Der Bundesfinanzminister in der ZDF Sendung „Was nun….?“



BM Schäuble zeigt sich in einem ZDF-Was nun…?-Interview skeptisch bezüglich des Zeitpunkts der Äußerungen von BM Rösler. Es mache „keinen Sinn“, die Nervosität der Märkte „durch Gerede zu verstärken“. Zwischen Denkverboten und Reden, um Märkte zu beunruhigen, sei „ein kleiner Unterschied“. Es sei „in unserem eigenen Interesse“, den Euro[Glossar] stabil zu halten. Er plädiere daher „dafür, dass wir uns darauf konzentrieren, dass wir das, was wir vereinbart haben, umsetzen“. Allerdings „gibt es keine Auszahlung“, solange die Troika nicht ihr Plazet gebe. Griechenland brauche mehr Zeit, als erwartet, und er glaube, „in der Koalition eine Mehrheit für diese notwendigen Maßnahmen, für die Anpassung des EFSF“ zu bekommen.

ZDF: Die Börsen sind hoch nervös. Ist die Politik, ist der Finanzminister eigentlich noch Herr des Verfahrens?

BM Schäuble: Ganz Herr des Verfahrens ist die Politik nie, deswegen wollten wir eine Freiheitsordnung, dass die Politik nicht alles bestimmen kann. Aber wir sind ja nicht gezwungen, uns von den Nervositäten der Märkte im Stundentakt anstecken zu lassen.

ZDF: Die Krise spitzt sich im Moment zu, hat man den Eindruck, und es stehen ja auch historische Weichenstellungen an. Und in dieser Situation bringt nun der Vize-Kanzler, der FDPVorsitzende Rösler, den Plan einer „geordneten Insolvenz [Glossar]“ Griechenlands ins Spiel. War das eigentlich jetzt hilfreich, war das schädlich?

BM Schäuble: Er hat ja nicht den Plan ins Spiel gebracht, sondern er hat gesagt, man kann nichts ausschließen.

ZDF: Er hat ein Tabu gebrochen – vorher war das immer ein Tabu.

BM Schäuble: Die Frage ist, ob es klug ist, dass wir den Wünschen der Journalisten nachgeben und in jeder Situation über alle Fragen – „was wäre wenn“ – Antworten geben.

ZDF: Das war ungefragt, das war ein Gastbeitrag von ihm selbst.

BM Schäuble: Wir haben mit Griechenland ein klares Anpassungsprogramm verabredet… Das ist die Voraussetzung, da kann es auch keinen Rabatt geben.

ZDF: Trotzdem, „geordnete Insolvenz“, das ist jetzt immerhin der Vorschlag des deutschen Vize-Kanzlers, Ihres Kollegen, dem Wirtschaftsminister. Ist das ein notwendiger Denkanstoß? So sehen das ja manche Experten oder ist das die Verzweiflungstat eines Parteivorsitzenden, der in einer schlimmen Lage ist?

BM Schäuble: Ich glaube, weder noch. Ich glaube, es ist schon so, unter allen Denknotwendigkeiten kann man ja nie etwas ausschließen. Ich habe auch schon gesagt, in anderem Zusammenhang, das wäre eine schlechte Regierung, wenn sie sich auch auf Dinge, die man sich gar nicht vorstellen kann, nicht versucht, vorzubereiten so gut es geht. Aber jetzt, angesichts von Finanzmärkten [Glossar], die übertrieben nervös reagieren – ich meine, die reale wirtschaftliche Lage ist ja gar nicht so schlecht -, da macht es keinen Sinn, darüber zu reden, die Nervosität durch Gerede zu verstärken. Sondern da ist es viel besser, wir konzentrieren uns darauf, (dass) jeder seine Pflicht tut…

ZDF: Da sagt der „Kabinetts-Senior“ dem Vize-Kanzler, Zurückhaltung wäre besser gewesen?

BM Schäuble: Nein, das älteste Mitglied – das bin ich leider – gibt anderen und öffentlich schon gar keine Ratschläge…

ZDF: Oder ist das ein bisschen – denn die CSU hat sich heute angeschlossen und hat gesagt, es darf keine Denkverbote geben in Sachen Griechenland – auch Profilschleifung, dass CSU und FDP nun sagen, wir sind die eigentlichen Hüter der deutschen Steuergelder? Trauen die Ihnen nicht mehr?

BM Schäuble: Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Und wissen Sie, Denkverbot ist das eine und alles zu jedem Zeitpunkt zu reden ist das andere. Ich rate, dass man dazwischen noch einen Unterschied erkennt.

ZDF: Wie lange sollen die deutschen und europäischen Steuerzahler hoch bezahlen? Wird es nicht langsam Zeit, die Notbremse zu ziehen und für die Griechen ein geeignetes Insolvenzkonzept zu erarbeiten. Ihr Haus hat angeblich schon einen Plan B?

BM Schäuble: Wir haben bisher gar nichts bezahlt, wir haben Garantien übernommen. Jedes Land, das Schwierigkeiten hat, muss diese Schwierigkeiten beseitigen… Und die Zeit, weil man mit der Beseitigung der Ursache nicht gleich wieder Anschluss findet, verschaffen wir diesen Ländern durch europäische Solidarität.
Und es ist in unserem eigenen Interesse, denn wenn die europäische Währung nicht stabil wäre, hätten wir den größten Schaden davon, denn wir Deutsche haben am meisten als das wirtschaftlich erfolgreichste Land von der gemeinsamen Währung profitiert. Aber bezahlt haben wir bisher gar nichts.

ZDF: Das ist noch nicht offiziell bestätigt, es stand nur in einem großen Nachrichtenmagazin, gibt es solche Überlegungen, einen Entwurf in Ihrem Haus?

BM Schäuble: Ich sagte vorher, eine Regierung denkt auch darüber nach, was macht man, wenn eine Katastrophe passiert. Aber das sind nicht Pläne, da muss man ein bisschen unterscheiden. Und deswegen: Zwischen Denkverboten und Reden, um Märkte zu beunruhigen, ist ein kleiner Unterschied. Verstehen Sie bitte, dass der Finanzminister versucht, wenigstens sich selber an das zu halten, was er für richtig hält.

ZDF: Hält der deutsche Finanzminister eine Pleite Griechenlands für beherrschbar, oder ist sie das eben nicht und muss deshalb mit allen Mitteln verhindert werden?

BM Schäuble: Der deutsche Finanzminister hält alles dafür, dass wir uns darauf konzentrieren, dass wir das, was wir vereinbart haben, umsetzen. Wir Deutsche haben eine gute Zukunft nur in einem starken Europa und dieses Europa muss übrigens ein stabiles Europa sein. Diejenigen, die uns raten, löst doch die Probleme mit Eurobonds, macht schnell Schulden oder ein bisschen Inflation [Glossar] ist auch nicht so schlimm, die haben nicht begriffen, dass die Europäer ein starkes Europa wollen, weil sie wollen, dass dieses Europa für uns alle Vertrauen schafft. Und Stabilität ist eine Voraussetzung für Vertrauen.

ZDF: Sie sprachen den Troika-Bericht an, der übermorgen kommen soll. Nun hört man im Vorfeld schon, dass Griechenland offenbar nicht ausreichend seine Hausaufgaben gemacht hat. Wenn dieser Bericht negativ ausfällt für Griechenland, dann darf weiteres Geld erst einmal nicht fließen. Wird dann weiteres Geld nicht fließen an Griechenland?

BM Schäuble: Na klar, das habe ich letzte Woche im Bundestag gesagt, und ich habe nicht die Absicht, etwas anderes zu sagen… Der Troika-Bericht wird nicht am Mittwoch fertig sein …, der muss zunächst einmal sagen, die Voraussetzungen für die Auszahlung der nächsten Tranche sind gegeben. Solange diese Aussage nicht vom Internationalen Währungsfonds und den anderen Institutionen gegeben werden kann, gibt es keine Auszahlung.

ZDF: Aber es läuft doch die Zeit und Griechenland braucht zwei Milliarden?

BM Schäuble: Es ändert nichts daran, so ist es vereinbart worden…

ZDF: Politisch hat das alles jedenfalls allerhöchste Sprengkraft. Da geht’s nicht nur um Griechenland, sondern auch um die Rettungsschirme. In der FDP machen jetzt Gegner mit einer Mitgliederbefragung mobil. Mal gesetzt den Fall, die geht positiv (Ausschluss aus der Eurozone) aus, wenn es dafür wirklich eine Mehrheit gibt, würde sich der Finanzminister dann daran gebunden fühlen?

BM Schäuble: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FDP eine Frage stellt, von der die Führung der FDP genauso weiß …, sie ist gar nicht möglich, denn wir haben Verträge in Europa…

ZDF: Finden Sie es gut, mit solchen Instrumenten jetzt Stimmung zu machen?

BM Schäuble: Ich finde es überhaupt nicht schlimm…

ZDF: Viele in den Regierungsfraktionen sind noch nicht überzeugt. Ist möglicherweise das Ganze nicht ausreichend erklärt worden, auch nicht von der Kanzlerin?

BM Schäuble: Nein, es gibt ständig neue beunruhigende Nachrichten. Das Verrückte ist ja, wir haben eigentlich eine ganz solide wirtschaftliche Lage, und trotzdem haben wir die hohe Nervosität… Es kann keinen Rabatt geben. Das, was vereinbart worden ist, muss eingehalten werden, weil wir sonst das Vertrauen verspielen, um das wir ohnedies uns sehr bemühen müssen…

ZDF: Seit Juli heißt die Position: mehr Europa. Das war ja letztes Jahr längst noch nicht der Kurs?

BM Schäuble: Doch, das war immer der Kurs der CDU und der Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel.

ZDF: Letztes Jahr war sie noch „Madame Non“?

BM Schäuble: Das sind Kurzfassungen in ausländischer Kritik… Die Union ist die proeuropäische Partei immer gewesen, und sie bleibt es auch… Was wir korrigieren mussten, ist, wir hatten ein Anpassungsprogramm, ein Kreditprogramm für Griechenland letztes Jahr vereinbart im April, und das reicht offensichtlich nicht aus, deswegen brauchen wir ja ein zweites Programm für Griechenland, weil Griechenland nicht, wie man im April letzten Jahres noch geglaubt hat – wider die Experten -, dass sie ab 2012 wieder an den Finanzmärkten sich refinanzieren könnten…

ZDF: Wenn die Koalition keine eigene Mehrheit bekommt für all das, was da jetzt beschlossen werden muss, insgesamt drei Pakete, ist die Regierung Merkel dann am Ende?

BM Schäuble: Ich bin eigentlich ziemlich zuversichtlich, dass wir auch in der Koalition eine Mehrheit für diese notwendigen Maßnahmen, für die Anpassung des EFSF, darum geht es ja, es geht ja gar nicht um Griechenland bei dieser Gesetzgebung unmittelbar, bekommen werden…

ZDF: Aber Sie müssen ja die Kanzlermehrheit hinbekommen, sonst steht die Koalition blank da. Würden Sie sich auf die Sozialdemokraten verlassen?

BM Schäuble: Die Entscheidung im Deutschen Bundestag ist doch gar nicht sehr umstritten.

ZDF: Das Ziel bleibt bestehen, die eigene Mehrheit?

BM Schäuble: Ja, klar, eine parlamentarische Regierung sollte immer eine Mehrheit im Parlament haben.

ZDF: Die geltenden Europäischen Verträge schreiben ja vor: Kein Land soll für die Schulden eines anderen eintreten. Das nennt Steinbrück heute eine „politische Lebenslüge“. Hat er damit nicht Recht? Zeigt nicht auch diese Krise, dass wir eigentlich längst in der Haftungsunion angekommen sind, dass natürlich der eine für den anderen eintreten muss?

BM Schäuble: Es kommt ein bisschen darauf an, was man unter dem No-Baleout-Verbot versteht. Ich habe es immer so verstanden …, dass europäische Solidarität … nicht bedeutet, dass man automatisch für die Schulden anderer haftet. Und dieses ist ja genau die Philosophie … unserer gemeinsamen Währung, des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, jeder muss seine Probleme selber lösen. Wir helfen in der Zeit, bis die Probleme gelöst sind…

ZDF: Aber stimmt nicht auch, wer Europa will und soviel davon profitiert wie Deutschland, der muss auch bereit sein, Verantwortung abzugeben und der muss zahlen?

BM Schäuble:: Er muss bereit sein zu akzeptieren, dass die Entscheidungen, für die wir europäische Entscheidungen brauchen, auf europäischer Ebene getroffen werden… Zahlen, das ist immer so, wir profitieren am meisten. Man muss sich einmal vorstellen, unsere wirtschaftliche Lage wäre viel schlechter, als sie heute ist, unsere Arbeitslosigkeit wäre viel höher, wenn wir nicht die gemeinsame Währung hätten. Das heißt, wir zahlen nicht für andere, wir investieren in unsere eigene Zukunft.

Zuschauerfrage: Sehen Sie sich bald als Chef der Eurogruppe [Glossar]?

BM Schäuble: Nein… Ich suche keine andere Aufgabe.
Satzergänzungen

ZDF: „Dass Altkanzler Helmut Kohl der Bundesregierung vorwirft, in Sachen Europa keinen Kompass zu haben – – -„

BM Schäuble: – – – ist so ein Mangel an Verständnis für das, was wir in der Bundesregierung machen.

ZDF: „Von den Vereinigten Staaten von Europa zu reden, traue ich mich – – -„

BM Schäuble: – – – bin ich deswegen nicht sehr dafür, weil die Menschen dann das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika sehen, und dann meinen sie, das sollte ein Nationalstaat auf europäischer Ebene sein. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen die europäischen Nationalstaaten ergänzen durch etwas, was darüber liegt auf der europäischen Ebene, aber nicht einen europäischen Superstaat.

ZDF: „Wer sich in Krisenzeiten die große Koalition zurückwünscht – -„

BM Schäuble: – – – der übersieht, dass wir eine klare Mehrheit im Parlament haben…

ZDF: „Dass Peer Steinbrück sich als Kanzlerkandidat der SPD schon mal warmläuft – – –

BM Schäuble: – – – das zeigt, dass er offenbar meine Anforderung ernst nimmt, sich um ein noch besseres Benehmen im Bundestag zu bemühen.

Von Chefredakteur Peter Frey und Hauptstadtstudioleiterin Bettina Schausten

Alle Rechte: ZDF