Ehrung der Rückkehrer aus polizeilichen Auslandsmissionen



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich der Ehrung der Rückkehrer aus polizeilichen Auslandsmissionen in Ahrensfelde

Polizist in einer Auslandmission zu sein, ist kein Zuckerschlecken. Das wissen wir aus den annähernd 20 Jahren, in denen sich unser Land an solchen Missionen beteiligt, und das wissen Sie alle aus eigener Erfahrung. Es bedeutet nicht nur den Verzicht auf Komfort, auch wenn wir Ihnen die notwendige Ausstattung und manches mehr mit auf den Weg geben: In der Regel ist die Lebenssituation in den Krisengebieten spartanisch. Es bedeutet auch die Trennung von der Familie und den Freunden. Diese Trennung fällt schwer, auch den Angehörigen zuhause. Vorgestern beim Empfang der Bundeskanzlerin für Familien, deren Angehörige gerade im Auslandseinsatz sind, hat man das wieder einmal spüren können.

Hinzu kommt, dass ein solcher Einsatz mit einer erhöhten persönlichen Gefahr verbunden ist. Natürlich hat die persönliche Sicherheit und die Gesundheit unserer Polizistinnen und Polizisten bei allen Auslandsmissionen absolute Priorität, aber es bleibt ein gefährlicher Einsatz. Der Anschlag auf ein sondergeschütztes Fahrzeug in Afghanistan im Juli dieses Jahres, bei dem zwei Beamte zum Glück nur leicht verletzt wurden, hat das wieder einmal deutlich in Erinnerung gerufen.

Polizeibeamtinnen und -beamte gehen häufig ein Risiko ein, um andere Menschen zu schützen. Das gilt ganz unabhängig davon, wo sie eingesetzt sind, auch in Deutschland – wir haben das gerade wieder erlebt. Aber in Krisengebieten ist das Risiko naturgemäß höher. Denn dort, wo das Gewaltmonopol des Staates nicht funktioniert, sind die Menschen einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Das gilt gerade auch für die Polizisten, die einen Beitrag zum Aufbau verlässlicher staatlicher Strukturen leisten und damit häufig zwischen den Fronten stehen. Und das bedeutet auch im Alltag eine zusätzliche Belastung: die oft angespannte Sicherheitslage vor Ort engt Ihren Bewegungsradius spürbar ein und erschwert die Arbeit.

Sie wussten von den Schwierigkeiten und haben sie trotzdem auf sich genommen. Dazu mag beigetragen haben, dass Sie wussten, welchen Respekt die deutschen Polizisten in den Krisengebieten genießen, und dass die Verantwortung, die man in einem solchen Einsatz übertragen bekommt, oft noch viel größer ist als in einer Verwendung in Deutschland. Deswegen unterstütze ich auch ausdrücklich das, was Sie, Herr Bundespolizeipräsident, zur beruflichen Förderung gesagt haben. Sie haben die Rückendeckung ihres Ministers. Und lieber Herr Kollege Schönbohm, ich hoffe, dass das für die Länder genauso gilt, auch wenn es dort ein wenig schwieriger organisatorisch zu verwirklichen ist als bei der Bundespolizei.

Wir, die Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder, sind uns einig, dass wir an der Aufteilung von 1/3 Bundes- und 2/3 Länderpolizisten auch bei einer eher wachsenden Zahl von Auslandsverwendungen festhalten wollen. Denn das hat sich vielfältig bewährt. Es wird im Übrigen für Führungsaufgaben im polizeilichen Alltag zunehmend wichtig sein, internationale Erfahrung zu haben. Das gilt in Länderpolizeien gleichermaßen. Ich will auch daran erinnern, das beim informellen Rat der Innenminister der Europäischen Union im Juni dieses Jahres unter französischer Präsidentschaft die französische Kollegin Alliot-Marie den Vorschlag eingebracht hat, bei der Ausbildung von Polizeibeamten generell auch eine Verwendung im Ausland vorzusehen. Darüber ist noch nicht abschließend entschieden. Es dauert in Europa manchmal etwas länger, aber der Vorschlag ist auf dem Weg und er wird nicht in Vergessenheit geraten. Wir brauchen das in Europa, und wir brauchen es darüber hinaus.

Die Aufgaben in einer Auslandsmission sind vielfältig: Sie reichen von der Beratung der Entscheidungsträger bis zum Innenminister über die Mitwirkung an der strategischen und strukturellen Ausrichtung der Polizei, die Begleitung von Projekten, insbesondere Bauprojekten, bis zur Durchführung von Trainingsmaßnahmen. Mit dieser Arbeit wollen wir die Sicherheitsinstitutionen in die Lage versetzen, eigenständig und -verantwortlich für die Sicherheit in ihrem Land zu sorgen, auf der Basis eines rechtsstaatlich demokratischen Grundverständnisses.

Aufgrund der Vielfalt der Aufgaben, des schwierigen Umfeldes und der großen Eigenverantwortung ergibt sich eine besondere Anforderung an die Beamten einer Auslandsmission: Sie müssen ebenso besonnen wie zupackend, offen wie durchsetzungsfähig sein. Wer bereit dazu ist, sich auf die ungewohnten Bedingungen der Einsatzgebiete einzulassen, kann viel lernen: mit einfachen Mitteln etwas zu erreichen, Pragmatismus und Lösungsorientierung statt festgefahrener Einstellungen sind dort, wo es noch keine festen Strukturen gibt, oft der beste Weg zum Ziel. Eine solche Erfahrung kann auch in Deutschland nicht schaden.

Auch der interkulturelle Austausch, den eine Mission mit sich bringt und der beiderseitiges Einfühlungsvermögen erfordert, kann zu den bereichernden Aspekten einer Mission gehören. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, die Bereicherung des Erfahrungsschatzes – kurz: der Blick über den Tellerrand – gehören zu dem Positivem und Wertvollem, das ein solcher Einsatz bieten kann und hoffentlich immer auch bietet.

Für viele von Ihnen war der Grund, an einer solchen Mission teilzunehmen, zu wissen, dass man konkret helfen kann: In einem Krisengebiet sieht man die Dringlichkeit und auch die Erfolge der Arbeit eher als bei uns in Deutschland, wo alles detailliert geregelt ist und auf hohem Niveau funktioniert.

Zu den Erfolgen Ihrer Arbeit in der europäischen Polizeimission gehört, dass sich die Lage in Bosnien und Herzegowina erkennbar stabilisiert hat. Mit Ihrer Hilfe wurden dort eine funktionierende Grenzpolizei sowie ein landesweit zuständiges Kriminalamt aufgebaut, vergleichbar dem deutschen BKA. Die Arbeit, die deutsche Polizisten dort leisten, genießt einen hervorragenden Ruf. Dass mit Stefan Feller einem leitenden deutschen Polizeidirektor die Führung der Mission übertragen wurde, zeigt diese Wertschätzung besonders deutlich.

Auch im Kosovo hat die internationale Staatengemeinschaft praktisch aus dem Nichts heraus eine Polizei etabliert. Die Kosovo Police Service ist mittlerweile in der Lage, eigenständig polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen.

Auch wenn der Grenzübergang zur Zeit aufgrund der aktuellen politischen Situation wieder geschlossen ist: die Tatsache, dass in Rafah der Grenzübergang geöffnet werden konnte, gehört zu den Erfolgen Ihrer Arbeit.

In Afghanistan haben wir Deutsche seit 2002 insgesamt 24.000 afghanische Polizisten aus- und fortgebildet. Das bleibt wahr, und die Behauptung, das sei nichts, weise ich bei dieser Gelegenheit öffentlich zurück. Denn das haben unsere Polizeibeamten nicht verdient.

Wir haben zahlreiche Bauprojekte auf den Weg gebracht. So haben wir im Oktober in Maser e Sharif ein Trainingszentrum für die afghanische Polizei eingeweiht. Bis Ende 2009 soll dort auch eine Außenstelle der Polizeiakademie fertig gestellt werden. Darüber hinaus sind zwei Trainingszentren in Kunduz und Kabul geplant sowie weitere Ausstattungsprojekte für die Bereitschafts- und Grenzpolizei.

Insgesamt ist der Polizeiaufbau in Afghanistan, bei allen Schwierigkeiten, auf einem guten Weg: Die Bezahlung der Polizei wurde erheblich verbessert, wirksame Schritte zur Bekämpfung der Korruption eingeleitet. Das ist kein leichtes Feld. Ich habe vergangene Woche mit meinem afghanischen Kollegen gesprochen, und wir sind uns einig, dass wir unseren Beitrag zu EUPOL weiterhin erfüllen wollen, erfüllen müssen und erfüllen werden. Wir sind uns auch einig, dass wir uns darüber hinaus verstärkt auf die bilaterale Polizeiausbildung im Bereich der beiden deutschen Provincial Reconstruction Teams konzentrieren. Wir machen das in enger Abstimmung mit der Bundeswehr. Und wir werden uns verstärkt an dem „Focused District Development“-Konzept beteiligen und es mit großem Nachdruck voranbringen. Polizist in Afghanistan zu sein, bringt eine andere Aufgabenstellung mit sich als sie die Polizei in Deutschland üblicherweise hat. Deshalb habe ich mit meinem Kollegen Jung abgesprochen, dass wir auch die spezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen der Bundeswehr in diese polizeiliche Ausbildung einbinden. Damit können beide Aufgaben, die die afghanische Polizei hat, nämlich „Law enforcement“ und Bekämpfung von Terror und aufständischen Bewegungen, in gleichem Maße erfüllt werden. Für das eine haben wir die polizeilichen Erfahrungen, für das andere brauchen wir die ergänzende Ausbildungsfähigkeit der Bundeswehr.

Manches ist langsamer in Gang gekommen als erhofft, aber inzwischen haben wir sichtbare Fortschritte erzielt, und wir werden auf diesem Weg mit aller Kraft vorangehen. Seit 2004 wurde die gesamte Polizei umstrukturiert. Heute sitzen in den meisten Schlüsselpositionen Polizisten, die durch ein Auswahlverfahren gegangen sind und die notwendigen Fähigkeiten für ihre Aufgabe besitzen. Stäbe und höhere Dienstränge sind zugunsten der Präsenz auf der Straße verschlankt worden. Die neue Bereitschaftspolizei, die Afghan National Civil Order Police, sowie die Grenzpolizei, die die deutschen Polizistinnen und Polizisten ausgebildet und aufgebaut haben, gehören zu den Aushängeschildern der afghanischen Polizei.

Diese Erfolge sind auch der guten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und den beteiligten Ressorts geschuldet, wofür ich mich bei dieser Gelegenheit bedanke.

Wir werden dieses Engagement in enger Partnerschaft mit unseren europäischen Partnern und den Vereinigten Staaten von Amerika fortführen und hierfür unser Personal aufstocken. Wir wollen unsere jahrelange Arbeit in Afghanistan fortführen, auch wenn es ein langer und steiniger Weg bleiben wird. Wir wollen hier wie in anderen Krisengebieten im Interesse der Menschen, aber auch in unserem ureigenen Interesse, Strukturen einer Polizei schaffen, die in der Lage ist, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen und mit anderen internationalen Rechtsstaatsorganisationen bei der Bekämpfung schwerer und internationaler organisierter Kriminalität, von Drogen bis zum Terrorismus, zusammenzuarbeiten. Eine rechtsstaatlich strukturierte Polizei ist ein wesentlicher Pfeiler beim Aufbau eines jeden Rechtsstaates.

Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir mehr Sicherheit und so Freiheit für die Menschen vor Ort erreichen. Freiheit und Sicherheit bedingen sich. Wie Alexander von Humboldt gesagt hat: keine Freiheit ohne Sicherheit. Beides zusammen ist die Basis für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass alles Weitere – eine zivile Infrastruktur, Handel, Schulen – sich gedeihlich entwickeln kann. Die Etablierung von Recht und Gesetz und die Durchsetzung des Rechts durch eine rechtsstaatlich funktionierende Polizei ist ein unerlässlicher Beitrag auf dem Weg zu transparenten und demokratischen politischen Strukturen.

Solche Prozesse brauchen ihre Zeit, sie sind langfristig zu sehen. Wir müssen vor allem das Vertrauen der Menschen gewinnen und erhalten, damit sie uns als Partner und nicht als Gegner wahrnehmen. Aber es zeigt sich überall, dass die wirtschaftliche, die politische und die Sicherheitsentwicklung in solchen Regionen voneinander abhängen, und die innere Sicherheit eine notwendige Voraussetzung für die weitere Entwicklung ist.

Deswegen ist die Innere Sicherheit zu einem Kernelement des so genannten „Nation Building“ geworden. In der internationalen Staatengemeinschaft hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass das Militär allein eine Region nicht nachhaltig befrieden kann. Zivile und militärische Instrumente können nur zusammen – und nur mit der Unterstützung der jeweiligen Bevölkerung – den nachhaltigen Wiederaufbau und Stabilität eines Landes erreichen. Deswegen sind wir in Afghanistan richtig aufgestellt: Unser starker militärischer Einsatz durch die Bundeswehr bleibt notwendig, und er gewährleistet, dass wir uns beim dringend notwendigen Polizeiaufbau engagieren können.

Mit Ihrem Einsatz, meine Damen und Herren, leisten Sie einen unschätzbaren Beitrag für die Menschen in den Krisengebieten. Und Sie leisten einen ebenso wichtigen Beitrag für die Menschen in unserem Land. Sicherheit ist mehr und mehr unteilbar geworden. Die Sicherheit und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland hängt in unserer globalisierten Welt unmittelbar davon ab, dass nicht Gewalt und Kriminalität aus anderen Ländern zu uns überschwappen. Terrorismus, organisierte Kriminalität, illegale Migration sind direkte Bedrohungen und Herausforderungen für die westlichen Länder. Die internationalen Netzwerke des Terrorismus und der organisierten Kriminalität sind auf Orte angewiesen, die ihnen Schutz und Unterschlupf bieten. Afghanistan war ein Beispiel hierfür und soll es in Zukunft nicht mehr sein. Deswegen ist unser Engagement nicht nur eine wichtige und wirksame Form der Entwicklungshilfe, sondern trägt auch zu einer stabileren globalen Sicherheitslage bei, von der wir alle profitieren.

Sie haben einen wertvollen Dienst für die Krisengebiete und für unser Land geleistet. Dafür verdienen Sie hohe Anerkennung, und dafür danken wir Ihnen heute.

Sie haben hervorragende Arbeit in einem schweren Umfeld getan unter erhöhter Belastung für Sie und Ihre Familien. Richten Sie meinen Dank bitte auch Ihren Familien aus, die Ihnen – oft selbst in Ungewissheit – den Halt und die Unterstützung geben, die Sie fern der Heimat in solchen Einsätzen brauchen. Ich hoffe dass wir Sie alle auch in Zukunft wohlbehalten wieder zurückbekommen, auch wenn die Einsätze gefährlich sind.

Mit dem Dank für Ihren Einsatz verbinde ich den Wunsch für ein gesegnetes Weihnachtsfest für Sie und Ihre Familien und für ein Frohes Neues Jahr.