zu verstärken, während der öffentliche Sektor die richtigen Anreize schaffen und die Aufsicht und Überwachung stärken sollte.

 

IV

Abschließend möchte ich noch auf die Niedrigeinkommensländer zu sprechen kommen, die noch immer vor großen Herausforderungen stehen und die internationale Unterstützung beim Umgang mit den Folgen der Krise benötigen. Bei ihrer Unterstützung nahm der IWF die führende Rolle ein, was dazu führte, dass die verfügbaren Kreditmittel aus dem Armutsbekämpfungs- und Wachstumstrust (Poverty Reduction and Growth Trust, PRGT) fast auf einen Tiefstand gesunken sind. Deutschland begrüßt die umfassende Reform der Kreditfazilitäten und Finanzierungsrahmen für Niedrigeinkommensländer, die letzten Januar in Kraft trat. Dies hat eine neue und flexiblere Architektur geschaffen, die auf die besonderen Umstände der Niedrigeinkommensländer ausgerichtet ist. Um sicherzustellen, dass der PRGT auf ausreichende Ressourcen zurückgreifen kann, begrüßen wir die jüngsten Zusagen und setzen uns für eine breite Mobilisierung von Gläubigern ein.