„In der Euro-Krise haben wir das Schlimmste hinter uns“



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Bild-Zeitung

Von NIKOLAUS BLOME und JAN W. SCHÄFER

BILD: Hand aufs Herz: Gibt es in Ihrem Ministerium Pläne für ein umfangreiches Sparpaket nach der Bundestagswahl?

Wolfgang Schäuble: Nein, das habe ich ja auch umgehend dementieren lassen. Ich wundere mich schon, wer es alles selbst über Weihnachten trotzdem nicht lassen konnte, sich dazu zu äußern. Richtig ist: Wir wollen noch vor der Wahl 2013 den Entwurf für einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Die Vorgaben der Schuldenbremse halten wir heute schon ein. Wir konsolidieren den Haushalt schneller, als es das Grundgesetz verlangt.​

BILD: Zur Haushaltskonsolidierung schlägt Wirtschaftsminister Rösler u. a. vor, die Bahn zu privatisieren und die Bundesanteile an die Telekom zu verkaufen. Einverstanden?

Schäuble: Der Bund ist sogar dazu verpflichtet, seinen Beteiligungsbesitz regelmäßig zu überprüfen. Wir haben das gerade gemacht und ich habe dem Kabinett berichtet. Trotz schwieriger Marktumstände ist es gelungen, deutliche Fortschritte bei der Privatisierung zu erzielen. Wir haben im September über die KFW 60 Mio Aktien der Deutschen Post AG veräußert und zuletzt gerade die TLG, ein ostdeutsches Immobilienunternehmen, verkauft. Diesen Weg werden wir fortsetzen, soweit es wirtschaftlich sinnvoll ist.​

BILD: Würgt die Eurokrise die Konjunktur in Deutschland 2013 endgültig ab?

Schäuble: Nein, auch wenn die Schuldenkrise Spuren hinterlässt. Die Lage ist besser als gedacht, weil unter anderem die Geschäfte mit USA und Asien stärker anziehen. Die deutsche Wirtschaft wird daher auch 2013 ordentlich wachsen.​

BILD: Dann ist für Arbeitnehmer eine spürbare Lohnerhöhung drin?

Schäuble: Zu Tarifverhandlungen äußere ich mich nicht. Ich halte moderate Lohnerhöhungen für möglich, aber man sollte in wirtschaftlich unruhigen Zeiten Maß halten und nicht übertreiben.​

BILD: 2013 nimmt der Staat so viel Geld ein wie nie zuvor. Warum tun Sie sich so schwer, die Steuern spürbar zu senken?

Schäuble: Langsam. Eins ist doch klar: Wächst die Wirtschaft, steigen auch die Einnahmen des Staates. Rot-Grün hat unseren Plan, die „kalte Progression“ im Steuertarif zu verringern, im Bundesrat gestoppt. Das ist ein Schlag ins Gesicht gerade der Geringverdiener. SPD und Grüne haben damit verhindert, dass die Steuerzahler 2013 und 2014 um rund 6 Milliarden Euro entlastet werden. Deshalb sind die Arbeitnehmer weiterhin den versteckten Steuererhöhungen ausgesetzt. ​

BILD: Gibt es nie wieder echte Steuersenkungen?

Schäuble: Wir werden die Beschäftigten zum Jahreswechsel um rund 7 Mrd. Euro bei den Sozialabgaben entlasten. Und wir werden nach der Bundestagswahl in jedem Fall einen neuen Anlauf nehmen, die „kalte Progression“ abzubauen.​

BILD: Wird sich die Eurokrise 2013 weiter zuspitzen?

Schäuble: Ich glaube, wir haben das Schlimmste hinter uns. Länder wie Griechenland haben erkannt, dass sie nur mit harten Reformen die Krise überwinden können. Ich hoffe, dass sich die Fortschritte fortsetzen. Wir kommen Schritt für Schritt voran.​

BILD: Aber gerade die Probleme in Frankreich spitzen sich weiter zu! Ist das Land die größte Gefahr für den Euro?

Schäuble: Ich bin sicher, dass Frankreich seine Verpflichtungen erfüllt. Die Regierung weiß sehr genau, dass jedes Land ständig Reformen durchführen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gilt übrigens auch für uns Deutsche.​

BILD: Sie mauern beim Ausbau der Mütter-Renten – zugleich wird Griechenland mit immer neuen Mrd. gestützt. Ist das nicht völlig ungerecht?

Schäuble: Ich warne davor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Wir helfen Griechenland, weil wir damit auch den Wohlstand in Deutschland stützen. Bei den Renten verstehe ich das Anliegen. Aber klar ist auch: Geld ist endlich. Darauf gelegentlich hinzuweisen, ist meine Aufgabe.

BILD: Geld ist endlich, sagen Sie – gilt das auch für die Hilfen an Griechenland?

Schäuble: Natürlich. Die Regierung in Athen weiß, dass sie die anderen Euro-Staaten finanziell nicht überfordern darf. Deshalb treibt sie jetzt die Reformen ja auch voran.​

BILD: Jeder Mensch macht Fehler – was war Ihr bisher größter in der Eurokrise?

Schäuble: Ich habe mein Urteil über den griechischen Ministerpräsidenten Samarras geändert, seitdem ich weiß, wie beherzt und mutig er die Reformen in seinem Land anpackt. ​

BILD: Im Herbst 2013 ist Bundestagswahl. Fürchten Sie, dass Schwarz- Gelb im Zuge der Eurokrise abgewählt wird?

Schäuble: Alle aktuellen Umfragen zeigen, dass die Wähler mit CDU/CSU sehr zufrieden sind. Wir haben das Land bislang sicher durch die Krise geführt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der FDP die nächste Regierung stellen werden.​

BILD: Wollen Sie wieder Finanzminister werden?

Schäuble: Sollte ich wieder in den Bundestag kommen, will ich mein Mandat auch intensiv nutzen. Alles andere entscheidet der Wähler.