Der Bundesfinanzminister im Interview mit Japans größte Finanzzeitung „Nikkei“



Interview vom 28.09.2012

Frage: Wie beurteilen Sie die Krisenmaßnahmen, die insbesondere in Griechenland durchgeführt werden?

Antwort: Griechenland hat einen erheblichen Zeitverlust durch die zweimaligen Neuwahlen erlitten. Aber Griechenland muss das Programm erfüllen – ob und wie es das kann, wird der Troika-Report von Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds zeigen. Den müssen wir abwarten. Vorher darüber zu spekulieren hat keinen Sinn.

Frage: Einige Ihrer Kollegen sagen, Griechenland braucht ein bisschen Spielraum, um ihre Versprechen erfüllen zu können. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Antwort: Griechenland muss strukturelle Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft umsetzen. Es kann in diesem Bereich keinen Spielraum geben, das muss erfüllt werden. Es geht darum, das Vertrauen der Märkte in Griechenland wiederaufzurichten. Es geht nicht darum, Griechenland besonders streng zu behandeln. Die Regeln des Programms sehen vor, dass Athen die Vorgaben erfüllt, um weitere Hilfe zu erhalten. Ob durch eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung als erwartet die Erreichung der Defizitzahlen gefährdet wäre, muss man sehen. Damit muss sich die Troika beschäftigen.

Frage: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung scheint zu meinen, dass es vielleicht nicht viel bringt, Griechenland weiterhin mit großen internationalen Geldern zu unterstützen.

Antwort: Nein. Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland weiß, dass die europäische Einigung im besten Interesse Deutschlands ist, und sie weiß auch, dass in Griechenland das Volk unter den Fehlern der Vergangenheit leidet. Sie wollen, dass wir alles tun, damit die europäische Integration weitergeht. Und sie möchten auch guter Partner in Europa sein. Sie wissen, dass diejenigen, die vorübergehend in einer besseren Lage sind, auch gegenüber anderen großzügiger sein müssen.

Frage: Die Reformen muss man durchsetzen. Was den Zeitrahmen anbetrifft: Kann es einen Verhandlungsspielraum darüber geben, bis wann das ausgehandelte Defizit erreichen werden muss?

Antwort: Die Finanzminister der Eurogruppe haben verabredet, vorher darüber nicht zu spekulieren. Und jetzt warten wir ab, was die Troika berichtet.

Frage: Wann werden Sie mit Ihren Kollegen darüber sprechen?

Antwort: Wenn der Bericht der Troika vorliegt, steigen wir in die Details ein. Es ist aufgrund der andauernden Diskussionen und Gespräche in Athen und innerhalb der Troika noch unklar, wann er konkret vorliegen wird.

Frage: Internationale Finanzmärkte spekulieren immer noch mit spanischen Anleihen, obwohl sich die EZB und ESM beide darauf vorbereitet haben, südeuropäische Staatsanleihen zu kaufen. Was muss Spanien jetzt tun?

Antwort: Spanien macht alles, was es machen muss. Spanien hat im Sommer entschieden, dass es finanzielle Unterstützung durch den Rettungsschirm braucht, um den Teil seiner Banken, der unter den Folgen der Immobilienkrise leidet, mit hinreichend Kapital auszustatten. Spanien führt auch makroökonomische Reformen durch. Aber Spanien leidet unter einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung. Deswegen hat es Schwierigkeiten, die Defizitreduzierung im Verhältnis zum BIP in diesem Jahr zu erreichen. Die spanische Regierung hat ihren Haushaltsplan inklusive weiterer Sparmaßnahmen für 2013 veröffentlicht, sie hat bei den Reformen noch einmal nachgelegt und ich finde, dass die Entschlossenheit der Regierung außergewöhnlich eindrucksvoll ist. Die spanische Regierung hat den Willen und die politische Kraft die Pläne durchzusetzen. Das wird die Finanzmärkte überzeugen.

Frage: Wie beurteilen Sie die Entscheidung der EZB bezüglich des Staatsanleihen-Kaufprogramms?

Antwort: Natürlich leidet Spanien noch unter der Verunsicherung der Finanzmärkte, auch wenn die etwas hohen Zinsen auf spanische Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt sich nicht eins-zu-eins in den Refinanzierungskosten des Staates widerspiegeln. Jetzt stellt sich die Frage, ob sich die Lage in absehbarer Zeit beruhigt. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen kann. Wie die EZB dazu beiträgt, ist Sache der EZB. Die Notenbank ist völlig unabhängig – wir kommentieren ihre Entscheidungen nicht.

Frage: Wie kommentieren Sie den Staatsanleihenkauf durch den ESM angesichts der Kritik aus Deutschland, dass ein Staatsanleihenkauf durch den ESM massive Probleme verursachen könne und ein Weg zur Transferunion sei?

Antwort: Meinungsfreiheit ist eine Voraussetzung für Demokratie. In meiner eigenen Partei gibt es auch unterschiedliche Meinungen. Aber wir haben klare Regeln für die EFSF und den ESM. In der Tat gehört zu den Instrumenten des ESM-Vertrages, dass der ESM auch am Sekundärmarkt intervenieren könnte, aber nur, wenn ein entsprechendes Programm vereinbart worden ist. Auch der deutsche Bundestag, wie andere Parlamente auch, müsste einem solchen Programm zustimmen. Deswegen sind diese ganzen Spekulationen und Diskussionen mit Vorsicht zu genießen.

Frage: Wenn ein Land einen Hilfsantrag stellen würde: sind Sie der Meinung, dass Sie es im Bundestag durchsetzen können?

Antwort: Wenn ein weiterer Antrag käme, dann würde die Bundesregierung ihn sorgfältig prüfen. Denn wir hätten die Voraussetzungen im EFSF/ESM-Vertrag sowie die nationalen gesetzlichen Voraussetzungen zu beachten. Ich kann jetzt nicht sagen, wie das Ergebnis dieser Prüfung ausfallen würde. Aber wir wollen für alle Eventualitäten gerüstet sein – sonst bräuchten wir den ESM ja nicht. Wenn wir der Überzeugung wären, dass ein weiteres Programm für wen auch immer notwendig sei, würden wir das dem Bundestag vorschlagen – ich bin mir sicher, dass wir dann auch die Mehrheit im Bundestag bekommen würden. Aber wie gesagt: das ist alles Spekulation.

Frage: Ist Deutschland das Portemonnaie der Europäer?

Antwort: Wir sind das wirtschaftlich stärkste Land, wir profitieren am meisten von der wirtschaftlichen Integration Europas, also haben wir auch ein starkes eigenes Interesse, dass dieses Europa stabil bleibt. Und deswegen müssen wir in die Stabilisierung dieser gemeinsamen europäischen Wirtschaft und Währung relativ oder absolut mehr investieren als andere.

Frage: Können Sie uns den Zeitplan für die Rettungsschirme erklären? Ab wann können die Länder einen Hilfsantrag stellen?

Antwort: Die EFSF, der erste Stabilisierungsfonds, steht schon und könnte theoretisch jederzeit benutzt werden, um ein Land zu unterstützen. Was den ESM betrifft, sind die Ratifizierungsurkunden von allen Ländern bis auf Estland, also auch von Deutschland, hinterlegt. Damit sind die Voraussetzungen für den Start des ESM gegeben. Die Kapitalisierung des ESM wird zeitnah erfolgen. Am 08. Oktober wird zum ersten Mal eine Sitzung des Leitungsgremiums des ESM stattfinden (die Finanzministern der Eurozone oder ihre Vertreter). Aber ob ein Land einen Antrag stellt, das ist eine ganz andere Frage.

Der Antrag eines Landes ginge nicht an den ESM, sondern an die Eurogruppe, und die Europäische Kommission würde dann zunächst prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Antrag überhaupt gegeben sind. Sie würde daran anschließend mit dem Land ein Anpassungsprogramm besprechen. Die Eurogruppe kann dann nur einstimmig entscheiden, und bevor wir in der Eurogruppe eine solche Entscheidung mittragen könnten, müssten wir im Bundestag die Zustimmung haben. Durch den ESM erfolgt also nur die technische Umsetzung eines zuvor befürworteten Antrages.

Frage: Bezüglich Konditionalität: Muss man unterschiedlich agieren oder gibt es eine einheitliche Lösung?

Antwort: Nein. Die drei Institutionen, die EU Kommission, die EZB und der IWF, prüfen welches Anpassungsprogramm ein Land, das einen Antrag gestellt hat, braucht. Wenn ein Land, wie z.B. Spanien, nur Hilfe für seine Banken braucht, konzentriert sich die Anpassungsvereinbarung hauptsächlich darauf, wie der Finanzsektor, also vor allem die Banken restrukturiert werden können. Spanien unternimmt darüber hinaus aber von sich heraus weitere, tief eingreifende Reformen. Bei Griechenland ist das Anpassungsprogramm ein völlig anderes, weil die Probleme anders sind. Die drei Institutionen beurteilen von Fall zu Fall was notwendig ist und verhandeln es mit der jeweiligen Regierung. Wenn sie sich darüber einig sind, geben sie die Vorschläge an die Euro-Gruppe – wir prüfen es dann, und wenn wir damit einverstanden sind, stimmen wir dem zu.

Frage: Ich glaube, die Finanzmärkte interessieren sich besonders auch dafür, ob die Krisenländer zusätzliche Maßnahmen benötigen oder nicht?

Antwort: Das hängt von der Lage im Einzelfall ab. Wir vereinbaren in jedem Hilfsprogramm eine strenge und angemessene Konditionalität, um sicher zu stellen, dass das betroffene Land am Ende der Programmlaufzeit Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen hat.

Frage: Gibt es auch andere Wackelkandidaten? Zypern ist bereits erwähnt worden oder auch Slowenien…

Antwort: Ich habe von der slowenischen Regierung, von der EZB und von der EU-Kommission gehört, dass Slowenien sehr wohl in der Lage sei, seine vorübergehenden Probleme selber zu lösen. Zypern hat einen Antrag auf ein Programm gestellt, aber die Verhandlungen sind noch ganz im Anfang. Ansonsten kann ich keine Kandidaten für ein EFSF/ESM Programm in Europa erkennen.

Frage: Wie kann man die Schuldenkrise lösen? Was muss auf internationaler Ebene diskutiert werden?

Antwort: Im G-20-Rahmen waren wir uns seit der Finanzkrise 2008/2009 einig: es gibt drei Hauptursachen der Krise, und die müssen schrittweise gelöst werden.
Die erste Ursache ist die zu hohe Staatsverschuldung, nicht nur in Europa, sondern auch in anderen großen Industrieländern, die eine sehr viel höhere Staatsverschuldung haben als der Durchschnitt der Euro-Länder. Alle Staats- und Regierungschef haben beim G-20 Gipfel unterschrieben, bis 2013 ihr jährliches Haushaltsdefizit zu halbieren. Jedermann weiß, dass Japan wegen der Katastrophe in Fukushima das nicht erfüllen kann. Das versteht auch jeder. Deutschland wird es erfüllen. Die Staatsverschuldung wird ein Thema beim IWF-Meeting und G7-Finanzministertreffen in Tokio sein.

Die zweite Ursache ist: wir haben zu viel Liquidität in den Finanzmärkten. Wir haben ständig die Gefahr von spekulativen Blasenbildungen. Wir müssen versuchen, die Liquidität behutsam aus den Märkten herauszunehmen.
Und die dritte Ursache ist ein Mangel an Regulierung der Finanzmärkte. Seit 2008 haben wir die Regulierung und die Aufsicht über die Finanzmärkte und die Banken erheblich verstärkt und arbeiten heute immer noch daran. Ich erwähne nur als Beispiel das Gesetz zur Einschränkung des Hochfrequenzhandels, das wir vor Kurzem im Kabinett verabschiedet haben; die Umsetzung von Basel III; die Harmonisierung der Regel in Europa für Resolutionsregime und Anlagesicherungssysteme; das Projekt einer Finanztransaktionssteuer in Europa; und das Projekt einer europäischen Bankenaufsicht. All dies sind aktuelle Baustellen, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden.

Außerdem haben wir eine Debatte über Ungleichgewichte. Zu starke, dauerhafte Ungleichgewichte sind ein Problem. Deutschland beteiligt sich an dieser Diskussion. Wir brauchen eine behutsame wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik. Wir müssen zugleich versuchen, Ungleichgewichte nicht weiter voranzutreiben, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit auf die Weltmärkte zu beschädigen. In Spanien sinken die Arbeitskosten, in Deutschland steigen sie. Das ist eine Korrektur von Ungleichgewichten.

Frage: Sie sind Befürworter der Fiskalunion. Für wie realistisch halten Sie die Einführung einer Fiskalunion, zumindest unter den Euroländern oder auch EU-weit?

Antwort: Seit Ausbruch der Krise haben wir die fiskalpolitischen Regeln der Währungsunion sehr konkret verschärft. Da kann ich mir noch weitere Schritte vorstellen. Andererseits hätte es niemand vor zwei Jahren in Europa für möglich gehalten, dass sich alle Länder auf die Einführung von Schuldenbremsen einigen könnten… Das heißt, die Einsicht in Europa wächst. Wir sind die größte Volkswirtschaft, wir haben eine große Verantwortung, und wir versuchen der Verantwortung gerecht zu werden, aber wir können nicht alleine entscheiden. Wir müssen andere überzeugen. Wir sind alle von dem gemeinsamen europäischen Erfolg abhängig. Eine bessere Lösung der Probleme in Griechenland ist nicht nur im Interesse der Griechen, sie ist vor allen Dingen auch im Interesse der Deutschen und aller anderen Europäer.

Frage: Aber wohin geht Europa? Geht Europa in Richtung politische Union oder stagniert diese Integration?

Antwort: Europa wird sich stärker integrieren. Wir haben nur dann eine Chance, wenn wir gemeinsam, als Union, handeln und agieren. Wir Europäer hatten viel Streit und viele Kriege in der Geschichte. So viele Kriege hat Japan mit seinen Nachbarn niemals geführt. Aber jetzt haben wir die Lektion gelernt. Trotz aller Europabegeisterung darf man aber nicht vergessen: wenn Sie von heute auf morgen sagen würden: ab jetzt wird nichts mehr in Berlin oder den anderen europäischen Hauptstädten sondern alles in Brüssel entschieden, dann würden die Deutschen und die anderen Völker Europas das so nicht akzeptieren.

Europa ist eine Geschichte der Einigung Schritt für Schritt – seit 60 Jahren. Wir wollen dabei keinen europäischen Nationalstaat schaffen. Wir streben keine Vereinigten Staaten von Europa nach dem Vorbild der USA an. Was wir wollen ist eine neue Form von internationaler Governance. Manche Fragen werden in den Nationalstaaten entschieden, andere auf der europäischen Ebene, und andere werden im Sinn von Global Governance, auf globaler Ebene, entschieden werden müssen, z.B. Klimawandel oder Terrorismus-Bekämpfung.

Frage: Was soll eigentlich in der Zukunft in Brüssel entschieden werden, und was bleibt hier in Deutschland, zum Beispiel?

Antwort: Große Teile der Finanz- und Wirtschaftspolitik sollten wir in Europa gemeinsam entscheiden und nicht mehr nur national. Und auch die Sicherheitspolitik und die Klimapolitik machen rein national nur sehr eingeschränkt Sinn.

Frage: Wünschen Sie sich als Finanzminister eine schnellere Integration?

Antwort: Ja selbstverständlich. Wenn ich es mir wünschen könnte, dann so schnell als eben möglich. Aber ich bin Realist, ich weiß, dass nicht alles so schnell gehen wird. Die Großen können nicht über die Kleinen dominieren. Die Bürger müssen überzeugt und mitgenommen werden. Natürlich würde ich gerne ein bisschen schneller vorangehen, deswegen dränge ich ab und zu. Und manchmal geht es in der Geschichte mit tiefen Veränderungen auf einmal ganz schnell. Die deutsche Wiedervereinigung war auch nicht vorhergesehen und plötzlich war sie möglich.

Frage: Wie wird die Bankenaufsicht in der Zukunft aussehen? Es gibt Meinungsunterschiede zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission…

Antwort: Wir hatten eine Diskussion darüber beim Treffen der Finanzminister in Zypern, wo wir ein breites Maß an Übereinstimmung gesehen haben, was die Regelungsinhalte betrifft. Wir sind uns auch einig, dass der wesentliche Teil dieser Aufsicht durch die EZB geleistet werden muss. Wo es Unterschiede gibt, ist beim Zeitplan. Die EZB muss den Apparat erst aufbauen. Das geht nicht von heute auf morgen. Eine europäische Aufsicht kann nicht alle 6.000 Bankeninstitute in Europa direkt beaufsichtigen. Ich habe sehr früh den zuständigen Kommissar Herrn Barnier gewarnt, dass das nicht so schnell einzurichten sein wird. Es ist immer etwas gefährlich, Erwartungen zu wecken, die nicht ganz einfach umzusetzen sind.

Frage: Das heißt also, die Sparkassen werden nicht von der EZB kontrolliert?

Antwort: Ich stelle mir das so vor, dass allein schon aus Gründen der Machbarkeit grundsätzlich kleine, lokale Banken von nationalen Instanzen kontrolliert werden. Aber die EZB muss die Möglichkeit haben, auch diese Institute bei Bedarf zu überprüfen.

Frage: Nochmals zur Bankenaufsicht. Welche Länder müssen beteiligt werden? Sind Sie der Meinung, dass das nur im Euroraum bleiben soll, oder sollen auch andere EU-Mitglieder einbezogen werden?

Antwort: Das war eines der Themen, die wir sehr intensiv diskutiert haben. Da gibt es auch einen breiten Konsens: möglichst viele und mindestens alle Euro-Länder. Wenn Länder außerhalb des Euro unter die Aufsicht kommen, müssen sie Stimmrechte erhalten. Wir müssen eine Institution oder ein Gremium, möglicherweise bei der EZB angesiedelt, schaffen, in dem auch beispielsweise Schweden oder Großbritannien mitwirken können. Wir können jedoch niemanden zwingen, jeder muss selbst entscheiden.

Frage: Wie ist der Zeitplan? Werden bereits ab 2013 zumindest die großen Banken von der EZB kontrolliert?

Antwort: Darüber besteht Einigkeit, es sollten in erster Linie die systemrelevanten Banken unter die europäische Aufsicht kommen. Das wird aber nicht ab dem 1.Januar 2013 möglich sein. Ganz sicher nicht… aber sobald wie möglich.

Frage: Wie wird die Einlagensicherung funktionieren?

Antwort: Die Einlagensicherung ist kein Thema der Bankenaufsicht. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass wir für alle nationalen Einlagensicherungssysteme gemeinsame Regeln vorschreiben. Dadurch ist für alle klar, welche Regeln vorherrschen und auf was man sich verlassen kann. Daran arbeiten wir.

Frage: Wie beurteilen Sie die Lage der deutschen Wirtschaft in 2012 und 2013?

Antwort: Wir sind von der konjunkturellen Abkühlung ebenfalls betroffen. Aber die deutsche Wirtschaft ist inzwischen sehr robust. Wir haben einen starken Arbeitsmarkt und eine ordentliche Entwicklung des privaten Verbrauchs. Wir werden in keine Rezession hineingehen.

Frage: Wann plant Deutschland den ausgeglichenen Haushalt zu erreichen?

Antwort: Wir sind durch das Grundgesetz verpflichtet, ab 2016 jährlich nicht mehr als 0,35% des BIP Neuverschuldung zu haben. Diese Anforderung erfüllen wir nicht erst 2016 sondern bereits drei Jahre früher, 2013. Bei einer einigermaßen stabilen Entwicklung können wir innerhalb der nächsten Jahre eine Null-Verschuldung erreichen. Aber ich mache jetzt keine großen Ankündigungen, und dann kommt etwas dazwischen und wir können das nicht einhalten…

Frage: Bezüglich Bundesanleihen: Überlegen Sie nicht eine langfristige Bundesanleihe zu platzieren?

Antwort: Das Schuldenmanagement ist Sache der Finanzagentur und sie macht diese technische Arbeit richtig. Übrigens, es macht mich nicht nervös, im Gegenteil, dass in den letzten Tagen und Wochen die Spreads zwischen den Zinsen für die Anleihen in Deutschland und denen der anderen Länder der Eurozone ein wenig gesunken sind. Ich nehme das als ein Zeichen dafür, dass schrittweise doch Vertrauen in andere Teile der Eurozone an den Finanzmärkten stärker wird. Es ist der Anfang einer Normalisierung.

Frage: Die SPD fordert die Erhöhung des Spitzensatzes der Einkommensteuer und Vermögenssteuer. Muss man das deutsche Steuersystem ändern?

Antwort: Deutschland hat eine Steuerquote, die im internationalen Vergleich in Ordnung ist. Wir haben keinen Mangel an Einnahmen. Die Sozialdemokraten sagen, wenn wir mehr Steuern hätten, dann könnten wir noch mehr machen… Wenn sie die Steuerpolitik falsch gestalten, beschädigen sie die Wirtschaft. Dann steigt die Arbeitslosigkeit, und sie haben hohe Steuersätze und wenig Einkommen. Wir versuchen eine richtige, kluge Balance zu wahren. Da gibt es nun auf Seiten der SPD erstes Wahlkampfgetöse – auch wenn sie es besser wissen sollten.

Das Interview führte Chefkorrespondent Shogo Akagawa

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